Dystopien sind in auf dem Buchmarkt - und in der Tat ist es angesichts der vielen Tendenzen zu Katastrophen auf diesem Erdball vielleicht auch nicht abwegig, sich über mögliche tragische Zukunftsversionen Gedanken zu machen. Das heißt leider nicht, dass jede Dystopie es verdient publiziert zu werden. Und nicht jede Geschichte muss in das Setting einer solchen eingebettet werden.
Ein Jahr voller Wunder von Karen Thompson Walker handelt von der jungen Julia und ihrer Familie in Kalifornien. Die Handlung umfasst etwa ein Jahr (siehe Titel) und in diesem Jahr geschieht die Katastrophe, mit der niemand gerechnet hat: Die Erde dreht sich immer langsamer, die Abschnitte von Tag und Nacht verlängern sich, der 24-Stunden-Takt passt nicht mehr zu den natürlichen Gegebenheiten. Die Autorin entwirft vielfältige Konsequenzen, die diese Verlangsamung auf die Erdenbewohner hat, auf Tiere, Pflanzen und Menschen. Das, was Julia aber am meisten beschäftigt, ist das, was junge Menschen überall beschäftigt: Ihre Beziehungen zu Mitschülern, Freunden, der Familie und der Nachbarschaft. Mit durchaus geschärftem Blick beobachtet sie deren Verhalten, das zum Teil durch Veränderungen der Umwelt beeinflusst wird, zum Teil aber auch nicht. Sie hat Angst, Außenseiter zu sein, beobachtet mit Furcht die auseinanderbrechende Ehe ihrer Eltern, sieht Veränderungen in ihrem alternden Großvater und verliebt sich - natürlich.
Während Thompson Walker zwar die Konsequenzen der verlangsamten Erdrotation durchaus in ihre Geschichte einbindet, wäre sie für Julias Geschichte nicht unbedingt nötig gewesen. Im Grunde ist es eine - durchaus gut erzählte - Coming-of-Age Story mit einer Umverpackung aus Katastrophe, die nicht vollständig erklärt wird. Was sie ausgelöst hat, bleibt offen. Ob Überleben möglich sein wird, bleibt offen. Ob Julia noch glücklich werden kann, bleibt offen. Das ist, gelinde gesagt, unbefriedigend...
Karen Thompson Walker, Ein Jahr voller Wunder. Hörverlag 2013.
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