Als ich im vergangenen Sommer zur Irlandreise aufbrach, befand sich außer dem e-reader noch dieses eine "echte" Buch in meinem Gepäck, Heinrich Bölls Irisches Tagebuch. Leider kam ich doch nicht dazu es erneut zu lesen, denn meine Ausgabe stammt aus dem Jahr 1997, da werde ich es vermutlich das erste Mal gelesen habe.
Böll besuchte Irland das erste Mal im Jahr 1954, eine Sammlung von Kurzgeschichten und Eindrücken erschien als Irisches Tagebuch 1957. 18 Geschichten umfasst das Buch, 1967 fügte Böll noch ein Essay hinzu, in dem er nachsinnt, wie sich Irland seit seinem ersten Besuch verändert hat. Er stellt in diesem Essay fest, dass es das Irland seines Tagebuchs 13 Jahre später schon nicht mehr gibt, es sind "[...] in Irland eineinhalb Jahrhunderte übersprungen und fünf weitere eingeholt worden" (S.125).
Dennoch liest sich das Irische Tagebuch nicht wie eine historische Schilderung, es ist noch immer real und erzählt mit großer Leichtigkeit von den irischen Menschen, Landschaften und Besonderheiten. Ich finde Irland und meine Wahrnehmung des Landes darin wieder. Am anrührendsten ist es, die tief empfundene Sympathie Bölls für Irland zu spüren, die aus den Geschichten spricht. Trotz Armut, T runksucht, Wettleidenschaft und nie enden wollendem Regen hat er Achtung für die Menschen und ihren Umgang mit dem Leben. Die Redensarten "It could be worse" und "I shouldn't worry", über die er in Text 17 schreibt, spiegeln die Iren damals und heute wieder.
Man kann sich vorstellen, dass aus vielen dieser kleinen Geschichten, teils traumartig, teils realistisch, auch ein ganzer Roman hätte werden können. Doch Böll entschied sich für diese Form und vielleicht sind diese Charaktere und Szenen gerade deshalb besonders einprägsam, weil man sie nur kurz betrachtet, aber gern bei ihnen verweilen möchte.
Bei mir weckte das Buch die Sehnsucht, bald nach Irland zurückzukehren, ein Gefühl, mit dem Böll ganz offensichtlich auch sein Buch verfasst hat.
Heinrich Böll, Irisches Tagebuch. dtv, München 1997.
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