Sylvie Schenk erzählt in Schnell, dein Leben die Geschichte von Louise, die aus den französischen Alpen stammt, sich während des Studiums in Lyon in einen Deutschen verliebt und diesen heiratet und mit ihm nach Deutschland zieht.
Die persönliche Geschichte des Paares wird verflochten mit den deutsch-französischen Beziehungen der Nachkriegszeit. Louise sieht sich oft hin- und hergerissen zwischen der Abscheu vor den Greueltaten der Deutschen und denen der französischen Kollaborateure, die ihr ein Freund immer wieder vor Augen führt, und dem Wunsch nach Vergebung und Freundschaft zwischen den beiden Nationen. Unversehens findet sie diesen Konflikt auch in ihrer deutschen Wahlheimat wieder, als sie herausfindet, dass der autoritäre Vater ihres Ehemanns im Krieg ausgerechnet in Lyon zur Unterdrückung und zum Mord an Widerstandskämpfern beigetragen hat.
Diese Verknüpfung der persönlichen Geschichte mit Historischem und den großen Fragen nach Verantwortung, Vergebung und Versöhnung funktioniert überraschend gut - man nimmt Louise diesen großen inneren Widerspruch, in dem sie sich oft wiederfindet, ab. Manchmal allerdings lässt das Schweigen aller Beteiligten den Konflikt scheinbar unnötig eskalieren - man fragt sich, warum all diese Dinge so schrecklich unausgesprochen und versteckt bleiben müssen. Damit wird allerdings nur ein weiteres Phänomen der Nachkriegszeit verdeutlicht - die Devise war vergessen und verdrängen, auf keinen Fall wurden die Erfahrungen der Zeit ausgesprochen, all das Grässliche und die Schuld durften nicht zutage treten.
Problematisch an dem kurzen Roman ist die ungewöhnliche Erzählperspektive der Du-Erzählerin. Louise spricht sich die ganze Zeit selbst an, was gelinde gesagt nicht nur ungewohnt, sondern auch irritierend ist. Vielleicht ist auch dies beabsichtigt, führte aber in meinem Fall nicht dazu, dass ich mich besser in die Protagonistin hineinversetzen konnte, sondern eher zur Distanzierung. Sophie Rois' Lesung ist phasenweise sehr dramatisierend, mit der eher rauen Stimme und dem leichten österreichischen Akzent wird sie auch manchmal laut, fast schreiend, was meines Erachtens nicht immer zur Textvorlage passt.
Sylvie Schenk, Schnell, dein Leben. Tacheles 2016.
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