Nach Altes Land und Mittagsstunde ist Zur See nun der dritte Roman von Dörte Hansen. Auch dieser besticht durch gut ausgearbeitete Charaktere und seine Sprache. Hansen beschreibt das Leben auf einer nicht näher benannten Nordseeinsel. Die Familie Sander lebt dort seit fast 300 Jahren, die Männer arbeiteten auf See, die Frauen übten sich im Warten und zogen die Kinder groß. Dann irgendwann kam erst der langsame Tourismus mit "Sommergästen", die Wellnessresorts und Tagesgäste heute irritieren Hanne Sander nur. Auch der Rest ihrer Familie ist aus den alten Strukturen ausgebrochen, der Mann ausgezogen, die drei Kinder arbeiten als Altenpflegerin, Künstler und auf der Fähre. Die Inselwelt ist nicht mehr, was sie war, das beobachten wir an den Mitgliedern der Familie Sander und auch noch einiger anderer Dorfbewohner. Zweifel, Verzweiflung und der wütende Wunsch nach Veränderung beschäftigt sie, während die See als Konstante immer präsent ist, oft auch als Bedrohung, aber die Insel und das Meer sind von Dauer, während die Menschen sich fragen müssen, was für ein Leben sie wollen. Wie in Mittagsstunde sind einige der Figuren in ihrem Leben verfangen, scheinen wenig Mitspracherecht darin zu haben. Andere stellen sich die großen Fragen, findet aber nicht immer Antworten. Dabei lässt die Autorin offen, ob "früher alles besser" war oder "Fortschritt" und der damit verbundene Wohlstand der Insel richtig ist. Sie wertet nicht, stellt einfach ihre Charaktere in ein sich im Wandel befindliches Setting und lässt den Lesenden an deren Gefühlen teilhaben. Und so findet man sich in ihnen wieder, kennt die Inselsehnsucht, kann die Widersprüche nachempfinden.
Ein Buch, das man sicher mehrfach lesen kann und immer wieder etwas daraus mitnehmen kann.
Dörte Hansen, Zur See. Random House Audio 2022.
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