Willi Fährmann greift in
So weit die Wolken ziehen das Thema der Kinderlandverschickung im nationalsozialistischen
Deutschland auf. Durch das Bombardement der Alliierten in den Großstadtregionen sind die Zerstörungen so groß, dass die Schulen geschlossen werden müssen. Entsprechend werden Kinder und Jugendliche in abgelegenere Gebiete verschickt. In Mariaquell in Österreich sind ca. 100 Schülerinnen aus Oberhausen untergebracht. Im ersten Teil des Romans erhält man einen Eindruck des durch Propaganda und nationalsozialistische Rituale stark strukturierten Tagesablaufs der Mädchen. Teilweise geraten sie in Konflikte, weil sie u.a. auch ihren Glauben ausüben wollen, was von den Lehrerschaft nur zum Teil geduldet wird. Andererseits führt die Indoktrinierung mit dem NS-Gedankengut auch dazu, dass sie sich plötzlich schnell an neue Wirklichkeiten anpassen müssen, als sie sich im zweiten Teil des Romans auf die Flucht begeben müssen, weil vom Osten die sowjetischen Streitkräfte heranrücken. Mit Spannung verfolgt man, wie die Mädchen im Flüchtlingstrek Entbehrungen und Verlust erfahren und sehr erfindungsreich werden müssen, um nicht Hunger zu leiden. Kurz vor ihrer glücklichen Heimkehr nach Oberhausen machen sie noch Station in einem Kloster und werden konfrontiert mit den Wirklichkeiten von KZ-Insassen und Euthanasie an behinderten Kindern und Jugendlichen. Die Gedanken und Wünsche, die die Mädchen daraufhin äußern, haben auch heute noch Gültigkeit.
So weit die Wolken ziehen ist sicher nicht der eindrücklichste Jugendroman, den ich zum Thema Nationalsozialismus gelesen haben (aber ich habe auch wirklich viele gelesen...), aber er veranschaulicht neben dem Thema der Landverschickung die unausweichliche Beeinflussung des Weltbild der Kinder und Jugendlichen. Selbst aus den unterschiedlichsten Hintergründen kommend, fügen sich alle der Prpaganda und nehmen das nationalsozialistische Gedankengut selbst dann noch als gegeben an, als ihnen die Wahrheit in der Realität vor die Augen tritt. Weil diese diese Vereinnahmung so tiefgreifend ist, fällt die plötzliche Notwendigkeit, selbst zu denken, zu sehen und zu handeln schwer.
Willi Fährmann, So weit die Wolken ziehen. Arena 2012.
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