Die ersten Minuten des preisgekrönten Hörspiels zu Annie Ernaux'
Die Jahre waren gewöhnungsbedürftig. Schlag auf Schlag hämmerten Sätze, Erinnerungen, Fragmente auf mich ein, ein intensiver Stream-of-Consciousness mit mehreren Stimmen, der sich aber nach einer Weile zu den familiären Anfängen einer zutiefst persönlichen Lebensgeschichte zusammensetzte, auch wenn niemals das Wort "ich" verwendet wird. Dieser Person widerfährt ein Leben, so hat man den Eindruck, sie treibt in den gesellschaftlichen Konventionen, familiären Überkommnissen und aktuellen Ereignissen dahin, nimmt erst spät sich selbst und ihre Bedürfnisse wahr und selbst dann ist sie sich nicht sicher, ob sie einen Anspruch auf ihr Leben hat.
Das Hörspiel ist vermutlich gekürzt, aber ich denke, es fängt die Atmosphäre und den sprachlichen Gestus sehr präzise ein und ich würde es definitiv weiterempfehlen als guten Zugang zu dem bestimmt etwas sperrig zu lesenden Buch. Insgesamt war es eine faszienierende Erfahrung in Ernaux' Leben in dieser Form einzutauchen und ich kann nachvollziehen, warum das Hörspiel den Deutschen Hörbuchpreis für Bestes Hörspiel (2020) und die Autorin den Nobelpreis für Literatur (2022) erhalten haben.
Annie Ernaux, Die Jahre. DAV 2019.
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