Wednesday, September 23, 2020

John Irving - Gottes Werk und Teufels Beitrag

Mehr als 28 Stunden Lebenszeit habe ich nun Johannes Steck gelauscht, wie er mir John Irvings epische Geschichte von Homer Wells und Dr. Wilbur Larch vorliest. Er tut dies hingebungsvoll und großartig und es hat mir Freude bereitet, ihm zuzuhören.
Was ist nun aber zu dem Roman zu sagen?

Gottes Werk und Teufels Beitrag bietet alles, was man von Irving erwartet: Leicht schräge und dadurch interessante Charaktere, die in ungewöhnlichen Lebenssituationen stecken, schwierige Beziehungskonstellationen mit Konfliktpotenzial, wobei es dabei nicht nur um Liebesbeziehungen, sondern auch um Freundschaft und vor allem auch um Elternschaft geht.
Hier ist es Homers lang andauernde Coming-of-Age-Story. Durch verschiedene Zufälle wird er trotz mehrerer Versuche nicht adoptiert und verbleibt im Waisenhaus St Cloud's von Dr. Larch, der dort nicht nur die Frauen entbindet, sondern auch illegale Abtreibungen vornimmt, in der Überzeugung, dass die Frauen das Recht auf diese Entscheidung haben und dabei nichts bei dubiosen Praktiken riskieren sollten. Homer macht sich nützlich und lernt von Dr. Larch alles, was dieser über sein medizinisches Fachgebiet weiß. Doch sein Nachfolger kann und will er nicht werden, statt dessen beginnt er ein neues Leben auf einer Apfelfarm, wohin ihn die zufällige Bekanntschaft mit einer Patientin führt. Erst viel später in seinem Leben führt ihn der Weg dann doch zurück nach St Cloud's...
Natürlich habe einige der Erzählstränge der Nebencharaktere Längen, bei über 800 Seiten ist das nicht anders zu erwarten. Manche Figuren bedeuten einem mehr, andere weniger. Vielleicht hätten auch einige der Beziehungen noch mehr Tiefe vertragen, zum Beispiel ist die Dreierpersonenkonstellation von Homer mit Candy und Wally nicht so konfliktgeladen, wie man es erwarten würde, alle verhalten sich recht brav und angepasst. Auch Dr. Larches Ehrgeiz, Homer in die Rolle seines Nachfolgers zu pressen, ist zwar auf seiner Seite extrem, prallt aber an Homer und seiner beschaulichen Apfelexistenz komplett ab. Die übersprungenen 15 Jahre muten ebenfalls  seltsam an, waren aber wohl nötig, um die Geschichte zu ihrem voraussehbaren Ende zu führen. Insgesamt ist es ein wunderbarer Roman und Irving - wenn man sich auf seine Erzählweise und seine Figuren einlassen mag - ein besonderer Schriftsteller.

John Irving, Gottes Werk und Teufels Beitrag. Random House Audio 2015.

Thursday, September 17, 2020

Jodi Picoult - Beim Leben meiner Schwester

Als Anna geboren wird, ist Kate bereits schwerkrank. Anna wird geboren, weil Kate schwerkrank ist. Die Familie Fitzgerald wird erschüttert von der schweren Leukämie der Tochter, doch kann sie durch die Blut- und Knochenspenden der Schwester weiterleben. Anna liebt ihre Schwester, aber als sie 13 Jahre alt ist und es um die Spende einer Niere geht, wehrt sie sich und wendet sich an einen Anwalt, um ihr Recht auf medizinische Selbstbestimmung zu erstreiten. Diese Entscheidung stellt das fragile Familienkonstrukt auf den Kopf und alle Beteiligten müssen sich neu positionieren.
Entsprechend lässt Jodi Picoult in wechselnden Erzählperspektiven die Familienmitglieder berichten, aus der Vergangenheit und der Gegenwart. Hinzu kommen die Stimmen des Anwalts und von Julia, die vom Gericht bestellt wird, um die Familiensituation zu evaluieren.
Gut gelöst hat die Autorin, dass es keine richtige Antwort auf die Frage gibt, wie sich Anna entscheiden soll. Sie beleuchtet die schwankende emotionale Haltung, reißt auch an, dass eine 13jährige nicht alle Aspekte ihres Handelns überblicken kann, aber dennoch nicht ignoriert werden darf in ihren Wünschen.
Obwohl das Buch durchaus eine gewisse Faszination und einen Lesesog auslöste, habe ich auch Schwierigkeiten damit. Allem voran natürlich das Ende, mit dem es sich die Autorin m.E. zu leicht macht, weil es sie einer Entscheidung enthebt - schwach. Desweiteren sollen die verschiedenen Charaktere verschiedene Perspektiven auf das Problem eröffnen, bleiben dabei aber klischeehaft und hölzern. Hier fällt besonders der Bruder mit seinem selbstzerstörerischen Verhalten, der dennoch weiter ignoriert wird, auf. Die Liebesgeschichte von Anwalt Campbell und Julia ist unglaubhaft und trägt nichts zur Geschichte bei, noch nicht einmal im weitesten Sinne hinsichtlich Selbstbestimmung. Kate, in all ihrer Krankheit, bringt ebenfalls kaum charakterliche Stärke mit, was angesichts des Kampfes, den sie austrägt, ebenfalls unwahrscheinlich wirkt. Wieso tritt sie nicht stärker hervor mit ihren Wünschen? Entsprechend werden Gespräche zwischen den Schwestern seltsam ausgeklammert, obwohl in ihrer Beziehung doch der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte liegt.
Einige dieser Punkte scheinen, so liest man bei Wikipedia, in der Verfilmung abgeändert worden zu sein, vielleicht sollte ich diesen zum Vergleich bei Gelegenheit auch anschauen. Der Roman lässt einen trotz emotionaler Angegriffenheit etwas unbefriedigt zurück.

Jodi Picoult, Beim Leben meiner Schwester. Piper, München 2006.


Saturday, September 12, 2020

Cornel Wachter (Hg.) - Ich fand Kunst doof und gemein

Mein erstes Kunsterlebnis hieß 2008 eine Ausstellung des Kölner Wallraf-Richartz-Museums. Es ging um eine Installation, die Besucher zu einem Teil von Kunstwerken werden ließ, anstatt sie nur Besucher und Voyeure sein zu lassen. Zentrale Elemente waren dabei eine Drehtür in der Installation und ein Gästebuch auf einem daneben stehenden Schreibtisch.
Aus dieser Ausstellung heraus befragte Cornel Wachter, der Herausgeber des Buches "Ich fand Kunst doof und gemein" - Mein erstes Kunsterlebnis, viele Künstler aus verschiedenen Bereichen, aber auch andere Prominente, deren Metier nicht in erster Linie der Kunstbetrieb ist, zu diesem Thema.
Diese beantworten die Frage zum Teil sehr konkret mit einer Erinnerung an eine frühe Begegnung mit Kunst. Andere berichten von Projekten, die ihnen am Herzen liegen, ersten Ausstellungen und anderen Dingen.
Prinzipiell ist dies eine interessante Idee. Aber.
Ich würde mich selbst durchaus als kunstinteressiert bezeichnen und beim Lesen des Bandes gibt es einige Anekdoten und Erinnerungen, die vielleicht den eigenen Horizont erweitern und andere Blickwinkel auf Kunst ermöglichen. Leider sind viele der Äußerungen aber schlichtweg nicht sonderlich interessant und ein Großteil der befragten Personen stammt aus einem Kunstbetrieb, in dem ich nicht zuhause bin, so dass mir die Namen nichts sagen und ich keine Bezüge zu deren Schaffen (als Künstler, Kurator, Schriftsteller, ...) herstellen kann. So muss ich zugeben, dass ich viele der Seiten nur angelesen bzw. überblättert habe und meine Rezension also oberflächlich bleiben muss.
Es ist ein hübsch gestaltetes Hardcover-Bändchen, in das sicher viel Inspiration und Aufwand hineingesteckt wurde, das mir aber wenig gefallen hat.

Cornel Wachter (Hg.), "Ich fand Kunst doof und gemein" - Mein erstes Kunsterlebnis. E.A. Seemann. Leipzig 2012.

Tuesday, September 08, 2020

Jan Costin Wagner - Sommer bei Nacht

Jan Costin Wagner verlässt mit Sommer bei Nacht das finnische Setting seiner Kimmo-Joenta-Reihe und wechselt nach Wiesbaden. Der kleine Jannis wird auf einem Schulflohmarkt entführt, als Mutter und Schwester kurz nicht auf ihn achten. Ben Neven und Christian Sandner ermitteln, haben aber nur wenige Spuren, denen sie folgen können. Erst durch die Medienberichterstattung treffen weitere Hinweise ein, doch letztlich ist es ein Zufall, der schließlich den Durchbruch bringt.
Sommer bei Nacht hat zahlreiche Erzählperspektiven, kurze Kapitel sind jeweils mit dem Namen des Erzählenden getitelt. Beim Hörbuch erschwerte dies bei nur einem Vorlesenden, Torben Kessler, manchmal das Verständnis, wenn man den Perpektivwechsel nicht immer sofort erfasste. Zudem waren die sprachlichen Kontraste des Gedankenflusses der einzelnen Perpektiven nicht sonderlich groß, was zum Teil verwirrend war. Dahinter steckt aber vermutlich das Konzept, dass alle Beteiligten sich in ähnlich schwierigen persönlichen Situationen befinden und zwar mit unterschiedlichen Dämonen kämpfen, aber alle ihre Abgründe in sich tragen. Oft findet die Handlung parallel zu einem intensiven inneren Erleben der Charaktere statt, nicht immer sind Handlung und Gefühl dabei in einem direkten Zusammenhang, vielmehr beeinflussen Stimmungen die Wahrnehmung oder trüben sogar die Sicht. Literarisch ist dies durchaus interessant, für mehr Stringenz des Plots hätte ich mir aber einige Perspektiven und Nebenhandlungen weniger gewünscht. So lernen wir die Charaktere intensiv und mit ihren Schwächen (von denen einige schwer auszuhalten sind) kennen, der tatsächliche Fall gerät dabei trotz seiner Grausamkeit in den Hintergrund und wird "nebenbei" und nur durch Zufall aufgelöst.
Am Ende bleiben einige schwerwiegende Fragen offen, am problematischsten dabei die Fragen einer Haltung zur Pädophilie und zur Selbstjustiz. Was bleibt, ist die Faszination mit Jan Costin Wagner ungewöhnlichem Erzählstil und seinen zerrissenen Charakteren. 

Jan Costin Wagner, Sommer bei Nacht, Argon 2020.

Tuesday, September 01, 2020

SuBAP-Challenge: Stand August 2020

Die Monatsaufgabe des Monats August bestand darin einen "neuen Autor" zu lesen. Das Monatsthema war #Atomkraft, zu dem ich zwar mit Baba Dunjas letzte Liebe ein sehr interessantes Buch gelesen habe, das aber vorher nicht auf meinem SuB lag, so dass es für die Challenge nicht relevant war. 
Insgesamt habe ich im August leider deutlich weniger gelesen und komme für die SuBAP-Challenge daher nur auf mickrige 13 Punkte. 

Buch 1: Sylvie Schenk - Schnell, dein Leben
- auf dem SuB seit 2019: 1 Punkt

- erfüllt die Monatsaufgabe: 2 Punkte
Buch 2: Jonathan Stroud - Die Spur ins Schattenland
- auf dem SuB seit vor 2019: 2 Punkte
Buch 3: Nina Sahm - Die Tage mit Bumerang
- auf dem SuB seit 2019: 1 Punkt
- erfüllt die Monatsaufgabe: 2 Punkte
Buch 4:  Ellen Barksdale -  Tee? Kaffee? Mord! - Der doppelte Monet
- auf dem SuB seit 2019: 1 Punkt
- erfüllt die Monatsaufgabe: 2 Punkte
Buch 5: Jo Platt - Die Bücherfreundinnen
- erfüllt die Monatsaufgabe: 2 Punkte 

Gesamt: 13 Punkte