Dies ist eines der Bücher außerhalb meiner Lesegewohnheiten. Meine Poposugar reading challenge verlangte nach einem Buch über true crime und da ich Trueman Capotes Kaltblütig schon gelesen hatte, durchsuchte ich die Listen der Empfehlungen und stieß auf die Anatomie des Mörders. John Douglas und Mark Olshaker waren hochrangige FBI-Agenten, Douglas schrieb zahlreiche Bücher über seine Erkenntnisse als einer der ersten Profiler überhaupt und diente als Vorlage vieler literarischer und filmischer Charaktere.
Der Originaltitel des Buches (erstmals erschienen 1999) benennt dessen Inhalt genauer: The Anatomy of Motive: The FBI's Legendary Mindhunter Explores the Key to Understanding and Catching Violent Criminals.
Es geht um die Motive, den Antrieb für die Taten der Gewaltverbrecher. Aus dem "Warum?" und "Wie?" lassen sich dann die notwendigen Schlüsse auf das "Wer?", also auf den Täter, ziehen. Die Autoren zeigen dabei grundlegende psychologische Zusammenhänge auf und beziehen diese dann immer auf drei bis vier Fallbeispiele. Die Verbrechen, um die es geht, sind nicht die spektakulären Sexualserientäter, um die es in Thrillern und Filmen häufig geht, vielmehr erzählt Douglas von seinen Erfahrungen mit Bombenlegern, Brandstiftern, Erpressern, Massenmördern (die heute wohl oft als Amokläufer bezeichnet werden) und einigen mehr. Dabei sind die Fälle durchaus spektakulär und der amerikanischen Öffentlichkeit sicherlich wohl bekannt.
Den Autoren gelingt ein locker-unterhaltsamer Erzählton, der die über 500 Seiten umfassenden Beispiele nicht langweilig werden lässt. Gleichzeitig sind sie immer bemüht, bei allen psychologischen und sozialen Zusammenhängen für die Beweggründe der Täter, die sie beschreiben, den Leser immer wissen zu lassen, dass sich die Mehrheit der Täter immer darüber bewusst war, was sie taten und sich dafür entschieden haben, ihre Taten durchzuführen - und damit sind sie auch für diese verantwortlich. Zusammenhängend mit dem Strafverfolgungs- und Rechtssystem der USA ist die Sichtweise der Autoren manchmal sehr amerikanisch, beispielsweise, wenn es um Prozessführung oder die Todesstrafe geht, aber dies stört nicht weiter. Die grundlegenden Erkenntnisse über die Motive von Verbrechern und was zu ihren Taten führt, sind allgemein gültig. Ein interessantes Buch - einmal mehr gut, dass eine reading challenge mit ungewohnten Genres andere Perspektiven öffnet.
John Douglas/ Mark Olshaker, Die Anatomie des Mörders. Goldmann, München 2001.
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