Friday, April 28, 2017

Hummingen sunset

Martin Walker - Bruno Chef de police


Natürlich kannte Bruno Courrèges - Polizist, Gourmet und Sporttrainer (Rugby und Tennis) - das Mordopfer: Hamid al-Bakr lebte seit einiger Zeit in Saint-Denis (fiktive Version des realen Ortes Le Bugue) bei seiner Familie. Ursprünglich aus Algerien eingewandert, kämpfte Hamid in mehreren Kriegen und bekam dafür das Croix de Guerre. Das jedoch hat der Mörder Hamids zusammen mit einem alten Foto, auf dem Hamid mit seiner Fußballmannschaft 1940 zu sehen ist, gestohlen. Der Mord selbst ist brutal und ein Hakenkreuz, das in Hamids Brust geschnitten wurde, deutet auf einen rassistischen Hintergrund hin. 
 
Einen Mord darf Bruno als "Dorfpolizist" nicht allein bearbeiten, also kommen Ermittler der nationalen Polizeibehörden in den kleinen Ort, aber Brunos Ortskenntnisse und persönlichen Verbindungen sind unerlässlich für die Aufklärung. Denn er hat so eine Ahnung, dass die Motive für den Mord in Hamids ferner Vergangenheit liegen... 

Im Grunde ist die Krimihandlung in Bruno Chef de police nicht das zentrale Thema. Es geht in diesem ersten Band von Martin Walkers Serie vielmehr um Bruno und seine kleine Stadt. Detailreich werden die Bewohner, allesamt Brunos Freunde, die Umgebung und das Essen geschildert. Man sieht Saint-Denis durch die liebevollen Augen Brunos und lernt dadurch nach und nach auch ihn immer besser kennen. Seine vorsichtige Annäherung an die Frauen, die ihn interessieren, seine geschickte und intelligente Art, die Entscheidungsträger zu beeinflussen und zu lenken und dabei stets das Beste für seine Mitbürger im Sinn zu haben, macht ihn zu einem echten Sympathieträger. Fast ist er ein bisschen zu gut, so moralisch integer und bescheiden, wie er ist. Generell ist Bruno keiner für die, die einen harten, spannenden Thriller suchen, sondern eher einer fürs Beschauliche, fürs Genießen, fürs langsame Einatmen der Atmosphäre und eine sehr menschliche Aufklärung des Verbrechens.

Martin Walker, Bruno Chef de police. Diogenes, Zürich 2016.

Thursday, April 20, 2017

Nicholas Shakespeare - Broken Hill

Nicholas Shakespeare (*1957) ist ein hochgelobter britischer Schriftsteller. Broken Hill (im Original Oddfellows, 2015) erzählt die historischen Ereignisse des kleinen, abgelegenen Ortes Broken Hill in Australien. Der Erzbergbau dort ist mit dem Ausbruch des Krieges 1914 ins Stocken geraten, viele junge Männer sind arbeitslos. Am Neujahrstag 1915 überfallen zwei muslimische-türkische Männer einen Ausflugszug, in dem die weißen Bewohner von Broken Hill sitzen.
Der kurze Roman hat zwei große Themen.
Das eine ist die Diskriminierung der muslimischen Einwohner der Stadt, die ghettoartig außerhalb wohnen müssen, in der Ausübung ihrer Religion behindert werden und beschimpft werden. Diese Nichtakzeptanz und Respektlosigkeit führt dazu, dass zwei Männer in Wut und Verzweiflung beschließen, dem Aufruf des türkischen Sultans zu folgen und den heiligen Kampf aufzunehmen.
Dem gegenüber steht das etwas leisere Thema der Perspektivlosigkeit und Unterdrückung der Frauen in dieser Zeit, das am Beispiel von Rosalind aufgezeigt wird. Sie ist weiß, jung und ledig und erwartet den Heiratsantrag eines jungen Mannes, Oliver, für den sie aber nichts empfindet bzw. von dem sie weiß, dass er sie unterdrücken, sie nie nach ihrer Meinung fragen wird. Sie dagegen hat Träume fortzukommen, andere Dinge zu sehen als das trostlose Leben in Broken Hill, sie findet die andersartigen Kameltreiber interessant, denn sie haben Teile der Welt gesehen. Ihr Kontakt zu diesen Menschen erweitert ihren Horizont, besonders Gül, der als Eisverkäufer arbeitet, zieht sie an. Natürlich ist diese Beziehung für sie gesellschaftlich nicht tragbar und sie muss sie verstecken. Dennoch zeigt ihr der zaghafte Kontakt, dass es andere Möglichkeiten gibt.
Die Tragik der Geschichte gipfelt darin, dass Rosalind durch eine von Güls Kugeln stirbt, kurz nachdem sie sich entschieden hat, Oliver nicht zu heiraten.
Broken Hill ist ein interessanter historischer Nebenschauplatz und enthält provokante Themen, die an diesem weltpolitisch kleinen und bizarren Ereignis aufgehängt werden. Ein durchaus relevantes Buch im Hinblick auf die aktuelle Diskussion um Integration, Diskriminierung und Dschihad. 

Nicholas Shakespeare, Broken Hill. Hoffmann und Campe, Hamburg 2016.

Rezensionen bei welt.de und bei tagesspiegel.de
official website 

Wednesday, April 19, 2017

GEO Wissen: Glück - Wie das Leben gelingt

Herausgegeben hat diesen Band mit Essays, Reportagen und Interviews Michael Schaper und es ist eine Zusammenstellung aus GEO Wissen.
Beleuchtet wird das Thema Glück von unterschiedlichen Seiten, aus wissenschaftlicher, historischer und philosophischer Sicht.
Die Artikel sind, wie immer bei einer solchen Zusammenstellung, unterschiedlich spannend, aber bündelt ganz gut den derzeitigen Stand der Erkenntnis, vor allem auch dass der Anspruch, glücklich zu sein bzw. das Streben nach dauerhaftem Glück vermutlich vergebens ist.
Bilanz: Es gibt keine Pauschalrezepte, es gibt Veranlagungen/Charaktere, die Glück begünstigen, aber es ist nicht unlernbar,... wichtige Schlagworte sind Selbstwertgefühl und Resilienz.  
 
Michael Schaper (Hrsg.), GEO Wissen: Glück - Wie das Leben gelingt. Gruner und Jahr, Hamburg 2014.

Monday, April 17, 2017

Robin Sloan - Die unglaubliche Entdeckung des Mr. Penumbra

Penumbras Buchladen in San Francisco war Schauplatz von Robin Sloans erstem Buch. Er versetzt uns in diesem kurzen Roman zurück ins Jahr 1969, als Penumbra noch Student war (Originaltitel Ajax Penumbra 1969). Er wird von seinem Professor einer dubiosen Unterabteilung des Fachbereichs Englische Literatur damit beauftragt, ein bestimmtes Buch zu finden. Die Spur führt nach San Francisco in eben jenen Buchladen, den Penumbra später selbst leiten wird. Es stellt sich heraus, dass die Buchhandlung zunächst auf einem Schiff eröffnet wurde (der Hafen San Franciscos war scheinbar voller herrenloser Schiffe während des Goldrauschs, im Detail hier nachzulesen), das dann aber mitsamt des gesuchten Buches versenkt wurde. Zum Glück wird gerade die U-Bahn gebaut und die Röhre führt direkt an diesem Schiff vorbei... Trotz seines Rechercheerfolgs will Penumbra am Ende nicht mehr zurück an die Uni, vielmehr interessiert er sich nun für die Buchhandlung und wird Mitarbeiter und Mitglied des geheimnisvollen Buchclubs.
Der Plot war zwar recht vorhersehbar, der geschichtliche Teil mit den versenkten Schiffen aber interessant, die Charaktere ebenfalls (so in der Kürze möglich) und die Atmosphäre nett, so dass man einen Abstecher in diese Buchhandlung zur Zeit des FlowerPower machen wollte. Außerdem ist es ein Buch über Bücher, das ist immer ein Plus!


Robin Sloan, Die unglaubliche Entdeckung des Mr. Penumbra. Karl Blessing, München 2014.

Sunday, April 16, 2017

Dora Heldt - Tante Inge haut ab

Dora Heldts Roman Tante Inge haut ab steht auf der Liste der Bücherkulturchallenge. Sonst hätte ich mich vermutlich an das mir selbst gegebene Versprechen, nach Kein Wort zu Papa kein weiteres Buch mehr von der Autorin zu lesen, gehalten.
Zu meinem damaligen Urteil über die Protagonistin Christine kann ich weiterhin stehen: Sie begreift eher sehr langsam, was man ihrer Tante bzw. was auch mit ihr selbst los ist, und muss sich dies erst von ihrem großartigen Partner Johann (der etwas arg überzogen toll ist) erklären und danach in die richtige Richtung schubsen lassen.
Tante Inge ist schon etwas stärker gezeichnet, aber ihre gekünstelte Geheimhaltung (ähnlich wie in Kein Wort zu Papa) erzeugt das bisschen Plotspannung, das der Roman enthält, und das dann ewas ab der Hälfte des Buches lächerlich und überflüssig wirkt.
Die Komik/Schrulligkeit der übrigen Charaktere ist ebenfalls etwas überzogen, das Syltsetting dagegen ganz positiv.
Die inhaltlich interessanten Aspekte wie Inges Idee vom Mehrgenerationenhaus oder die Problematik eines souverän geführten Lebens im Alter werden leider nicht weiter ausgebaut. Christines Probleme wirken dagegen aber lächerlich.
Insgesamt also seichte (Urlaubs-) Unterhaltungslektüre ohne Tiefgang und weitere Bedeutung... hätte aber schlimmer sein können (siehe Kein Wort zu Papa, ohne mich wiederholen zu wollen...).

Dora Heldt, Tante Inge haut ab. dtv, München 2010.

Thursday, April 13, 2017

Patrick Süskind - Der Kontrabass

Der Kontrabaß (Diogenes besteht scheinbar auf die Schreibung in alter Rechtschreibung...) von Patrick Süskind ist ein Ein-Personen-Stück von 1980, das 1981 in München uraufgeführt wurde. Als Buch erschien es 1984, die e-book Ausgabe erschien erst 2014 (!).

Es handelt sich um den Monolog eines Kontrabassisten, der sich an einen unbekannten Zuhörer wendet. Dabei spricht er alle erdenklich Themen an:
  • die Geschichte des Kontrabasses als historischer Exkurs
  • die sträfliche Vernachlässigung des Instruments in der Musikliteratur (kein Komponist interessierte sich sonderlich dafür)
  • die Unerlässlichkeit des Basses als Basis der Orchestermusik durch seine tiefe Lage
  • die Beziehung des Musikers zu seinem Instrument - dabei kommt der psychoanalytische Moment zum Tragen, dass sich nur Gestörte ein derart unpraktisches Instrument aussuchen
  • beziehungstechnisch ein Klotz am Bein, der Bass ist immer im Weg, der Protagonist fühlt sich regelrecht vefolgt und beobachtet 
  • seine Beziehung zur Musik und zu seinem Beruf - er fühlt sich unzulänglich, empfindet Musik zwar intensiv und ist gebildet in diesem Bereich, sieht sich selbst aber als Handwerker ohne musikalische Seele, verachtet entsprechend auch seine berufliche Position als Beamter
  • ...

Das Stück ist durchsetzt mit sich verstärkenden Ausbrüchen von Wut und Verzweiflung, er ist ohne Wertschätzung für sich, sein Instrument und den Musikbetrieb. Daraus folgt seine Wahrnehmung von sich als armselige Existenz ohne Perspelktive und Hoffnung. Seine Chancen, glücklich zu werden (z.B. durch die Erfüllung seiner Liebe zu einer Sopranistin), sieht er als äußerst gering an - eine deprimierende Quintessenz.

Es ist ein interessantes Buch für Laien und für Menschen mit mehr oder weniger Backgroundwissen über Musikgeschichte und den Musikbetrieb - vielschichtig.

Patrick Süskind, Der Kontrabaß. Diogenes, Zürich 2014.

Wednesday, April 12, 2017

Jeffery Deaver - Der Täuscher

In seinem achtem Fall wird Lincoln Rhymes Cousin, mit dem er seit seinem Unfall keinen Kontakt mehr hatte, für einen Mord verhaftet, den dieser nicht begangen hat. Die Beweise wirde fingiert, der Täter muss über extrem viel Wissen über das Opfer, aber auch über den Sündenbock verfügen. Die wenigen realen Spuren führen zu einer Datensammlerfirma, die sowohl von der Polizei genutzt wird, aber auch kommerziellen Zwecken dient. Schon bald wird klar, dass das Ausmaß der gesammelten Daten besorgniserregend ist, wenngleich dies gegen Ende auch zur Aufklärung beiträgt. Klar ist, der Täter muss einen Bezug zu dieser Firma haben, dadurch merkt er aber auch schnell, dass man ihm auf der Spur ist. Er schlägt zurück unf geht einen Schritt weiter: Er platziert falsche Daten, um den Ermittlern Ärger zu machen und ihnen persönlichen Schaden zuzufügen.
Um Spurenanalyse im eigentlichen Stile Lincoln Rhymes geht es eigentlich weniger (was schade ist), gleichzeitig wird das spannende Thema der "Datenspuren" eingeführt. Einen Schutz der Privatsphäre gibt es im Sinne der Datensammler eigentlich nicht mehr, nichts ist mehr privat!
Der Plot von Der Täuscher ist nicht mehr ganz so verquer verschachtelt wie der von Der gehetzte Uhrmacher, hingegen wirkt der privat-familiäre Aspekt von Lincoln und seinem Cousin etwas aufgesetzt, um dem ganzen auch emotionale Tiefe zu geben. Dies gelingt nicht besonders gut, mag aber auch den Audiobook-Kürzungen geschuldet sein.
Solide, unterhaltsam, wenn auch kein herausragender Fall.

Jeffery Deaver, Der Täuscher. RandomHouseAudio 2009.

Zur Reihenübersicht Lincoln Rhyme und Amelia Sachs

Neil Gaiman - Das Graveyard Buch

Zugegeben, der deutsche Titel ist keine Glanzleistung, aber klingt vermutlich besser als eine komplette deutsche Übersetzung, zumal Friedhof im Titel vermutlich deutsche Käufer abschrecken könnte. Das Cover ist auch so schon gruselig genug...

Das Buch beginnt mit der Ermordung der Familie des Protagonisten, als dieser noch ein Kleinkind ist. Irgendwie krabbelt er dem Mörder davon und wird von den Geistern und anderen Bewohnern des benachbarten Friedhofs aufgenommen, die fortan seine Erziehung übernehmen. Man nennt ihn Nobody (Bod) Owens. Er lebt in einer Zwischenwelt, ist im Diesseits und im Jenseits zuhause.
Die Charaktere, die den Friedhof bewohnen, werden von Gaiman gewohnt grandios gezeichnet, man möchte sie kennenlernen, sich wie Bod mit ihnen unterhalten und von ihnen lernen. Doch als Bod älter wird, möchte er auch die normale Welt erforschen, der Friedhof wird ihm zu klein. Schnell wird klar, dass die Bedrohung, die seine Familie auslöschte, immer noch besteht. Zunächst weicht er der Konfrontation noch aus, doch um den Friedhof verlassen zu können und sein Leben zu leben, muss er seine Gegner bekämpfen.
Während die ersten zwei Drittel des Buchs höchst unterhaltsam und skurril-spannend waren, konnte mich der Showdown nicht begeistern. Unklar blieben die (Hinter-) Gründe, warum Bod das Ziel seiner Gegner wurde, eine alte Prophezeiung wird erwähnt, ist aber nur ein MacGuffin und wird nicht weiter erläutert. Sein Sieg fällt ihm ein wenig zu leicht, der Kampf seines Vormunds wirkt auch aus dem Kontext gerissen. Hier wäre ein bisschen mehr Erklärung nötig gewesen oder es hätte bei "Böse Menschen tun böse Dingen" bleiben müssen. Traurig ist außerdem, dass Bod seine Verbindung zur Geisterwelt verlieren muss, um in die echte Welt hinauszugehen. Trotzdem ist Gaimans Erzählstil recht einzigartig und die Charaktere und Atmosphäre des Buchs haben viel Spaß gemacht.

Neil Gaiman, Das Graveyard Buch. Arena, Würzburg 2009.

Thursday, April 06, 2017

Tess Gerritsen - Roter Engel

Roter Engel von Tess Gerritsen aus dem Jahr 1997 handelt von der Ärztin Tony Harper. In ihrer Nachtschicht im Krankenhaus taucht ein verwirrter alter Mann auf mit merkwürdigen, anfallartigen Symptomen auf, doch bevor er noch adequat untersucht und behandelt werden kann, verschwindet er wieder. Als ein weiterer Patient mit ähnlichen Symptomen verstirbt, ordnet Tony eine Obduktion an und der Pathologe Daniel Dvorak vermutet eine hochansteckende Krankheit. Zusammen verfolgen die beiden die Spuren, die sie in eine exklusive Seniorenresidenz führen. Die dort angesiedelten Ärzte sind wenig kooperativ, gleichzeitig hat Harper den Eindruck, dass jemand versucht, ihr und ihrer demenzkranken Mutter zu schaden.
Die Aufklärung des Medizinthrillers, der im Bereich experimenteller Genertik mit unethischischen Methoden liegt, vermengt Horror und den berechtigten Zweifel, dass vielleicht doch schon ähnliches durchdacht oder sogar erprobt wird. Die Ärztin Tony Harper hat nicht das Charisma und die Intelligenz einer Maura Isles und war mir nicht sonderlich sympathisch, aber Tess Gerritsen hat mit Roter Engel durchaus einen durchdachten Plot und gute Spannung vorgelegt.

Tess Gerritsen, Roter Engel. Randomhouse Audio 2011.