In Volker Kutschers sechstem Roman um Gereon Rath -
Lunapark - ermittelt der Kommissar im Jahr 1934. Die Nationalsozialisten sind an der Macht und die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen unübersehbar. Da muss es wahrscheinlich auch ein politischer Mord zu sein, als unter einer nicht fertig geschriebenen kommunistischen Parole ein erschlagener SA-Mann gefunden wird. So wird auch die Geheime Staatspolizei, für die inzwischen Raths ehemaliger Assistent Gräf arbeitet, eingeschaltet. Dass diese Zusammenarbeit Probleme mit sich bringt, liegt auf der Hand - besonders als ein zweiter Mord, wieder an einem SA-Mann, geschieht. Doch Rath findet schnell heraus, dass diese SA-Männer eine Vergangenheit als Kriminelle in einem alten Ringverein haben, doch Gräf will seine Theorie einer kommunistischen Gruppe als Täter nicht aufgeben. Und sobald es um die Ringvereine geht, führt auch kein Weg an Johann Marlowe vorbei, mit dem Rath schon öfter zusammengestoßen ist. Und als wäre das auf der beruflichen Ebene nicht schon genug politisches Durcheinander, hängt auch noch der Haussegen schief: Raths Frau Charly ist ganz und gar nicht damit einverstanden, dass der Pflegesohn Fritz in die Hitlerjugend eintritt, dieser will das aber unbedingt. Charly geht auch wieder arbeiten - ausgerechnet in einer Rechtsanwaltskanzlei, die von der SA ausgehoben wird.
Kutscher arbeitet beeindruckend heraus, wie der zunehmende Einfluss der Nazis Einfluss auf alle Lebensbereiche hat und vor dem Privaten nicht Halt macht. Rath, der eigentlich neutral bleiben und den Nazis keine dauerhafte Regierungsmacht zugestehen will, sieht sich mehr und mehr gezwungen, Stellung zu beziehen. Er will eigentlich nur einen Mörder dingfest machen, sieht sich aber in einem Netz von Korruption, ehemaligen Verbrec
hern und politischen Emporkömmlingen gefangen, in dem er noch weniger als sonst frei agieren kann. Charlys klarer Einstellung gegen die Nazis hat er nichts entgegenzusetzen, möchte den Ziehsohn gleichzeitig aber nicht als Außenseiter sehen und befürwortet dessen Mitgliedschaft in der Hitlerjugend, wenngleich er sich schlussendlich vor dessen Gesinnungswandel doch erschrickt. Die Macht der Indoktrination zeigt ihre schlimmste Fratze und man empfindet fast schmerzhaft Raths Ratlosigkeit, wie er sich überhaupt noch richtig verhalten kann. Zwar tragen ihn noch seine kriminalistischen Instinkte durch diesen Fall, aber es bleibt offen, wie lange dies noch gutgehen kann. Es scheint, als stünde eine wesentliche Entscheidung an - in seiner Familie und auch im Beruf.
Volker Kutscher, Lunapark. Argon 2016.
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