Sehr blaue Augen (Original: The Bluest Eye) ist der Debütroman von Toni Morrison, nach Menschenkind ist dies der zweite Roman der Autorin, den ich lese.
Die Geschichte der kleinen Pecola Breedlove ist schrecklich mitzuerleben - wir sind Zeugen, was ihr äußerlich und innerlich zustößt, wie ihre Situation als junges schwarzes Mädchen in einer rassistischen Gesellschaft und in einer geschädigten, dysfunktionalen Familie unausweichlich katastrophal ist. Morrison wählt unterschiedliche Perspektiven, Augenzeugen, Rückblenden, Erinnerungen bis hin zum traumhaften, inneren Monolog, um Pecola von allen Seiten zu durchleuchten. Verstehen wir sie deswegen besser? Ich fürchte nein, aber Entsetzen packt uns, nicht nur Mitleid, sondern der starke Wunsch, etwas ändern zu wollen an den fatalen Zusammenhängen dieser Geschichte.
In ihrem Nachwort zweifelt Morrison selbst an, ob ihr Roman mit den gewählten Mitteln das erreichen kann, was sie selbst ausdrücken wollte (und es war sehr hilfreich beim Verständnis des Romans die Ideen der Autorin dargelegt zu bekommen), kommt aber auch zu dem Schluss, dass dies nicht unbedingt an ihrer eigenen Unzulänglichkeit zu Beginn ihrer schriftstellerischen Karriere lag, sondern der Thematik selbst geschuldet ist. Selbsthass ist etwas, dessen Ursprung schwer zu begreifen und noch schwerer darzustellen ist. Außerordentlich deutlich wird aber der Zusammenhang mit dem herrschenden Rassismus, unter dessen Einfluss Selbstliebe deutlich schwerer fällt.
Mich hat Sehr blaue Augen sehr beeindruckt, stilistisch und inhaltlich. Es ist kein leichter Roman, er ist im Gegenteil kantig, unbequem und teilweise brutal - darin liegt seine Stärke.
Toni Morrison, Sehr blaue Augen. Rororo, Reinbek 2019.
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