Saturday, October 13, 2012

Henning Mankell - Erinnerung an einen schmutzigen Engel



Mankells Faszination mit dem afrikanischen Kontinent fand schon immer auch Ausdruck in seinen Romanen. Erinnerung an einen schmutzigen Engel entstand auf der Basis eines historischen Fragments aus einer ehemaligen portugiesischen Kolonie, heute Moçambique.
Es gab mysteriöse Bordellbesitzerin mit schwedischem Namen, die als eine der bedeutendsten Steuerzahlerinnen in den Büchern der Stadt Laurenço Marques (heute Maputo) auftaucht. Man weiß nichts über ihre Herkunft und auch nichts über ihren Verbleib.
Mankell spinnt um dieses historische Fragment die Lebensgeschichte von Hanna Renström, die - aus einem schwedischen Dorf stammend - als Köchin auf einem Dampfschiff anheuert und auf dem Weg nach Australien an der afrikanischen Küste desertiert und von Zufällen bedingt dort ein außergewöhnliches Leben führt. Wesentliches Thema des Romans ist der Rassismus der Weißen gegenüber der schwarzen Bevölkerung. Die naive Hanna steht dem herrischen Verhalten der Weißen erst irritiert und verständnislos gegenüber, im Zuge ihrer Anpassung an die Situation und ihrem steigenden gesellschaftlichen Status übernimmt sie die diskriminierenden Verhaltensweisen, um diese dann schlussendlich aufgrund ihrer Überlegungen und Erfahrungen für sich selbst zu überwinden.
Durch die Augen der Protagonistin sieht man vor allem zu Beginn nur Ausschnitte der kolonialistischen Welt und gewinnt erst nach und nach Einblicke in die Mechanismen der Unterdrücker, die man aus Hannas Sicht aber erst spät als eben solche wahrzunehmen in der Lage ist. Doch dann zieht sie für sich die moralisch richtigen Schlüsse, versucht zunächst zu helfen, allerdings ohne das System der Ausbeutung, in dem sie sich als Bordellbesitzerin befindet, gänzlich aufzugeben, denn dieses ist Quelle ihres Reichtums. Als ihre Versuche scheitern, verlässt sie ihre Machtposition in der weißen Gesellschaft und reist ab. 
Mankell erzählt Hannas Geschichte in seinem gewohnten Stil, geradlinig und schnörkellos, aber mit starken Bildern, die es vermögen, sich sowohl Hannas wandelnde Weltsicht als auch das koloniale Leben Afrikas vorzustellen.  Gleichzeitig zeichnet Mankell auch einmal mehr das Mystische, das Afrika für ihn bedeutet.

Henning Mankell, Erinnerung an einen schmutzigen Engel. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2012.

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