Parallel werden in Rückblenden die Ereignisse geschildert, die zu Seans Flucht aus London geführt haben.
Das Ungewöhnliche an Der Hof ist, dass man zwar weiß, dass man einen Kriminalroman in der Hand hält, es riecht auch alles nach Verbechen und sogar nach Mord, aber es gibt zunächst keine Straftat. Erst nach und nach streut Beckett erste Hinweise ein, worum es vielleicht gehen soll - dafür ist der Täterkreis von Anfang an bekannt, da der Roman auch insgesamt mit nur diesen wenigen Charakteren auskommt. Diese bleiben lange mysteriös, da Beckett Sean als Ich-Erzähler wählt, der seine eigene Geschichte nur zögerlich nach und nach preisgibt, dafür aber in seinen Schilderungen des Hofes und seiner Bewohner eine Atmosphäre des Unbehagens und der Ungewissheit erzeugt - ganz klar, er muss auf der Hut sein, irgend etwas stimmt ganz und gar nicht. Dabei wirkt er fast zu keinem Zeitpunkt wie ein Ermittler, eine weitere ungewöhnliche Tatsache für einen Thriller. Und doch gelingt der Spannungsbogen in beiden Geschichten bis zum Schluss und wartet mit einem angemessenen Finale mit Überraschungsmoment auf.
So ist Der Hof sicherlich ein Thriller und er ist auch vom Verlag als solcher gekennzeichnet. Doch befindet sich Beckett mit seinen Charakterdarstellungen und dem unblutigen und nicht investigativen Stil eher auf literarischen Terrain, wozu auch sein Epilog passt, der die Geschehnisse abschließend in einen fast philosphischen Rahmen fasst. Sean besucht noch einmal den Hof, findet ihn verlassen und verändert vor und erzählt nebenbei, welche Konsequenzen die Straftaten für die einzelnen Familienmitglieder und ihn selbst hatten. Und er sinniert darüber, zu was Menschen in bestimmten Situationen fähig sind:
"Unter der Oberfläche sind wir alle Tiere. Das will die Gesellschaft, die Arnaud so verabscheut, gerne verbergen. Die Wahrheit ist aber, dass keiner von uns weiß, wozu er im Grunde in der Lage ist.
Wenn wir Glück haben, finden wir es nie heraus."
Insgesamt ist es ein hervorragend konzipierter Roman mit sehr düsteren, aber überzeugenden Charakteren, der auf ungewöhnliche Weise spannend ist, und durch Becketts intensiv-persönlichen Erzählstil fesselt.
Simon Beckett, Der Hof. Rowohlt, Reinbek 2014.
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