Wednesday, July 22, 2015

Graeme Simsion - Das Rosie-Projekt


In Das Rosie-Projekt erzählt Graeme Simsion die Geschichte des vom Asperger-Syndrom betroffenen Don Tillmann. Aus der Ich-Perspektive erfahren wir viel über seinen Alltag mit all seinen streng abgezirkelten Routinen, den wenigen Sozialkontakten und seiner rational-geprägten Wahrnehmung der Welt, die Emotionen weitgehend unbeachtet lässt, weil er sie nicht gut wahrnehmen kann. Dennoch würde Don gern heiraten und da er daran gewöhnt ist, rationale Lösungen zu suchen, verfolgt er verschiedene skurril anmutende Ansätze, eine passende Kandidatin zu finden, die allesamt scheitern. Die chaotische Rosie scheidet anhand der von ihm aufgestellten Kriterien als Partnerin sofort aus und er ist selbst verwundert, dass er dennoch immer wieder (gern) Zeit mit ihr verbringt, obwohl sie seinen wohlstrukturierten Alltag völlig über den Haufen wirft. Den Rest der Handlung kann man sich denken.

Das Buch ist ein Bestseller in zahlreichen Ländern und ist eine heitere und unterhaltende Lektüre, gut lesbare Belletristik mit einer ungewöhnlichen Liebesgeschichte (wobei diese in gewisser Weise in Mode und dadurch auch schon wieder nicht mehr so ungewöhnlich sind...). Diese Art Roman fällt gewöhnlich nicht in mein "Beuteschema", aber ich habe mich durchaus amüsiert und die 350 Seiten zügig inhaliert.
Hier kommt das "Aber": Das Asperger-Syndrom und andere vergleichbare Störungen, die dazu führen, dass Menschen in ihrem Verhalten nicht der gesellschaftlichen Norm entsprechen, wirken auch in der Realität oft seltsam, teilweise witzig, nerdy. Man lächelt, man lacht, während die Betroffenen nicht freiwillig zum Objekt dieser Belustigung werden. Tatsächlich beschreibt Don Tillmann an einer Stelle sogar, wie er zum "Klassenclown" wurde, weil man sein Verhalten lustig fand, obwohl er eigentlich Kritik hatte üben wollen - es war dann für ihn aber einfacher, die lustige Rolle zu übernehmen. Wir kennen dieses Phänomen aus vielen Filmen und Büchern, sie unterhalten uns und informieren uns bestenfalls nebenbei über Handicaps und psychische Erkrankungen.
Akurate Darstellungen sind dies aber selten und deswegen ist es fraglich, ob diese Bücher und Filme dazu führen, dass wir sensibler mit den Betroffenen umgehen. Vermutlich werden wir doch weiterhin darüber lächeln, oder? Führt dies zu mehr Verständnis oder zu einer Verbesserung für die Menschen selbst? Natürlich ist dies ein Anspruch, den humorvolle Belletristik nicht erfüllen kann und will. Dennoch bleibt da das Gefühl einer verpassten Chance für die Menschen mit Asperger-Syndrom, die sicher nicht nur belächelt, sondern ernst genommen werden wollen. 

Graeme Simsion, Das Rosie-Projekt. Fischer, Berlin 2013.

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