Wednesday, February 10, 2016
James Sturm - Markttag
Mendelmann ist ein jüdischer Teppichknüpfer im frühen 20. Jahrhundert. James Sturm schildert einen schicksalshaften Markttag, an dem Mendelmann seine Teppiche zum Händler bringen will und feststellen muss, dass der Inhaber gewechselt hat und dieser nun seine hochwertigen Teppiche nicht abnehmen will. Seine Versuche, die Teppiche auf dem markt anderweitig zu verkaufen, scheitern, er wird sie erst in einer Art Kaufhaus für wenig Geld los und stürzt in tiefe Verzweiflung. Seine Existenz steht schlagartig auf dem Spiel, den das Teppichknüpfen ist für ihn nicht einfach ein Beruf, sondern auch Lebensinhalt, da er seine Sicht der Welt in seine Kreationen einfließen lässt.
Gleichzeitig weiß er, dass seine Frau in Kürze ihr Baby erwartet und aufgrund der schwierigen Situation beginnt er nun auch an seiner persönlichen Situation zu zweifeln. Ist es recht, ein Kind in die Welt zu setzen, wenn seine wirtschaftliche Lage so schlecht ist? Will er dieses Kind überhaupt?
James Sturms Bilder bestechen durch große Klarheit und wirken besonders durch die eingeschränkte Farbpalette, die aus Erd- und Grautönen zusammengestellt ist, und durch starke Hell-Dunkel-Kontraste. Dabei wechselt die Perspektive von Mendelmanns Beobachtungen (z.B. die Landschaft, durch die er zum Markt geht, oder die Menschen, die er dort auf dem Markt sieht) zu der Totalen, in der Mendelmann nicht selten zum kleinen Detail im gesamten Bild wird. Der Gegensatz vom Geschehen in der Welt und dem persönlichen Erleben des Individuums, das den Entwicklungen in dieser Welt mehr oder weniger hilflos ausgeliefert ist, wird dadurch auch zeichnerisch zum Ausdruck gebracht. Der Idealismus, mit dem Mendelmann seine Teppiche webt, ist in der von Konsum geprägten, sich in Richtung Kapitalismus weiterentwickelnden Welt nicht mehr gefragt, so dass er an sich und seinem Platz in der Welt zu zweifeln beginnt.
Das Ende der Graphic Novel bleibt offen - er kehrt nach Hause zurück, aber ob er wirklich aufgibt und seinen Webstuhl verkaufen wird, oder ob der Anblick seines neugeborenen Kindes andere Veränderungen bringen werden, erzählt James Sturm nicht mehr.
Markttag ist sehr atmosphärisch, traurig und anrührend, Geschichte und visuelle Umsetzung passen wunderbar zueinander.
James Sturm, Markttag. Reprodukt, Berlin 2011.
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