Virginia Woolfs Die Fahrt zum Leuchtturm stammt aus dem Jahr 1927 und gilt als einer der bedeutendsten englischsprachigen Romane des 20. Jahrhunderts.
Im Zentrum der Geschichte steht die Familie Ramsay in ihrem Feriendomizil auf der Isle of Skye. Das Ehepaar Ramsay verbringt mit ihren acht Kindern den Sommer auf der Insel und beherbergt außerdem einige weitere Gäste aus ihrem Bekanntenkreis. Am Anfang steht eine Unterhaltung, bei der die Familie überlegt, einen Ausflug zum Leuchtturm zu unternehmen, der jedoch aufgrund des Wetters nicht stattfinden kann. Später findet ein großes Abendessen statt. Entscheidender als die Handlung sind allerdings allerdings die Gedanken und Gefühle der Personen, die als ein steter Stream of consciousness mit wechselnden Perspektiven den Roman prägen. In teils sehr poetisch-philophischen Passagen reflektieren die Protagonisten ihre Beziehungen zu den anderen Anwesenden und ihre Position im Leben. Dabei werden besonders die Eheleute Ramsay genauer beleuchtet, sowohl in der Innen- als auch in der Außenbetrachtung. Die Perspektivwechsel sind manchmal abrupt, ebenso wie das Ende des ersten Teils. Mit dem zeitlichen Abstand von mehreren Jahren befinden wir uns im zweiten Teil wieder im selben Haus, das allerdings verlassen ist. Erst im dritten Teil kehren die Gäste zurück, allerdings haben tragische Ereignisse zum Tod von Mrs. Ramsey und zweier Kinder geführt. Die Zurückgekehrten erinnern sich an sie, Mr. Ramsey holt nun mit zweien der intwischen erwachsenen Kinder die Fahrt zum Leuchtturm nach. Die Erzählung wechselt zwischen den drei Personen auf dem Boot und Lily Briscoe, die im Garten ein Gemälde vollenden will, das ihr damals nicht gelungen ist.
So beeindruckend Woolfs poetische Wortwahl und die Innenschau der Protagonisten ist, so ist der ständig wechselnde Gedankenstrom dennoch ermüdend. Die Abwesenheit einer Handlung machte es mir schwer, dem Roman über längere Strecken zu folgen.
Interessant finde ich, dass Die Fahrt zum Leuchtturm biografische Bezüge zu Woolfs Familiengeschichte hat, die über lange Jahre ein Ferienhaus in St. Ives in Cornwall mieteten, zu dem Woolf später in ihrem Leben zurückkehrte. Die zentrale Figur der Mrs. Ramsay diente ihr zur Verarbeitung der Beziehung ihrer Eltern und sie verwebt damit ihre Reflexion mit der Rolle der Frau in Gesellschaft und Familie. Sind Ehe und Kinder das einzig Erfüllende? Wie sehr ist die Frau verpflichtet oder sogar in der Schuld für das physische und psychische Wohl des Mannes zu sorgen? Wie weit geht der Egoismus des Mannes? Und wie funktioniert das Leben der Frau als Schaffende, als Künstlerin im Gegenentwurf dazu? Diese Fragestellung hätte für meinen Geschmack stärker hervortreten können, schwimmt aber durch die Erzählweise vielmehr nur mit im steten Strom der Gedanken.
Virginia Woolf, Die Fahrt zum Leuchtturm. Public Domain 2023.
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