"Die gleißende Welt" ist der Titel eines utopischen Romans von Margaret Cavendish, die im 17. Jahrhundert als eine der ersten Frauen überhaupt unter ihrem eigenen Namen publizierte. Als frühe Universalgelehrte ist sie Vorbild und Idol von Harriett Burden, der Witwe eines einflussreichen New Yorker Galeristen. Nach dessen vorzeitigem Tod in den siebziger Jahren beginnt Harriett - in der öffentlichen Wahrnehmung nichts als die Frau an der Seite des berühmten Mannes, aber in Wahrheit hochtalentiert - ein heimliches Experiment: eine Karriere als Installationskünstlerin, die sich hinter dem angeblichen Werk dreier männlicher "Masken" verbirgt, das in Wahrheit sie selbst erschaffen hat. Doch der Faustische Handel schlägt fehl - einer dieser Maskenmänner, selbst ein bekannter Künstler, durchkreuzt ihr Rollenspiel und setzt sein eigenes dagegen, und es kommt zum Kampf zweier großer Geister.Hustvedts Roman ist in der Tat ein facettenreiches Werk, welches vom Kulturradio meisterhaft als Audiobook (erschienen im Argon Verlag) umgesetzt wurde, indem die verschiedenen Personen, die Hustvedt ihre unterschiedlichen Sichtweisen auf Harriett Burden, ihr Leben und ihr Werk schildern lässt, auch von verschiedenen markanten Sprechern präsentiert werden. Das erleichtert die Orientierung beim Perpektivwechsel.
Das Buch ist ein Konzert widerstreitender Stimmen, eine polyphone Tour de Force über die Macht von Vorurteilen, Begierde, Geld und Ruhm. Es versammelt alle großen Themen Siri Hustvedts aus Literatur, Kunst, Psychologie und Naturwissenschaften. Ein mutiges, schillerndes Meisterstück.
Am interessantesten und spannendsten ist sicher die Frage nach der Rolle der Frau in der Kunst, oder besser im Kunstbetrieb. Die Schwierigkeit, sich trotz ihres großen Talentes Gehör und Geltung zu verschaffen, treibt Harriett zu ungewöhnlichen Maßnahmen, an denen sie letztlich scheitert. Sie erfährt nicht die ihr zustehende Anerkunngen, gleichzeitig stürzt die Erfahrung des Verrats sie in einen tiefen Abgrund.
Hustvedt beleuchtet ihre Protagonisten von innen und außen, aus der Nähe und aus der Ferne, bedient sich unterschiedlicher Personen, bleibt dabei sehr persönlich, gibt ihren Berichterstattern zusätzlich noch deutliche eigene Charaktere, so dass einem beim Zuhören dennoch klar wird, durch wessen "Brille" man Harriett nun sieht und wie man dies eventuell einordnen muss. Dies ist erzählerisch in der Tat meisterhaft umgesetzt, wenngleich die Thematik und die starke Frauenperspektive sicherlich nicht in allen Leserkreisen auf Zustimmung treffen wird.
Siri Hustvedt, Die gleißende Welt. Argon 2015.
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