Monday, August 28, 2017

Karin Slaughter - Belladonna

Als ich Belladonna von Karin Slaughter vor längerer Zeit das erste Mal gelesen habe (Erstveröffentlichung 2001), verstörten mich die brutalen Vergewaltigungsszenen zutiefst. Einige gute Dutzend Thriller aus dem Genre später habe ich heute nach dem zweiten Lesen das Gefühl, diesen ersten Band von Slaughters "Grant County"-Serie besser verdauen zu können.
Von Beginn an ist Kinderärztin und Pathologin Sara Linton eng mit dem Fall verbunden: Sie findet das erste Opfer einer Serie von Vergewaltigungen - Sybil Adams liegt mit zwei tiefen gekreuzten Schnitten im Bauch in einer Restauranttoilette und verstirbt kurz darauf. Auch das zweite Opfer wird Sara sozusagen "geliefert" - hängt dies alles mit ihrer eigenen Vergewaltigung vor zwölf Jahren zusammen?
Neben Sara spielen auch noch Chief Jeffrey Tolliver (Saras Exmann, der die Ermittlungen leitet) und Sybils Schwester Lena, ebenfalls eine Polizistin eine Rolle. Diese Hauptcharaktere werden in Belladonna sorgfältig angelegt und vorgestellt. Die Erzählung ist temporeich und die Autorin präsentiert auf den 480 Seiten einen spannungsgeladenen Plot. Lediglich die Auflösung und die Beweggründe des Täters kommen etwas forciert daher und auch mit den Jahren Abstand und Thrillererfahrung würde ich sagen, Belladonna ist nichts für schwache (Frauen-) Nerven, denn die Gewaltbeschreibungen sind durchaus detailliert und zum Teil ekelerregend.  

Karin Slaughter, Belladonna. Blanvalet, München 2012.

Wednesday, August 23, 2017

Rainbow Rowell - Eleanor und Park

Als Eleanor das erste Mal in seinen Bus einsteigt, ist Park genervt. Es findet sich kein Platz für sie, notgedrungen lässt er sie auf den Platz neben sich. Eleanor hat rote Haare, ist füllig und ihre Klamotten widersprechen jeder akzeptablen Mode unter Teenagern. Von vornherein ist sie an ihrer neuen Schule das ideale Mobbingopfer. Nur der ruhige Halbkoreaner Park lässt sie halbwegs in Ruhe, das ist besser als nichts. Doch dann beginnt Eleanor seine Comics mitzulesen, sie beginnen über Musik zu sprechen und lernen sich kennen, trotz all ihrer Gegensätze.
Doch Eleanor wird nicht nur in der Schule bedroht, auch zuhause macht ihr der gewalttätige Stiefvater das Leben schwer, ihre Mutter ist hilflos und schwach - oft fehlen Eleanor die grundlegensten Dinge und sie hat so gut wie keine Freiheiten. Das ist etwas, dass sich Park kaum vorstellen kann, kommt er zwar aus einer Mischehe, aber seine koreanische Mutter und sein Vater führen eine harmonische Ehe und Park fehlt es an nichts.
Die beiden kommen sich näher und verlieben sich - etwas, das für beide schwer zu begreifen und zu bewältigen ist. Sie finden trotz all der Hindernisse einen Weg zueinander, bis die Katastrophe eintritt und Eleanors Stiefvater von den beiden erfährt...
Das Audiobook wird gelesen von den Schauspielern Franziska Hartmann und Julian Greis, die abwechselnd und sehr emotional den Stimmen und Gedanken der beiden Jugendlichen Gehör verschaffen.
Es ist eine sehr berührende und tragische Liebesgeschichte, die Rainbow Rowell über diese zwei Außenseiter aus verschiedenen Welten geschrieben hat. Natürlich bedient sie dabei Klischees, typische Teenager-Stereotype, was die Geschichte aber eigentlich eher authentischer macht als ihr zu schaden. Denn Comics, Musik (die Mixtapes) und Aufregung bei ersten Telefonaten und Dates mit dem/der Geliebten, das ist Teeny-Realität und wenn diese klischeehaft ist, dann ist das wohl einfach so. Trotz aller Dramatik am Ende ist man froh, dass Eleanor ihrer unerträglichen häuslichen Situation entkommt und damit eine Chance hat, zu sich selbst zu finden.
Was fehlt, ist eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den problematischen Themen von häuslicher Gewalt, Rassismus und Mobbing. Hier bleibt Eleanor und Park an der Oberfläche und ergründet die Motive und Auswege nicht weiter, wodurch vor allem Park die Chance genommen wird, seine Geschichte als Außenseiter näher zu beleuchten.

Rainbow Rowell, Eleanor und Park. Hörcompany 2015.


Sunday, August 20, 2017

Lars Kepler - Hasenjagd

Hasenjagd ist der sechste Thriller aus dem Hause Kepler; Joona Linna und Saga Bauer ermitteln wieder. Der aufmerksame Leser der Reihe fragt sich, wie das möglich ist - denn Joona sitzt doch nach seinen Extravaganzen in Ich jage dich im Gefängnis? Richtig! Aber der bestialische Mord an Schwedens Außenminister weist klare Zeichen auf, dass der Täter erneut zuschlagen wird. Man erhofft sich Hinweise von einem Kriminellen, den man in Joonas Gefängnis verlegt, zumal dieser auch Erfahrungen mit diesen Fällen hat. Bevor Joona noch die Zusammenhänge begreift, steckt er schon mittendrin in dem komplizierten Fall, der (wie immer) einige überraschende Wendungen nimmt. Saga Bauer ermittelt derweil an den Ursprüngen des Falls, eine jahrzehntelange zurückliegende Straftat...
Hasenjagd ist ein schlecht gewählter Titel, da der Täter von den Geschehnissen im "Kaninchenbau" umgetrieben wird, auch der wiederkehrende Reim von "rabbits" handelt und der Originaltitel Kaninjägaren lautet (= Kaninchenjäger). Wie man da auf Hasenjagd kommt, ist mir schleierhaft. Auf dem Cover dann was? Ein Fuchs? Verwirrend. Aber das nur am Rande.
Joonas Genialität als Ermittler lässt alle anderen alt aussehen, er löst das ganze Durcheinander mehr oder weniger im Alleingang. Dabei hat man dennoch das Gefühl, man erfährt mehr über eines der geplanten Opfer des Kaninchenjägers (einen alkoholsüchtigen, prominenten Fernsehkoch mit Vaterschaftsproblemen) und dessen Sorge, einige der Seitenstränge wirken unvollständig - hier will ich aber nicht ausschließen, dass dafür die Kürzungen für das Audiobook die Schuld tragen. Insgesamt ist der Roman durchaus spannend, die Wendungen sind überraschend und doch schlüssig, wenngleich der Täter in seiner Handlungsweise nicht ganz stringent wirkt, selbst dann nicht, als man den Hintergrund seiner Kindheit erfährt. Für Fans der Reihe sicher gewohnte gute Unterhaltung, für den Einstieg vielleicht eher nicht geeignet. Schön ist auch die Gewissheit, dass es weitergehen wird - der Cliffhanger verspricht einen weiteren Band.

Lars Kepler, Hasenjagd. Lübbe Audio 2017.

Saturday, August 19, 2017

Hugging the summer - again!

I don't know what the odds are of receiving a card twice when postcrossing - but it happenend a few times before. This one is a very cute card, this time it came from Bert from the Netherlands. Before it was sent by Thomas, also from the Netherlands, see here.

Robert Louis Stevenson - Die Schatzinsel

Robert Louis Stevensons Klassiker Die Schatzinsel ist einer der bekanntesten Abenteuerromane und inspirierte eine Menge von Piratengeschichten und -filmen.
Der Inhalt ist weitgehend bekannt: Der junge Jim Hawkins kommt durch einen in der Gaststätte seiner Eltern abgestiegenen Piraten in den Besitz einer Schatzkarte des berühmten Piraten Kapitän Flints. Fast sofort sind ihm die Kumpane des Piraten auf den Fersen und er findet Hilfe bei dem Gutsbesitzer Trelawney und dem Arzt Doktor Livesey. Fast sofort beschließt man, zur Insel, auf der der Schatz versteckt ist, zu segeln. Es wird ein Schiff gefunden und Mannschaft angeheuert - doch bald stellt sich heraus, dass sich darunter ehemalige Gefolgsleute Flints befinden, ihr Anführer ist der schlaue Long John Silver.
Auf der Insel angekommen, entwickeln sich die Dinge dramatisch, Meuterei, Mord, wechselnde Bündnisse - alles Zutaten für einen klassischen Abenteuerroman. 
Die Erzählperspektive ist aufgeteilt in die Sicht von Jim Hawkins, der seine eigenen Ideen verfolgt und dabei eher unabsichtlich dazu beiträgt, dass die Guten gewinnen, und in die sachlicheren Erzählungen des Doktors, was während Jims Abwesenheit mit den Übrigen passiert. Natürlich geht alles weitgehend gut aus, die Piraten sind nicht sonderlich intelligent und verspielen alle ihre Vorteile durch Trunksucht und Habgier. Dies sehr moralische Schwarzweißdenken erscheint aus heutiger Sicht vielleicht ein wenig zu schlicht, bedenkt man, dass die Erstveröffentlichung in Romanform 1883 erfolgte, so relativiert das diese Einschätzung. Insgesamt ein gut lesbarer, auch heute noch spannender Roman, dessen Einfluss auf viele folgende Romane und Filme klar zu erkennen ist.

Robert Louis Stevenson, Die Schatzinsel. Public Domain...

Friday, August 11, 2017

Frank McCourt - Die Asche meiner Mutter

Als ich vor langen Jahren Die Asche meiner Mutter das erste Mal las, war ich sehr berührt von der Geschichte dieses Frank McCourt und konnte vieles der schrecklichen Geschehnisse in dessen Familie kaum fassen, weil ich nicht allzu viel über Irland wusste. Eine Wiederbegegnung mit der Geschichte ergab sich in Form einer Hörspielbearbeitung passend zu meinem Irland-Urlaub in diesem Sommer.
Unprätentiös erzählt McCourt (in der Rolle des Erzählers der exzellente Harry Rowohlt) vom Schicksal seiner irischen Familie. Diese konnte in New York nicht recht Fuß fassen und kehrt nach Irland zurück. Doch statt die erhoffte Unterstützung zu finden, fallen sie immer weiter in die Armut, einige der Kinder sterben, auch der Protagonist erkrankt schwer. Die Mutter bringt die Kinder nur schwerlich durch, der Vater hat nur unregelmäßig Arbeit unf versäuft den Lohn andauernd und enttäuscht die Familie immer wieder. Er verlässt sie schließlich, um in London Arbeit zu finden, schickt von dort jedoch nicht das erwartete Geld wie andere irische Arbeiter. Frank lernt bald, sich nr auf den eigenen Verstand zu verlassen und spart mit cleveren Jobs, Ehrgeiz und etwas Dieberei das Geld zusammen, um schließlich wieder nach New York auswandern zu können.
Die Inszenierung des Hörbuchs umfasst eine gute Auswahl an Episoden aus den umfangreicheren Erzählungen und zeichnet das Bild des armen Irlands undd die Beharrlichkeit und den Einfallsreichtum McCourts eindrücklich.

Frank McCourt, Die Asche meiner Mutter. Hörverlag 2010.

Saturday, August 05, 2017

David Vann - Aquarium

Das im Titel genannte Aquarium befindet sich in Seattle und in dieses geht die 12jährige Caitlin jeden Tag nach der Schule, bis ihre Mutter sie nach der Arbeit abholen kann. Dort lernt Caitlin einen älteren Mann kennen, mit dem sie sich intensiv über die Fische und ihre Welt austauscht - die beiden werden Freunde.
Ansonsten hat Caitlin nur ihre Mutter, keine weitere Familie, und ihre beste Freundin Shalini. Ihre Mutter arbeitet hart in den Docks von Seattle, dennoch leben Mutter und Tochter am Rande des Existenzminimums, über ihre Vergangenheit und die Familiengeschichte schweigt die Mutter beharrlich. Doch die Verschwiegenheit zerbricht jäh, als sich herausstellt, dass der ältere Mann aus dem Aquarium Caitlins Großvater ist. Die Mutter versucht alles, um eine Beziehung zu unterbinden, greift zu drastischen Mitteln. Ihr Freund Steve kann etwas vermitteln und auch Caitlin gibt nicht auf, so dass sich nach dramatischen Ereignissen schließlich alles doch - vielleicht nicht zum Guten - aber zum Besseren wendet.
Aquarium berichtet von Schuld und Vergebung, von ungewöhnlicher Libe und dem tiefen Bedürfnis nach Versöhnung, selbst wo sie unmöglich scheint, weil die Verletzungen so tief reichen. Dabei bleibt die Schilderung der Ereignisse stets glaubhaft und nicht zu emotional, trotz der tiefen Gefühle, die Caitlin vorantreiben. Die Bewohner des Aquarims bieten Reflexionsfläche für menschliches Verhalten und ihre Beziehungen zur Außenwelt. Bizarres und Schönes koexistieren und bedingen einander dabei. So erlebt Caitlin tiefe Verletzungen durch die unkontrollierte Wut ihrer Mutter, die sie mit einbezieht, weil sie den Großvater in ihrem Leben will, gleichzeitig erblüht ihre emotionale und physische Liebe zu Shalini, mit der die Mutter ebenso wenig zurechtkommt.

Ein höchst dramatisches, emotional aufwühlendes Buch mit ungewöhnlichen Charakteren und Beziehungen, auch sprachlich sehr gelungen, die Zeitsprünge der Ich-Erzählerin gerade so eingestreut, dass klar wird, dass hier zum Teil auch reflektiert, aber dennoch mit großer Gefühlsdichte erzählt wird. Mein persönliches Fazit: Mehr von David Vann lesen!

David Vann, Aquarium. Suhrkamp, Berlin 2016.

Friday, August 04, 2017

Alice Sebold - In meinem Himmel

Alice Sebold konstruiert in ihrem 2002 (2005 in Deutschland) veröffentlichten Roman In meinem Himmel eine ungewöhnliche Erzählperspektive: Das Mordopfer eines Vergewaltigers beobachtet die auf ihren Tod folgenden Geschehnisse aus "ihrem Himmel" heraus.
Susie war 1973 zum Zeitpunkt ihres Todes 14 Jahre alt und zurück bleiben ihre Eltern und zwei Geschwister. Ihren Himmel beschreibt sie als ihr persönliches Paradies, sie selbst gestaltet sein Aussehen durch ihre Wünsche und ihre Kenntnis der Welt. Die Schilderungen dieser größtenteils naiven (Teenager-) Himmelswelt sind nicht sehr ausführlich und bilden auch nicht den Schwerpunkt des Romans. Vielmehr begleitet Susie ihre Familie und einige Freunde dabei, wie sie nach ihrem Tod weiterleben und wie ihr Tod das Leben der Menschen beeinflusst. Nebenbei verfolgt sie auch ihren Mörder, einen Nachbarn, den die Polizei trotz Verdächtigungen nicht verhaften kann.
Der gewaltsame Tod eines Kindes wäre für jede Familie schwer zu bewältigen, ohne große Beschönigungen berichtet Susie, was sie sieht, die schönen Erinnerungsmomente, die Fehlschläge in der Bewältigung und verzweifelten Fehler der Familie im Umgang miteinander.
Frustrierend für jemanden mit einem Hang zum Kriminalroman und Thriller ist die erfolglose bzw. nicht stattfindende Ermittlung oder Überführung des Täters, er ist nur einer der Menschen, die von Suzies Tod beeinflusst werden, Gerechtigkeit gibt es an dieser Stelle nicht, zumindest nicht im Sinne des Gesetzes. Problematisch für den Plot sind die langgezogene Beschreibungen der Verarbeitung durch die Familienmitglieder, die - verständlicherweise - keinen echten oder natürlich gegebenen Endpunkt erhalten. Die Zeitspanne zwischen den Ereignissen wird am Ende von der Autorin einfach größer gefasst, die Trauer erfährt eine Veränderung durch das Verstreichen von Zeit, das Buch endet.
Einzig eine bizarr anmutende Szene, in der Susie den Körper einer Freundin in Besitz nimmt, um ein letztes Mal wie ein Mensch zu fühlen und Verpasstes zu erleben, bildet eine Art Höhepunkt der Handlung. Was dies für die zurückbleibende Freundin des (missbrauchten) Körpers bedeutet, wird ausgelassen...
Die Pluspunkte des Romans - die interessante Erzählperspektive und die Beleuchtung der Trauernden und ihre Wege der Bewältigung - reichen für mich subjektiv nicht aus, um die Schwächen des Plots und die mangelnde Tiefe der Charaktere (inklusive der Erzählerin Susie) auszugleichen - keine sonderlich befriedigende Lektüre.

Alice Sebold, In meinem Himmel. Goldmann, München 2005.