Wednesday, August 30, 2023

Sally Rooney - Schöne Welt, wo bist du

Die irische Autorin Sally Rooney wurde mit ihrem Debutroman Conversations with Friends aus dem Jahr 2017 bekannt. Danach veröffentlichte sie Normal People (2018) und es folgte 2021 der dritte Roman mit dem Titel Schöne Welt, wo bist du

Rooney lässt darin Eileen, erfolgreiche, aber von Depressionen gebeutelte und nun in einem irischen Kaff lebende Autorin zweier Romane (!), auf Felix, einen erfolglosen Lagerarbeiter treffen. Gleichzeitig nähern sich Eileens beste Freunde Alice und Felix in Dublin einander an, nachdem sie ihrer gegenseitigen Liebe in ihrem bisherigen Leben intensiv ausgewichen sind.
Unterbrochen werden die recht alltäglichen Beschreibungen und Erlebnisse der beiden Paare von einigen philosophischen E-Mails über die verschiedensten kulturellen und gesellschaftlichen Themen. Dazwischen eingestreut sind einige eher abstoßende, langweilige Beschreibungen über den Sex der beiden Paare. Das alles ergibt eine unfassbar irritierende Mischung. Blabla meets urgh. Dauernd tippt auch irgendwer auf ihrem Handy herum und schaut sich Social Media Pages an, während die Dialoge der Protagonisten oft an Langeweile und Banalität kaum zu überbieten sind. Vielleicht ist dies tatsächlich der Spiegel unserer Gesellschaft, aber außer Ablehnung hat das Geschilderte nichts bei mir ausgelöst. Einige der in den E-Mails geäußerte Gedankengänge mögen beachtenswert sein, hatten für mich aber inmitten des kaum vorhandenen Plots etwas derart unnatürlich Aufgesetztes, dass ich ihnen kaum folgen mochte.
Den Erfolg dieses Romans und die Begeisterung einiger Lesenden kann ich absolut nicht nachvollziehen. 

Sally Rooney, Schöne Welt, wo bist du. Hörbuch Hamburg 2021.

Tuesday, August 15, 2023

Marissa Meyer - Wie Blut so rot

Wie Blut so rot ist nach Wie Monde so silbern der zweite Band von Marissa Meyers Luna-Chroniken, eine Reihe von vier Bänden, die Märchenmotive in eine dystopische Sci-Fi-Welt integrieren. Der Originaltitel dieses Bandes lautet Scarlet und spielt mit dieser Farbkennzeichnung deutlich auf Rotkäppchen an. Es gibt eine rothaarige Hauptfigur, eine Großmutter und den bösen Wolf... Damit hat sich die Motivik aber auch im Grunde schon erschöpft, der Rest dreht sich um die Verwicklung der entführten Großmutter in Cinders Überleben auf der Erde. Zur Erinnerung, Cinder(ella) ist das Cyborg-Mädchen aus Band eins, dass sich als lunarische Prinzessin entpuppte. Die aktuelle lunarische Königin ist selbstverständliche böse und integriert gegen die Menschheit als Gesamtheit, wofür sie eine perfide, wölfische Armee herangezüchtet hat.
Ziemlich geschickt verwebt die Autorin die Geschichte Cinders mit der neu hinzugekommenen Protagonistin Scarlet, die parallel und jeweils mit einem interessanten Sidekick ausgestattet (entflohener Sträfling mit Raumschiff einerseits und abtrünninger Wolfssoldat andererseits) daran arbeiten, mehr über Cinders Herkunft und Vergangenheit herauszufinden und die Großmutter zu retten. Die Geheimnisse über Cinders Kindheit können zwar größtenteils enthüllt werden, derweil spitzt sich der Konflikt zwischen der lunarischen Königin und der Menschheit dramatisch zu - so dass man annehmen darf, dass die vier im dritten Band zusammen weiterkämpfen werden...
Die Lesung von Vanida Karun hat mir auch beim zweiten Band über einige langsamere Teile der Geschichte hinweggeholfen, sie bringt die Charaktere zum Leben, wobei ihr sowohl knurrige Wolfsbösewichte als auch quietschige Androiden wunderbar gelingen. Kontrastreiche und unterhaltsame Lesung eines story-technisch deutlich besseren zweiten Bandes (wenngleich der deutsche Titel ein wenig peinlich ist, deutet er doch inhaltlich auf ein Schneewittchen und nicht auf Rotkäppchen hin, nur die Farbe passt?!). Nun werde ich wohl irgendwann auch noch den dritten Band lesen müssen.

Marissa Meyer, Wie Blut so rot. Silberfisch 2014.

Sunday, August 13, 2023

Zum Wittekindsberg über der Porta Westfalica

Die erste Tour des Kompass Wanderführers Naturpark Teutoburger Wald ist betitelt mit "Zum Wittekindsberg über der Porta Westfalica". Startpunkt ist das Kaiser Wilhelm-Denkmal nahe Porta, dort beginnt ebenfalls der Wittekindsweg, der dem Kamm des Wiehengebirges folgt. Die Rundwanderung führt unterhalb des Kamms hin und über den Kammweg zurück. Wegen starker Regenfälle war der Abstieg vom Denkmal hinunter zum Parallelweg sehr matschig und rutschig und nicht ganz ungefährlich. Mit einem größeren Umweg hätte man die Rutschpartie vermeiden können.
Der Wald in diesem Gebiet hat kaum Schaden genommen durch den Borkenkäfer, es gibt viele alte Buchenbestände und wunderschöne Hohlwege. Man kommt auch noch an der Dehmer Burg vorbei, die Anlage würde man aber ohne Hinweisschild wohl kaum erkennen können. Nett sind die Einkehrmöglichkeiten am Kammweg.

...etwa 12 km Rundweg und 330 Höhenmeter...






Kaiser Wilhelm-Denkmal am frühen Morgen

Blick auf das Weser-Tal





Kaffeepause beim Wilden Schmied...

...mit Ausblick ins Weser-Tal


gegen Mittag zurück am Denkmal

Monday, August 07, 2023

Jacques Berndorf - Requiem für einen Henker

1990 erschien dieser zweite Band um den Journalisten Siggi Baumeister, den sich Jacques Berndorf alias Michael Preute (1936-2022) für die Eifel ausgedacht hat und der ihm nur ein "kleines bisschen" ähnlich ist. In Requiem für einen Henker bekommt Siggis Katze Krümel Jungen, er raucht Pfeife, hört den Blues und bandelt mit einer ihn zufällig besuchenden Frau an. Der Titel enthält allerdings nicht den typischen Vorsatz "Eifel-...", denn weite Teile des Krimis spielen in Bonn, dem Noch-Regierungssitz. Noch gibt es auch noch Agenten und Spionage im klassischen Kalten Krieg Modus, so gesehen ist der Fall in die Jahre gekommen. Per Zufall stolpert Siggi in einen Mordfall, der sich zum Albtraum entwickelt, als der ermittelnde Kommissar kurz nach einem Besuch in der Eifel ebenfalls ermordet wird. Es geht um den Henker, einen von Bundesbehörden gesteuerten Killer, der nun seinerseits von seinen Nachfolgern hingerichtet wurde. Natürlich ist dies alles hochgeheim und alle Mitwisser müssen vernichtet werden. Doch welche Rolle spielt die russische Gegenseite? Mehr als einmal entgehen Siggi und seine helfende Begleiterin nur knapp dem Tod und die Geschichte findet in einem spektakulären Showdown ihr Ende.
Die Story ist verworren, die Bedrohungen krass und der Showdown völlig überzogen. Auch fehlt diesem Band der typische Flair der späteren Eifel-Geschichten, auch wenn Baumeister als Charakter natürlich derselbe ist. Als Fan der Serie habe ich auch Requiem für einen Henker gern gelesen, aber aus heutiger Sicht würde ich die Story niemandem ans Herz legen. 

Jacques Berndorf, Requiem für einen Henker. KBV 2013.

Saturday, August 05, 2023

Celeste Ng - Was ich euch nicht erzählte

Ihren bisher größten Erfolg feierte Celeste Ng mit ihrem Roman Kleine Feuer überall (2017), der auch als TV Serie verfilmt wurde. Was ich euch nicht erzählte (2014) verfolgt bereits ein ähnliches erzählerisches Konzept und auch der Plot weist Ähnlichkeiten auf.
Eine chinesisch-amerikanische Familie in einer Kleinstadt im Ohio der 70er Jahre stürzt in die Katastrophe, als die älteste Tochter Lydia tot in einem See aufgefunden wird. Zugunsten der Kinder hat Mutter Marilyn ihren Traum Ärztin zu werden aufgegeben und mit dem Tod der Tochter ist auch die Hoffnung vernichtet, dass diese an ihrer Stelle den Traum verwirklichen wird. Alle Familienmitglieder, auch Lydia, blicken zurück auf ihr Familienleben, die vielfältigen und teils rücksichtslosen und verständnislosen Erwartungen und die Rollen, die alle in diesem komplexen Konstrukt einnehmen. Die Atmosphäre ist geprägt von Unehrlichkeit und auch von Verzweiflung, in den Rollen gefangen zu sein. Gleichzeitig geht es aber nicht um Schuld, denn Ng lässt ihre Charaktere facettenreich erklären, warum sie nur so handeln konnten. Gesellschaftliche Normen beeinflussen massiv das Selbstbild und die Erwartungen aller Familienmitglieder - Rassismus oder die Diskriminierung von Frauen, die nicht in Haushalt und Mutterschaft Erfüllung finden, sind nur die augenscheinlichsten Probleme, die Was ich euch nicht erzählte anspricht. Der Roman bietet Denkanstöße über Eltern-Kind- oder Geschwister-Beziehungen nachzudenken, die Perspektive zu ändern. Allerdings geschieht dies mit relativer Sachlichkeit, eine enge emotionale Bindung an die Charaktere will sich nicht recht einstellen, aber vielleicht ist dies auch gewollt - man soll sich nicht auf die Seite eines Familienmitglieds schlagen, keine Schuld zuweisen. Vielleicht hat es daher auch wenig Relevanz, wenn am Ende aufgelöst wird, was zu Lydias Tod führte.
Was ich euch nicht erzählte ist ein interessanter und lesenswerter Roman, zum Teil beklemmend, der einen nachdenklich zurücklässt. 

Celeste Ng, Was ich euch nicht erzählte. DAV 2016.

Tuesday, August 01, 2023

Marlen Haushofer - Die Wand

"Verstörend" ist das erste Adjektiv, das mir zu Marlen Haushofers Roman Die Wand von 1963 einfällt. Ansonsten ist es kein Buch, zu dem man sich leicht eine Meinung bilden kann.
Dabei ist der Plot schnell erzählt: Über Nacht wird eine nicht namentlich genannte Frau von einer unsichtbaren Wand in den Bergen eingeschlossen. Gesellschaft hat sie nur von einigen Tieren und sie schreibt in ihren Erlebnisbericht, der mehrere Jahre umfasst, wie sie das alltägliche (Über-)Leben bewältigt.
Es ist also eine Art weibliche Robinsonade (Männer kommen kaum vor und in der charakterlichen Begutachtung auch nicht gut weg), weite Teile der Erzählung drehen sich um die Sicherung von Nahrungsmitteln und häuslichem Schutz. Zwischendurch schildert die Erzählerin auch, wie Erinnerungen und Einsamkeit ihr zu schaffen machen, aber erstaunlicherweise beschäftigt sie die Abgeschiedenheit von menschlichem Kontakt und Kultur nicht sehr. Sie findet Trost bei den Tieren (Hund, Katzen, Kuh) und nimmt mehr Anteil an deren Schicksal als an dem ihrer Familie. Warum die Wand erschienen ist und was außerhalb ihres Tals geschehen ist, berührt sie wenig, auch wenn sie weiß, dass alle Menschen und Tiere tot sind. Vielmehr scheint sie an manchen Stellen trotz der Beschwerlichkeit und Bedrohlichkeit ihres Lebens froh zu sein, sich nicht mehr mit gesellschaftlichen Zwängen auseinandersetzen zu müssen und blickt abfällig darauf zurück. Wahre Trauer äußert sie nur über das tödliche Schicksal ihres Hundes, das sie bereits auf den ersten Seiten ihres Berichts erwähnt. Als Leser muss man aber bis zu den letzten Seiten ausharren, um zu erfahren, was dem Tier widerfahren ist. Andere Passagen über das Versorgen der Tiere, das Bestellen ihres Kartoffelackers oder die Heuernte sind oft langatmig und manchmal auch langweilig. Insgesamt ist die Stimmung des Romans eher düster, nur selten durchbrochen von den kurzen Glücksmomenten, die die Erzählerin angesichts ihrer Naturerfahrungen erfährt. Ihr Bericht endet (es ist auch kein Papier mehr zur Verfügung), ihr Schicksal bleibt offen.
Die Wand entwickelt trotz des langsamen Erzähltempos und der bedrückenden Atmosphäre einen gewissen Lesesog, der sich schwer genauer erklären lässt. Das Setting ist so ungewöhnlich und konstruiert, dass man die apokalyptische Situation schnell einfach hinnimmt (Fragen nach Gründen und Hintergründen werden sowieso nicht beantwortet) und sich auf die Lebens- und Gefühlswelt der Erzählerin einlässt. Und auch diese ist ungewöhnlich und vielleicht sogar extrem. Verstörend.

Marlen Haushofer, Die Wand. List, Berlin 2009.