Thursday, February 28, 2013

Arnaldur Indriðason - Abgründe

Die Krimi-Couch fasst in ihrer Rezension Indriðasons zehnten Islandkrimi zusammen: "Nur für Indriðason-Fans empfehlenswert."
Das ist wahrscheinlich richtig. Man muss Indriðasons Schreibstil und Island mögen, um diesen Roman genießen zu können. Denn von der Krimiperspektive her ist Abgründe kein großer Gewinn.
Erlundur, den schrägen und leicht depressiven Ermittler, schickt der Autor auf Urlaub und auch die sympathische Elínborg (Haupptermittlerin im Vorgänger Frevelopfer) spielt kaum eine Rolle. Statt dessen muss der farblose Sigurður Óli den Fall übernehmen, den wir dann auch mit all seinen unspektakulären Seiten besser kennen lernen: Seine Vorlieben für Sportsendungen und alles Amerikanische, seine Lesemuffeligkeit und seine schwierigen Beziehungen zu Exfreundin und seinen Eltern. TMI - too much unformation - das hätte ich alles nicht wissen müssen, ich mochte ihn am Ende des Romans ebenso wenig wie vorher.
Der Fall nimmt Bezug auf das spannende Thema des Wirtschaftsbooms in Island, beleuchtet ansatzweise die Expansionsblase, in der das Land auf die finanzwirtschaftliche Katastrophe zusegelte. Maß- und Gewissenlosigkeit werden deutlich, aber auch die Naivität einiger Isländer im Umgang mit dem unverhältnismäßigem Wachstum. Ermordet wird eine kleine Erpresserin, deren Verbindungen zu einigen Bänkern, aber auch zu Sigurður Ólis Freundeskreis nach und nach aufgedeckt wird.
Parallel dazu wird die Geschichte eines verwahrlosten Mannes erzählt, der in seiner Kindheit missbraucht wurde und nun betrunken und von Rache getrieben durch Reykjavík geistert.
Der Zusammenhang der beiden Erzählstränge bleibt vage und ist auch am Ende noch unbefriedigend. Am ehesten zeigen sie den Kontrast zwischen den maßlosen, neoreichen Expansionswikingern und den Randgestalten Islands auf.
In Abgründe lernt der Islandfan sicher neue Aspekte der isländischen Gesellschaft kennen, aber wie anfangs angedeutet, ist das nichts für jedermann. Als Kriminalroman ist er mäßig gelungen und verliert sich zu sehr in Nebensächlichkeiten, zwangsläufig, denn der Fall gäbe keinen ganzen Roman ab.

Arnaldur Indriðason, Abgründe. Lübbe, Köln 2009.

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