Ab und an erfreue ich mich durchaus an einem kitschig-romantischen Young Adult Roman und halte mich generell gern auf dem Laufenden, was denn die jugendliche Zielgruppe gern liest. Nach Twilight und Die Tribute von Panem ist die Zahl der dystopischen und fantastischen Trilogien und Serien auf erstaunliche Weise angestiegen. So schwimmt auch Kiera Cass auf dieser Erfolgswelle und konnte gerade die Filmrechte für Selection, den ersten Band einer fünfbändigen Reihe, verkaufen.
Selection spielt in Illiá, einem Land, das nach dem vierten Weltkrieg auf dem Gebiet der ehemaligen USA errichtet wurde. Man erfährt kaum etwas über die genaue Konstellation, aber es herrscht ein Monarch über ein Kastensystem (jeder Mensch hat eine Nummer, die seinen Stand in der Gesellschaft festlegt, ein Aufstieg ist möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich), in dem großer Prunk und große Armut einander gegenüberstehen. Außerdem scheint es noch Krieg mit einigen Nachbarn und auch Rebellen innerhalb des Landes zu geben.
Der Monarch hat einen Sohn, der soll heiraten. Anstatt wie bei Monarchen so üblich, eine politisch sinnvolle Partie zu suchen, gibt es --- Trommelwirbel --- eine Casting-Show! 35 Mädchen ziehen im Schloss ein (!), doch nur eine kann Prinzessin werden. Auf die Teilnahme an der Show bewerben sich Mädchen aller Kasten, die niederen natürlich auch des Geldes wegen, damit ihre Familien weniger schlimm hungern müssen.
America Singer ist eine der Bewerberinnen, eigentlich will sie nicht so recht, denn sie liebt einen anderen (Aspen), aber achje, der will sie doch nicht, weil er ja noch eine Kaste unter ihr ist und sie doch nicht versorgen kann. Schluchz. Natürlich ist sie schönste im ganzen Land und ach so bescheiden und ach so aufrichtig-frech auch noch und natürlich --- natürlich --- verliebt sich der Prinz gleich in sie. Sie will - huhuhuuu - erstmal nur "befreundet" sein, knutscht aber dann immerhin im letzten Drittel doch schon mit ihm herum, während der Prinz munter schon mal den großen Teil der 35 anderen Mädels wieder nach Hause schickt. Aber natürlich kann ein Panem-Imitat nicht ohne Dreiecksbeziehung, also taucht Aspen - inzwischen kurzerhand zum Soldaten der Palastwache befördert (Mensch, so ein Zufall!) - wieder auf, um die Sache ein bisschen komplizierter für die Protagnistin zu machen, die sich ja sonst einfach in den Prinzen hätte verlieben können und dann happy Ende. Weit gefehlt, es sind am Ende von Band 1 noch einige Mädels übrig, beide Jungs wollen America und sie weiß nicht, was sie tun soll. Dazwischen stelle man sich übrigens noch einige detaillierte Beschreibungen von Kleidern, Schmuck und Frisuren sowie Mädchengezicke der Bewerberinnen untereinander vor, bei denen sich America natürlich immer moralisch einwandfrei verhält.
So weit, so flach. Sprachlich ist Selection in der Übersetzung ausgesprochen mäßig, die Bilder abgedroschen und die Sprache hölzern. Das wird nicht besser durch die für die Lesung der Romane eigens gecastete Buchhändlerin Friederike Wolters, der man ihr Erstlingswerk leider etwas anhört. Vielleicht kann sie auch nichts dafür und es war nicht mehr rauszuholen, ich weiß das nicht so genau.
Selection spielt in einem fiktiven Staat, wie dieser zustande gekommen ist, was die genaue politische und wirtschaftliche Lage ist, dabei bleibt die Autorin ausgesprochen vage. Entsprechend wirken alle Anklänge an Gesellschaftskritik - Amerika, die dem Prinzen rührselig von den hungernden Kasten berichtet, dieser lässt wenige Stunden später dem Land verkünden, es gäbe in Kürze öffentliche Speisungen (klar, der wusste das vorher nur nicht, sonst hätte er ja sicher schon vorher was gemacht, nicht wahr?!? wie gut, dass America ihm das mal gesagt hat...) - komplett unrealistisch, eher schon surreal.
Die Protagonistin ist charakterlich völlig ungreifbar, ein Totalausfall. Einerseits soll sie die Kontrahentin sein, die nicht brav und oberflächlich ist, suhlt sich aber dennoch in Luxus und schönen Outfits, soll aber ein sehr verantwortungsvolles Mitglied ihrer Familie sein. Achso, sie ist übrigens Sängerin und Musikerin - und singt außer in einem der ersten Kapitel nie und hat scheinbar nicht einen einzigen Gedanken, ihr Gefühlsleben musikalisch auszudrücken, was natürlich wäre bei jemanden mit diesem Beruf. Wenn sie einen Patzer macht, gegen die Etikette verstößt oder sogar unverschämt dem Prinzen gegenüber wird, ist das natürlich total liebenswert und hat bei ihr keine Konsequenzen, andere Mädchen fahren deswegen nach Hause. Alles ist halbgar entwickelt, nicht weitergedacht und seicht. Die Gesellschaft, das Königshaus, das Casting... nichts passt logisch zueinander, ist aber äußerlich hübsch gemacht. Vor allem das rote Kleid steht ihr ausgesprochen gut.
Waren schon Bella und Katniss nur bedingt als Rolemodel brauchbar, so ist America eine absolute Niete. Zum Schwärmen, die Prinzessin soll den Prinzen kriegen, ist Selection vielleicht geeignet und damit kriegt man die Zielgruppe natürlich ins Boot. Und damit man auch weiß, wie es weitergeht, lesen diese natürlich auch die Folgebände, Konzept funktioniert. Qualität Fehlanzeige.
Kiera Cass, Selection. Goya Libre 2014.
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