Friday, February 14, 2025

Emma Cline - The Girls

The Girls von Emma Cline erzählt auf zwei Zeitebenen die Geschichte von Evie Boyd. In der Gegenwart ist sie arbeitslos und darf im Haus eines alten Freundes bleiben, als dessen Sohn Julian und minderjährige Freundin ebenfalls dort auftauchen. Die offensichtliche Abhängigkeit des jungen Mädchens von ihrem Freund erinnert Evie an die dramatischen Ereignisse im Jahr 1969, als sie selbst 14 war. Ihre Eltern waren frisch geschieden und die Mutter sehr mit sich beschäftigt, ihre einzige Freundin wendet sich gegen sie, weil sie in deren Bruder verliebt ist. Evie ist auf der Suche nach etwas Besonderem, dem Außergewöhnlichem, und sieht eines Tages in einem Park eine Gruppe von Mädchen, The Girls, die ihr durch ihre Andersartigkeit auffallen. Sie scheinen ihr frei und glücklich zu sein, obwohl sie von Anfang an beobachtet, dass sie ungepflegt sind und sogar Lebensmittel aus dem Abfall stehlen müssen. Besonders eine von ihnen, Suzanne, gefällt ihr und sie ergreift die Gelegenheit, ihr zu ihrer Unterkunft auf einer Farm zu folgen. An die Geschichte von Charles Manson angelehnt, leben dort zahlreiche junge Frauen und  Kinder und verehren einen Mann namens Russell, der sie sexuell benutzt und ihnen ein krudes Weltbild vermittelt. Natürlich sind auch Drogen allgegenwärtig. Obwohl Evie auch in Russels Sog gerät, liegt ihr Fokus kontinuierlich bei Suzanne, die sie zweifelslos liebt, auch wenn Suzanne ihre Gefühle nicht erwidert. Nachdem ihre Mutter von ihrem Leben auf der Farm erfährt, wird Evie zu ihrem Vater geschicht und verbringt dort eine gewisse Zeit. Als sie schließlich zur Farm zurückkehrt, findet sie die Situation dort verändert vor, alles ist noch verkommener und die Stimmung ist düster. Russell hegt einen tiefen Groll auf einen bekannten Musiker, der ihm keinen Plattenvertrag vermitteln will oder kann, obwohl Russell ihn dazu drängt. Auch dieser Teil der Geschichte orientiert sich nah an der von Charles Manson. Eines Abends begibt sich ein Teil der Gruppe zum Haus dieses Musikers und bringt die dort Anwesenden um. Nur knapp entgeht Evie selbst der Teilnahme an diesem Verbrechen.
Gelesen wird das Audiobook von Suzanne von Borsody, deren Stimme mir zwar nicht so sehr zusagte, aber die Evies Empfindungen dennoch sehr atmosphärisch umsetzt.
Ich wusste vorher wenig über Charles Manson, doch nach dem Lesen des Wikipedia-Artikels über die Manson-Family sind die Parallelen in The Girls offensichtlich. Die Perspektive der Evie Boyd ist geschickt gewählt, denn Evie ist involviert genug, um die inneren Mechanismen des Kults zu sehen, gleichzeitig ist sie ihm aber nicht verfallen, da sie wegen Suzanne und nicht wegen Russell dort ist. Bedrückend ist, dass sie auch nach all den Jahren keine gesunde innere Distanz zu den Ereignissen von damals hat. Als Erwachsene wirkt sie isoliert von der Welt, bindungsarm, erfolglos und unglücklich. Ihr zaghafter Versuch, der jungen Freundin von Julian zu helfen, erscheint halbherzig und scheitert. Sie sehnt sich immer noch, wie mit 14, nach Bindung und Liebe, hat dies aber in ihrem Leben kaum erfahren. Genau wie der Protagonistin fehlt auch dem Roman meines Erachtens ein gesunder Abschluss, eine Perspektive oder vielleicht sogar eine Wertung der Ereignisse. Die Botschaft, Russel/Manson hat das getan, die Frauen waren dabei, dumm und abhängig, reicht mir nicht. 

Emma Cline, The Girls. Hörbuch Hamburg 2016.

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