Das war der Hirbel ist Peter Härtlings Zeugnis von einem behinderten, elternlosen Kind, das mit seinen vielfältigen Defiziten in keiner Pflegefamilie dauerhaft aufgenommen wird, sondern durch viele Hände und Heime geht. Relativ sachlich schildert Härtling von Hirbels Schwierigkeiten: Durch Schwierigkeiten bei der Geburt leidet er unter schweren Kopfschmerzen, hat Lern- und Konzentrationsschwierigkeiten und auch andere körperliche Beschwerden. Manchmal hat er "Anfälle", bei denen er schwer zu bändigen ist. Seine Talente werden weniger stark wahrgenommen, er kann sehr schön singen, er hat Fantasie und ein gutes Gespür für Menschen - nämlich für die, die ihm Böses wollen. In kurzen Episoden berichtet Härtling von Hirbels Leben, seine Fluchtversuche, seine Ideen, den bösen, gewalttätigen Hausmeister auszuschalten und seine anrührende Idee, vom Doktor adoptiert zu werden, indem er sich schwerkrank stellt. Die zwei Erzieherinnen des Heims bringen Verständnis für Hirbel auf, können aber auch nicht verhindern, dass er schließlich wieder in ein anderes Pflegeheim verlegt wird. Hirbels Zukunft bleibt ungewiss.
Härtling verzichtet bestimmt bewusst auf ein glückliches Ende, macht er doch in seinem Nachwort klar, was die Schwierigkeiten im Umgang mit Kindern wie Hirbel sind und das einiges davon schwer aufzufangen ist von den Institutionen, die wir als Gesellschaft dafür bereithalten. Er plädiert kurz und ohne Sentimentalitäten an die Menschen - auch an die Kinder - freundlich und offen zu sein und zu helfen, wo wir können. Auch wenn die geschilderten Mechanismen in Hirbels Kinderheim heute anders ablaufen - so kann man nach nahezu 50 Jahren nach dem ersten Erscheinen des Buchs zumindest hoffen - so bleibt die Botschaft gegen Ausgrenzung und Distanz und für Menschlichkeit und Toleranz gültig. Hut ab für Härtling, der damit in den 70er Jahren sicher ein ungewöhnliches und unbequemes Thema aufgriff.
Peter Härtling, Das war der Hirbel. Gulliver/Beltz und Gelberg, Weinheim 2014.
No comments:
Post a Comment