Sunday, April 03, 2022

Isabel Allende - Was wir Frauen wollen

Als Was wir Frauen wollen 2020 erschien, war Isabel Allende 78 Jahre alt und glücklich verheiratet mit ihrem dritten Ehemann.
In sehr kurzen Kapiteln, eher Abschnitten oder Gedanken, geht Allende genau der Frage nach, die der Titel suggeriert: Was wollen Frauen eigentlich? Und daran anschließend der Folgefrage: Was hindert Frauen daran, zu bekommen bzw. zu erreichen, was sie wollen? 

Einige der Gedankengänge sind dabei sehr persönlicher und biografischer Natur, sie denkt viel über ihre Mutter, Großmutter und auch die männlichen Familienmitglieder nach, die sie geprägt haben. Dabei ist sie zwar kritisch, aber immer liebe- und verständnisvoll.
Deutlicher wird sie, wenn sie über den Machismo, das Patriarchat spricht. Sie spricht über geschichtliche Zusammenhänge, gesellschaftliche Strukturen und über das Interesse von Männern, diese zu erhalten, weil das bestehende System ihnen Vorteile bringt. Sie rechnet ab mit all den Grausamkeiten, unter denen Frauen fast überall auf der Welt zu leiden haben. Sie spricht über das Recht über den eigenen Körper bestimmen zu können - und denkt dabei über Genitalverstümmelung, Zwangsheirat, Verbot von Abtreibungen, Vergewaltigungen und sexuelle Ausbeutung nach. Sie spricht über Gleichberechtigung - und legt den Finger in die Wunde ungleich bezahlter Arbeit, die immer noch bestehende männliche Dominanz in vielen Berufsfeldern, sei es in der Politik, in der Wirtschaft oder in der Kunst. 

Sie spricht über Feminismus und dass dieser einschüchternd wirke, weil er "radikal daherkommt oder als Hass auf die Männer verstanden wird" - das haben wohl alle, die sich mit Feminismus beschäftigen schon einmal gehört. Sie definiert daher (S.19f.):

"Und worin besteht nun mein Feminismus? Dass es nicht darauf ankommt, was wir zwischen den Beinen, sondern was wir zwischen den Ohren haben. Er ist eine philosophische Haltung und eine Auflehnung gegen die Herrschaft der Männer. Er ist eine Form, die Beziehungen zwischen Menschen zu verstehen und auf die Welt zu schauen, er setzt auf Gerechtigkeit, kämpft nicht nur für die Emanzipation von Frauen, von schwulen, lesbischen und queeren Menschen (LGBTQIA+) und allen anderen, die durch das System unterdrückt werden, sondern von jeder Person, die sich anschließen möchte. Herzlich willkommen, würden die jungen Leute heutzutage wohl sagen: Je mehr wir sind, desto besser."

Einverstanden. 

Natürlich sind Allende Gedanken nicht alle neu und vielleicht sind sie auch nicht an allen Stellen zuende gedacht oder werden zu sehr vermischt mit ihrem eigenen Erleben. Aber es sind auch ihre persönlichen Erinnerungen und Beweggründe zu ihren Gedanken, die Was wir Frauen wollen zu einem besonderen Leseerlebnis werden lassen. Diese teils emotionalen Betrachtungen der gleichzeitig faktisch klar belegbaren Ungleichheit der Geschlechter spiegeln die weibliche Sicht auf die Welt und unterstreichen damit die Notwendigkeit, dass Frauen mehr Macht auf die Geschicke Welt ergreifen müssen, um die Gesellschaft - vielleicht - in eine bessere Zukunft zu lenken. Angesichts der ersten Monate der Corona-Pandemie schließt Allende ihr Buch mit folgendem Gedanken (S. 184f.):

"Wir wollen eine Welt, in der es Schönheit gibt, und nicht nur von der Art, die sich mit den Sinnen erfassen lässt, sondern auch eine Schönheit, die man wahrnimmt, wenn das Herz offen ist und der Geist klar. Wir wollen einen sauberen Planeten, bewahrt vor jeder Form von Aggression. Wir wollen eine Gesellschaftsordnung im Gleichgewicht, die nachhaltig ist und auf Respekt füreinander, für andere Spezies und die Umwelt insgesamt gründet. Wir wollen eine Gesellschaftsordnung, die alle einschließt und keinen bevorzugt, in der niemand diskriminiert wird aufgrund von Geschlecht, Hautfarbe, Klassenzugehörigkeit, Alter oder sonst einem Etikett, das uns auseinanderbringt. Wir wollen eine freundliche Welt, in der Frieden herrscht, Einfühlungsvermögen, Anstand, Aufrichtigkeit und Mitgefühl. Und vor allem wollen wir eine fröhliche Welt. Danach streben wir guten Hexen. Was wir uns wünschen, ist kein Luftschloss, es ist ein Vorhaben. Zusammen können wir Frauen das erreichen."

Isabel Allende, Was wir Frauen wollen. Suhrkamp, Berlin 2021.

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