Sunday, June 16, 2019
Stephen Chbosky - Das also ist mein Leben
Charlie ist nicht der typische Highschool-Junge, nein, er ist schüchtern, schräg, anders. So hält er sich meistens im Hintergrund, beobachtet, denkt nach. Und aus seinen Briefen an den unbekannten Freund, dessen Namen wir nie erfahren, wird deutlich, dass er eine Vergangenheit mit psychischen Problemen und schwierigem Verhalten hat. Doch er durchbricht seine Gewohnheiten, als er Patrick und Sam kennenlernt und Freundschaft schließt. Plötzlich tut sich ihm eine neue Welt auf, die ihm zwar auch neue Probleme bereitet, aber dazu führt, dass er sich lebendiger fühlt und teilnehmen kann an der bunten Welt da draußen...
Stephen Chboskys Roman erschien bereits 1999, 2012 kam die Verfilmung unter Regie des Autors in die Kinos. Charlies Geschichte löste einige Kontroversen aus. In den USA erreichte der Roman mehrmals Bestplazierungen auf der Liste der "most-frequently-challenged books" wegen der enthaltenen Bezüge zu Drogenerfahrungen oder Homosexualität. In den Kritiken und Buchrezensionen wird oft angemerkt, dass zahlreiche komplexe Themen wie auch Selbstmord, Missbrauch, Vergewaltigung etc. zur Sprache kommen, aber nicht wirklich thematisiert bzw. problematisiert werden. Charlie erlebt und beobachtet, reflektiert aber nur wenig, handelnd eingreifen kann oder will er nur selten. Auch wird nicht deutlich, welche psychische Erkrankung eventuell zu seiner Andersartigkeit führt - wenngleich eine Form von Autismus naheliegend ist, wird dies nie deutlich thematisiert. Statt alledem befinden wir uns in Charlies Briefen in einer Art andauerndem und ungefiltertem Stream-of-Consciousness. Ist er deswegen einer schwacher Protagonist? Nein, ich denke nicht. Er spricht mit seinen Ängsten und seinen Schwierigkeit typische Teenager-Probleme an, jedoch durch seine Andersartigkeit um einiges gesteigert. Seine Sichtweise wirbt gleichzeitig um Verständnis für ihn, für sein Anderssein und auch für die Eigenarten der anderen. Die Nennung von Musik, Filmen und Romanen bietet zugleich emotionale Identifikationsfläche - hier finden wir uns wieder, können doch einen Bezug zu diesem schrägen Jungen herstellen und ihn mögen. Chbosky hat kein heikles Problem-thematisierenden Buch geschrieben, sondern eine Coming-of-Age-Story mit einem ungewöhnlichen und nicht unproblematischen Protagonisten. Dabei macht er stilistisch keine Extravaganzen, wenngleich einige Textstellen zu beliebten Zitaten geworden sind, dennoch spricht ein Teenager. Die kleinen Botschaften zur Selbstliebe und Selbstakzeptanz kommen aber gerade deshalb beim Zielpublikum (und auch vielen anderen) gut an und begründen wohl den Erfolg des Romans.
Stephen Chbosky, Das also ist mein Leben. Heyne, München 2011.
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