Friday, October 18, 2019

John Williams - Stoner


John Williams' Roman Stoner (erstmals 1965) wurde vor einigen Jahren wiederentdeckt und geriet dadurch auch außerhalb der USA in den Fokus.
William Stoner (- seltsam, dass auch dieser Protagonist Anklänge an den Nachnamen des Autoren hat, wie auch der Protagonist aus Butcher's Crossing) wächst auf einer Farm in Missouri auf, wo seine Eltern ein sehr entbehrungsreiches und schlichtes Leben führen. Sein Schicksal wendet sich, als sie ihn zum Landwirtschaftsstudium nach Columbia schicken. Dort packt ihn die Liebe zur Literatur, die zuvor unentdeckt in ihm steckte. Er entscheidet sich für ein Literaturstudium und lässt damit das Farmleben und seine Eltern hinter sich.
Es folgt der Abschluss des Studiums und ihm wird ein Dozentenjob an der Universität angeboten. Stoner bleibt, heiratet, bekommt eine Tochter, hat eine Geliebte, gerät in Auseinandersetzungen mit einem Kollegen und Vorgesetzten und stirbt schließlich an Krebs im Moment seiner Emeritierung.
Dies klingt nicht nach einer sonderlich spannenden Geschichte - und das ist es auch nicht. Seltsam distanziert betrachtet man als Leser dieses Leben eines Mannes, der eine überraschende, natürliche Liebe zur Literatur und dem Universitätsbetrieb in sich trägt, aber davon abgesehen nicht recht weiß, wie er sein Leben in die Hand nehmen soll. Sein Werben um eine Frau, die er nicht kennt und die ihn nicht lieben kann, endet in einer desaströsen Ehe, die auch das Leben seines Kindes zerstört. Die einzig große Liebe zu einer Frau endet in großem Leiden, aber unaufgeregt und undramatisch. Im Grunde gibt es in seinem Leben nur sehr wenige lichte, leichte oder glückliche Momente, er erduldet sein Leben ohne wirklich viel Einfluss darauf zu nehmen oder nehmen zu können. Nur selten ergreift er das Wort oder wird aktiv, um sich durchzusetzen und sein Leben zu beeinflussen.
Die einzige positive Konstante seines Lebens ist seine Leidenschaft für Literatur und noch vielmehr für die Lehre, den Seminaren und den Studenten widmet er den Großteil seiner Lebenszeit.
Die Grundstimmung des Romans ist tatsächlich etwas bedrückend - wie leben wir unser Leben? Nehmen wir es in die Hand? Erdulden wir es? Was hat wirkliche Bedeutung, wofür sind wir bereit zu kämpfen? Stoner trifft seine Entscheidungen nach seinem Ermessen, seinem eigenen Kompass, ist dabei zutiefst menschlich und nimmt sein Leben an, wie er es zu leben im Stande ist - und damit beeindruckt dieser Protagonist nachhaltiger als manch andere Romanfigur.

John Williams, Stoner. dtv, München 2013. 

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