Faith Sounders ist mit dem Auto auf dem Rückweg von einer Familienfeier, hinten im Wagen sitzt ihre vierjährige Tochter Maggie. Bei einem Stopp auf der Landstraße steht plötzlich eine Frau am Fenster und bittet um Hilfe, die Situation ist irreal und potentiell bedrohlich, deswegen zögert Faith, die Türen zu öffnen. Die Frau wird kurz darauf von einem Mann weggeführt. Eigentlich ist Faith klar, dass es sich hier um eine Entführung handelt, aber da sie alkoholisiert gefahren ist, alarmiert sie nicht die Polizei, obwohl sie weiß, dass sie eine wichtige Zeugin ist. Als die Frau tot und misshandelt aufgefunden wird und die Medien berichten, ist es ihre Tochter, die überhaupt die Zeugenaussagen ins Rollen bringt. Faith gerät immer mehr unter Druck, denn sie verheimlicht noch etwas, was ihre Tochter nicht gesehen hat - es gibt noch einen zweiten Täter. So verzögert Faith' Schweigen die Ermittlungen, ihre angespannte familiäre Situation dramatisiert sich und damit auch ihr Alkoholproblem. Aber auch die Täter sinnen auf Rache...
Die zugrunde liegende Idee des Thrillers mit der moralisch unzuverlässigen Zeugin gibt Samariter von Jilliane Hoffman von Anfang an eine sehr persönliche Note. Was bin ich bereit für andere zu riskieren? Was nehme ich in Kauf, um mich selbst zu schützen? Wie würde ich in einer ähnlichen Situation entscheiden?
Faith' Dilemma, das zunächst noch überschaubar scheint - sie hat eine Entscheidung getroffen, die ihr eigenes Wohl und das ihres Kindes präferiert - wird in der Folge aber immer weiter zugespitzt: Die angeschlagene Ehe, in der sie sich als die Abhängige sieht, trotz oder gerade wegen der Untreue ihres Mannes, das problematische Kind, das so verhaltensauffällig ist, dass selbst Faith hilflos scheint, damit adäquat umzugehen, und schlussendlich ihre nur nach und nach offenbarte Alkoholsucht, die aber dann Ausmaße hat, die sofort offenkundig sein müssten in ihren Gedanken. Vor diesem Berg an Problemen verzerrt sich das eigentliche Problem ihrer Fehlentscheidung, einer anderen Frau bewusst nicht geholfen zu haben, und gerät in den Hintergrund.
Die Ermittler handeln nachvollziehbar und engagiert, wohingegen die Staatsanwältin, die eine Karriere in den Medien anstrebt, und der Verurteilung des Täters schadet, ein Erzählstrang ist, den der Thriller nicht gebraucht hätte - es war auch so schon problematisch genug! So wirkt die Auflösung und die persönliche Entwicklung von Faith am Ende etwas aufgesetzt und nicht ganz plausibel, in einem sonst spannenden und unterhaltsamen Thriller.
Jilliane Hoffman, Samariter. Argon 2015.
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