Die Farbe Lila ist wohl eines der wenigen Bücher, bei denen ich den Film schon lange kannte, bevor ich das Buch zur Hand nahm. Das wäre vielleicht auch nie geschehen, hätte der Roman nicht auf der Liste der modernen Klassiker der Bücherkultur Challenge gestanden. So habe ich es in der Bibliothek gesucht und gefunden, viele Ausgaben sind in Übersetzung nicht erhältlich, weswegen die Zeit es als einen der Titel für ihre Bibliothek der verschwundenen Bücher auszuwählte. In den USA ist es eines der 100 am häufigsten in Frage gestellten/angeklagten Bücher, wobei sich dort auch viele absurde, preisgekrönte Titel finden. Alice Walker gewann mit ihren Roman den Pulitzer-Preis und das meines Erachtens zu Recht!
Erstmals 1982 veröffentlicht, fasst Walker viele unbequeme Themen an. Der Briefroman beginnt in den 30er Jahren und verdeutlicht schon auf den ersten Seiten, wie problematisch die soziale und gesellschaftliche Situation der afro-amerikanischen Bevölkerungsschicht war und ist. Im ländlichen Georgia leben viele Armut und besonders den Frauen werden keinerlei Rechte zuerkannt, sie werden von Weißen und von Männern unterdrückt und missbraucht. Es ist die oft drastische Darstellung des physischen und psychischen Missbrauchs, der vor allem zu Beginn des Romans schockiert. Die Form des Briefromans und die schlichte, slanghafte Sprache, mit denen sich die Protagonistin Celie an Gott wendet, weil sie sonst niemanden hat, der ihr zuhört, macht es leicht, die Welt durch ihre Augen zu betrachten. Am schockierendsten ist die Perpektivlosigkeit Celies, man sieht - wie sie selbst - keinen gangbaren Weg aus ihrem Leid.
Erst die Freundschaft und Liebe anderer Frauen in ihrem Leben, die Anteilnahme am Schicksal anderer, denen das Leben und die Männerwelt ebenso schlecht mitspielt, bringt Bewegung und damit Veränderung in ihre Situation. Durch Briefe ihrer Schwester Nettie, von der Celie nach ihrer Verheiratung getrennt wird, wird ein zweiter Schauplatz eingeführt. Nettie ist mit einem Paar von Missonaren in Afrika und erlebt dort andere Aspekte von Unterdrückung von Weißen, aber auch eine weitere patriarchalische Gesellschaft, in der Frauen kaum Rechte haben. Nahezu mit Erleichterung liest man von Celies langsamer Befreiung, aber auch dem positiven Wandel, den Walker dem ursprünglich feindlichen Ehemann Celies zuspricht.
Während des Lesens standen mir viele Bilder der Verfilmung (Spielberg, 1985) deutlich vor Augen, zumal der Film dem Plot des Buches sehr detailgetreu folgt. Vor allem die großartige Whoopi Goldberg, die mit ihrer Leistung ihren Durchbruch als Schauspielerin hatte und eine Oskarnomierung erhielt, war mir noch in vielen Szenen präsent. Obwohl auch der Film die Gewalt gegenüber Frauen deutlich zum Ausdruck bringt, war die Schilderung besonders dieser Szenen beeindruckend bis niederschmetternd. Trotzdem Hoffnung, Mut und schließlich auch wieder Glauben zu finden, scheint in Celies Welt nahezu unmöglich und doch...
Und mit dieser Botschaft löst sich Alice Walkers Geschichte aus ihrem historischen Kontext, macht Mut, mahnt zugleich und übergibt uns auch Verantwortung.
Alice Walker, Die Farbe Lila. Rororo, Reinbek bei Hamburg 1998 (erstmals 1984).
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