Ich weiß, ich habe das Buch als Jugendliche schon einmal gelesen, erinnerte mich aber an fast nichts, außer, dass es mich beeindruckt hat.
Über den Inhalt kann man viel oder nichts sagen, in aller Kürze dies: Der 16jährige Holden fliegt zum dritten Mal wegen mangelnder Leistungen von einer Schule, ist angenervt von den Lehrern, den Mitschülern und der Gesellschaft im Allgemeinen. Er flieht eines Abends aus dem Zimmer seines Internats nach New York, vermeidet dort aber die Rückkehr in die elterliche Wohnung und streunt einige Zeit durch die Stadt.
Entscheidend sind dabei seine Begegnungen mit verschiedenen Menschen, von denen er manchen zufällig trifft, mit anderen verabredet er sich. Viele dieser Kontakte enden problematisch, mit Ablehnung, Streit oder sogar Gewalt. Holden ist deprimiert, wütend und hat keine Idee, was er mit seinem Leben anfangen will. Die meisten Menschen widern ihn an, er fordert mehr Mitgefühl einerseits, empfindet andererseits aber Abscheu gegenüber den Normen, die Gesellschaft in geordnete Bahnen lenken. Der Tod seines Bruders und der Selbstmord eines Mitschülers haben ihn tief getroffen und sind kaum verarbeitet. Einzig die Beziehung zu seiner Schwester Phoebe hat für ihn großen Stellenwert, ansonsten kann er kaum Dinge benennen, die er mag.
Passend zum Weltschmerz Holdens ist der Erzählstil geprägt durch den häufig thematisch springenden, emotional-aufgeladenen Stream-of-Consciousness, wobei die Jugendsprache der in die Jahre gekommenen Übersetzung meiner Ausgabe inzwischen ein wenig antiquiert wirkt. Er ist ein zutiefst unzuverlässiger Erzähler, dennoch folgt man ihm und seiner ganz eigenen Wahrnehmung bereitwillig durch die New Yorker Nacht.
Hat mich Der Fänger im Roggen wieder beeindruckt bei der Wiederbegegnung? Ja. Vielleicht aber anders. Eine andere Wahrnehmung von Sprache, zahlreiche andere Coming-of-Age-Stories später,... Gefallen hat mir der Roman auch als Spiegel der 50er Jahre, mit gesellschaftlichen Klischees und einer ganz anderen Wahrnehmung von Gender und Sexualität. Faszinierend finde ich, wie dieses Buch gleichzeitig eines der am meisten zensierten und "verbotenen" Bücher sein kann und sich gleichzeitig auf zahlreichen Literaturkanons und unter den "100 best novels" (Radcliffe list) befindet. Viele Widersprüche, viele Fragen, auf die der junge Holden keine Antworten weiß, aber die man sich vielleicht in allen Alterstufen noch einmal neu stellen kann.
J.D. Salinger, Der Fänger im Roggen. rororo, Reinbek 1977.
1 comment:
Diese Übersetzung ist auch wirklich schlecht, es gab vor zwanzig Jahren eine neue. Aber auch im Original könnte die Umgangssprache gealtert sein. Ich habe das Buch mehrfach gelesen, immer sehr gerne und beeindruckt, aber zuletzt vor knapp zwanzig Jahren. Es freut mich, dass es sich doch irgendwie gehalten hat.
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