Auf der einen Seite Familiendrama auf allen Ebenen: Die verlassene Ehefrau (Jess), der gruftige Stiefsohn (Nicky), die mathegeniale Tochter (Tanzie), die beide gemobbt werden, und bei alledem auch noch Geldsorgen ohne Ende.
Auf der anderen Seite der stinkreiche, aber menschlich scheinbar ignorante Softwareentwickler (Ed).
Was folgt ist eine Art bizarres Roadmovie, als diese vier - plus Hund (Norman) - sich auf den Weg nach Schottland machen, damit Tanzie an einer Matheolympiade teilnehmen kann, dessen Preisgeld ihr den Besuch einer Privatschule ermöglichen könnte.
Natürlich ist das anzustrebende Happy End bereits nach den ersten Kapiteln offensichtlich. Der Plot birgt dennoch ein paar Überraschungen, vor allem durchlaufen auch die Charaktere eine Entwicklung, die nicht in allen Punkten vorhersehbar ist (mit Ausnahme von Ed natürlich, dessen Wandlung von Beginn an absehbar ist). Die Erzählperspektive wechselt zwischen den einzelnen Charakteren, teilweise auch in sehr kurzen Kapiteln, wodurch einzelne Szenen und Geschehnisse von mehreren Seiten beleuchtet werden, was nicht nur Tiefe, sondern auch durchaus humorvolle Momente mit sich bringt. Hier liegen eindeutig die Stärken des Romans, thematisch bleibt es mit seinem Arm-Reich-Kontrast allerding hinter der Selbsttötungsproblematik von Ein ganzes halbes Jahr zurück.
Insgesamt ist Weit weg und ganz nah aber sehr unterhaltsam, lediglich die Auflösung und das "Alles wendet sich zum Guten" war sehr vorhersehbar. Aber ich bin bereit, dem Roman und der Autorin das nachzusehen, weil das rosarote Happy End nun einmal zu diesem Genre dazugehört, auch wenn ich persönlich das schwer zu ertragen finde. Aber es wäre doch schön, wenn das Leben manchmal so wäre...
Mir ist jetzt allerdings mal wieder nach einem richtig schön düsteren skandinavischem Thriller!
Jojo Moyes, Weit weg und ganz nah. Argon 2014.