„Wenn bei uns Krieg wäre. Wohin würdest du gehen?So beginnt das Gedankenexperiment der dänischen Autorin Janne Teller (*1964 in Kopenhagen), das sie ursprünglich 2001 als fiktiven Essay in einer Lehrerzeitschrift veröffentlichte und das in den jeweiligen Übersetzungen den individuellen Gegebenheiten des Landes angepasst wurde. Sie entwirft darin ein Szenario, dass den Leser zum Opfer einer Kriegssituation macht, aus der die Familie fliehen muss. Nicht nur das ohnmächtige Erleben der Vernichtung der soliden Lebensgrundlage ist Thema, sondern vor allem die entsetzliche Situation als Flüchtling zum Bittsteller im fremden, nicht wohlgesonnenen Land zu werden.
Wenn durch die Bomben der größte Teil des Landes, der größte Teil der Stadt in Ruinen läge? Wenn das Haus, in dem du mit deiner Familie lebst, Löcher in den Wänden hätte? Wenn alle Fensterscheiben zerbrochen, das Dach weggerissen wäre? Der Winter steht bevor, die Heizung funktioniert nicht, es regnet herein. Ihr könnt euch nur im Keller aufhalten. Deine Mutter hat Bronchitis, und bald wird sie wieder eine Lungenentzündung bekommen. [...]“
So schreibt Teller im Nachwort:
„Das heutige Thema ist Migration, die durch menschliche oder Naturkatastrophen in aller Welt ausgelöst wird, die Bedrohung der körperlichen und seelischen Unversehrtheit von Familien und Einzelpersonen aus vielen verschiedenen Gründen, sowie soziale Ungleichheiten und mangelnde wirtschaftliche Chancen. Es geht um eine Begegnung der Kulturen, um das Vermögen und mehr noch die Bereitschaft von Einzelnen, Gruppen und ganzen Völkern, aufeinander zuzugehen. Es geht um unser Selbstverständnis, die Frage, wie jeder sich selbst und andere sieht, die fremden Ankömmlinge zum einen, die Gastgeber der Ankömmlinge zum anderen.“Leider ist dies immer aktuell, in Deutschland und in vielen anderen Ländern. Tellers Botschaft ist klar. Ich denke, ihr Weg, die Problematik Menschen durch den Perspektivwechsel näherzubringen ist ein guter Ansatz. Auch die Illustrationen von Helle Vibeke Jensen sind eindrucksvoll. Für mich selbst blieb die Flüchtlingsperspektive dennoch abstrakt, funktionierte nicht richtig. Vielleicht bedeutet dies aber nur, dass ich zu verhaftet bin in meinem eigenen Wohlstandsleben, zu wenig empathisch. Die Botschaft nehme ich dennoch mit.
Die deutsche Website zum Buch ist umfangreich, lässt die Autorin zu Wort kommen (u.a. in einem kleinen Video) und bietet Raum für Eindrücke und Diskussionen.
Janne Teller, Krieg – Stell dir vor, er wäre hier. Hanser, München 2011.
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