Während Gereon in den vorangegangenen Bänden der Nazifizierung Deutschlands eher abwartend-beobachtend gegenüber stand und deswegen mit Charly in Auseinandersetzungen geriet, stößt ihn die Mentalität, der Rassenwahn und das militärische Gehabe immer stärker ab. Kuscher schildert, wie Rath beim Aufmarsch der HJ in Nürnberg von der Massenhysterie um den Führer mitgerissen wird, aber ihm dann körperlich übel wird aufgrund seiner eigenen Reaktionen. Er distanziert sich innerlich und wird äußerlich vom System immer mehr bedroht. Er wird verdächtigt, die Akten an sich genommen zu haben, er wird verhört und verfolgt, seine Wohnung wird durchsucht und abgehört. Seine Taktik, sich herauszuhalten, scheitert - sowohl an seinem Gewissen als auch an dem immer restriktiver werdenden System. Während Marlows Geschichte zu einem Endpunkt kommt, steht Gereon Rath vor einer ungewissen und stark veränderten Zukunft.
Weiterhin gelingt es Kutscher, die Veränderungen im Deutschland der 30er Jahre sehr atmosphärisch darzustellen. Seine Charaktere bleiben authentisch, sie sind verwirrt, zerrissen und zunehmend alternativlos. Der NS-Apparat ergreift Besitz von Deutschland, die Mechanismen des Systems mit Abschreckung und Bedrohung und das Versprechen von Wohlstand, gesellschaftlichem Aufstieg und Gemeinschaft funktionieren auf erschreckende Weise. Der Fall als solcher hat mich hingegen nicht so sehr fasziniert, er blieb durch die historische Figur Görings eher abstrakt als plausibel. Insgesamt bleibt Volker Kutschers Reihe auf hohem Niveau.
Volker Kutscher, Marlow. Hörbuch Hamburg 2018.
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