Nora Krug ist eine deutsch-amerikanischer Autorin und Illustratorin, die in New York lebt. In Heimat: Ein deutsches Familienalbum begibt sie sich auf die Spuren ihrer deutschen Familie. Sie ist dabei nicht nur neugierig, sondern auch bedrückt und ängstlich, was sie dabei über die politische Gesinnung ihrer Vorfahren zur Zeit des Nationalsozialismus herausfinden wird. Sie trifft bei ihren umfangreichen Recherchen auch auf Mauern, die typischerweise von vielen Familien in Deutschland errichtet wurden, um sich nicht allzu intensiv mit der eigenen Schuld auseinandersetzen zu müssen.
Ihr Erkenntnisse und Fundstücke - "deutsche" Flohmarktfunde, Familienfotos, Briefe und offizielle Dokumente aus Archiven - ordnet sie in einmaliger Art und Weise an - sie kombiniert die Dokumente mit Illustrationen, Comicstrips, sachlichen Zusammenfassungen und persönlichen Texten. Es entsteht dabei eine Textform, die sehr das Lesen einerseits schwieriger, andererseits aber auch zu einer Entdeckungsreise werden lässt, ähnlich der, auf die sie sich selbst begeben hat.
Persönlich fand ich ihre letztendliche Erkenntnis - nämlich dass sie nie sicher wissen wird, was im Kopf ihrer Vorfahren wirklich vorgegangen ist, welche grundliegenden Einstellungen beispielsweise ihr Großvater hatte - nicht überraschend. Vielleicht ist es etwas, mit dem man sich als seit Generationen in Deutschland Lebende/r sowieso abfinden muss: Familien haben automatisch eine nationalsozialistische Vergangenheit. Nur wenige waren gegen das System, die meisten haben zugelassen, was geschehen ist. Je nachdem, in welche Generation man geboren wurde, hat man entweder noch die Prozesse um die Täter miterlebt, die Phase der Verleugnung durchlebt oder hat schulisch eine intensiv aufklärerische Zeit erfahren. Inzwischen scheint eine Generation der ahnungslos Ignorierenden heranzuwachsen, was sich an aufbrechendem Antisemitismus und dem Zuwachs rechter Extermisten leicht ablesen lässt. Die eigene Positionierung erfolgt familien- und generationenspezifisch - eine intensive Suche, wie sie Nora Krug aus ihrer US-amerikanischen Perspektive betreibt, erübrigt sich daher oft. Was nicht bedeuten soll, dass sie nicht auch uns neue, klarere Sichtweise auf die Geschichte - vor allem die eigene - bringen könnte. Auch vor diesem Hintergrund ist Nora Krugs Buch eine beachtenswerte Lektüre.
Nora Krug, Heimat: Ein deutsches Familienalbum. Penguin 2018.
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