Saturday, June 27, 2020

Carys Davies - West

In einer Zeitung liest der Maultierzüchter Cy Bellman 1815 in Pennsylvania von einem außergewöhnlichen Fund: Weit im Westen sind riesige Knochen gefunden worden. Der Gedanke an unfassbar große, unentdeckte Tiere lässt Bellman nicht mehr los. Er will diese Tiere suchen gehen, lässt dafür seine Tochter Bess bei ihrer Tante zurück und reitet mit einem Zylinder und großer Sehnsucht los.
Parallel wird ab dann die Geschichte von Bellmans Entdeckungsreise und die seiner Tochter erzählt.
Bellman reist später mit einem indianischen Jungen, der seine Sprache nicht versteht, anfangs ist er noch getrieben von der Sehnsucht und dem Entdeckergeist, später kommen ihm Zweifel, ob er nicht besser zuhause in seinem bescheidenen Leben und bei seiner Tochter hätte bleiben sollen.
 “He began to feel that he might have broken his life on this journey, that he should have stayed at home with the small and the familiar instead of being out here with the large and the unknown.”
Währenddessen erlebt Bess mit der Tante und einem ihr nachstellenden Nachbarn wenig Gutes, sie hofft lange und vergebens auf die Rückkehr des Vaters.
Sprachlich und stilistisch ist West von Carys Davies durchaus beeindruckend. Interessant ist der Gegensatz der zwei Figuren Bellman und dem indianischen Jungen, deren unterschiedliche Denkstrukturen und Lebensgrundlagen deutlich zutage treten. Bess' Schicksal, die Halbwaise, die auch noch vom Vater zurückgelassen wird, ist anrührend und ihre Perspektivlosigkeit als junges Mädchen in dieser Zeit an diesem Ort bedrückend.
Trotz dieser Vorzüge konnte mich West von Carys Davies nicht sonderlich fesseln, die Charaktere wuchsen mir trotz ihrer guten Ausarbeitung nicht ans Herz. Vielleicht liegt es daran, dass es wenig Anlass zu Hoffnung oder Freude gibt in dieser Geschichte - der starke Entdeckerdrang und der Wunsch nach Neubeginn kippen um ins Bittere angesichts der Auswirkungen, die diese auf alle Beteiligten haben. Insgesamt aber ein lesenwertes Buch.


Carys Davies, West. Luchterhand, München 2019.

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