Mankells Faszination mit dem afrikanischen Kontinent fand
schon immer auch Ausdruck in seinen Romanen. Erinnerung an einen schmutzigen Engel entstand auf der Basis eines
historischen Fragments aus einer ehemaligen portugiesischen Kolonie, heute Moçambique.
Es gab mysteriöse Bordellbesitzerin mit schwedischem Namen,
die als eine der bedeutendsten Steuerzahlerinnen in den Büchern der Stadt Laurenço
Marques (heute Maputo) auftaucht. Man weiß nichts über ihre Herkunft und auch
nichts über ihren Verbleib.
Mankell spinnt um dieses historische Fragment die
Lebensgeschichte von Hanna Renström, die - aus einem schwedischen Dorf stammend
- als Köchin auf einem Dampfschiff anheuert und auf dem Weg nach Australien an
der afrikanischen Küste desertiert und von Zufällen bedingt dort ein
außergewöhnliches Leben führt. Wesentliches Thema des Romans ist der Rassismus
der Weißen gegenüber der schwarzen Bevölkerung. Die naive Hanna steht dem
herrischen Verhalten der Weißen erst irritiert und verständnislos gegenüber, im
Zuge ihrer Anpassung an die Situation und ihrem steigenden gesellschaftlichen
Status übernimmt sie die diskriminierenden Verhaltensweisen, um diese dann
schlussendlich aufgrund ihrer Überlegungen und Erfahrungen für sich selbst zu
überwinden.
Durch die Augen der Protagonistin sieht man vor allem zu
Beginn nur Ausschnitte der kolonialistischen Welt und gewinnt erst nach und
nach Einblicke in die Mechanismen der Unterdrücker, die man aus Hannas Sicht
aber erst spät als eben solche wahrzunehmen in der Lage ist. Doch dann zieht
sie für sich die moralisch richtigen Schlüsse, versucht zunächst zu helfen,
allerdings ohne das System der Ausbeutung, in dem sie sich als
Bordellbesitzerin befindet, gänzlich aufzugeben, denn dieses ist Quelle ihres
Reichtums. Als ihre Versuche scheitern, verlässt sie ihre Machtposition in der
weißen Gesellschaft und reist ab.
Mankell erzählt Hannas Geschichte in seinem gewohnten Stil,
geradlinig und schnörkellos, aber mit starken Bildern, die es vermögen, sich
sowohl Hannas wandelnde Weltsicht als auch das koloniale Leben Afrikas
vorzustellen. Gleichzeitig zeichnet
Mankell auch einmal mehr das Mystische, das Afrika für ihn bedeutet.
Henning Mankell, Erinnerung
an einen schmutzigen Engel. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2012.
No comments:
Post a Comment