Tayari Jones‘ Roman In guten wie in schlechten Tagen gewann 2019 den Women’s Prize for Fiction, ein Literaturpreis, der geschaffen wurde, um einen Kontrapunkt zu setzen gegen die Männerdominanz bei der Verleihung der großen Literaturpreise, obwohl oft deutlich mehr als 50% der Bücher von Frauen verfasst werden.
Während der deutsche Titel das Thema nur im übertragenen Sinne nennt, ist der originale Buchtitel eindeutig: An American Marriage. Eine Ehe, nämlich die von Roy und Celestial, wird auf die Probe gestellt, als Roy (als schwarzer Mann) unschuldig für eine Vergewaltigung verurteilt wird und ins Gefängnis muss. Ein weiterer wichtiger Charakter des Buches – neben den Eltern des Paares - ist der Nachbar und Freund der beiden, Andre. Man kann sich mit diesem Wissen den größten Teil des Plots bereits denken. Erzählt wird in Form von Briefen und abwechselnd aus der Ich-Perspektive der drei Protagonisten. Schlussendlich wird Roy doch freigesprochen und kehrt zurück zu den Ruinen seiner Ehe, deren Zukunft in einer Art Showdown entschieden wird.
Die Perspektivwechsel erlauben eine vielschichtige Wahrnehmung dieser unfassbar ungerechten Situation, in die alle Beteiligten durch Roys Verurteilung geraten. Zwar trägt er im Gefängnis eine andere Last als seine Ehefrau oder seine Eltern, aber die Tatsache beeinflusst mehr als ein Leben. Die Autorin versucht, die Entscheidungen aller durch die sehr persönliche Erzählweise plausibel zu machen und dies gelingt ihr auch weitgehend. Ich kann allerdings nicht sagen, dass ich deswegen ein größeres Verständnis für die Protagonisten erlangt habe, viele Überlegungen blieben für mich dennoch unplausibel bzw. sogar fragwürdig. Vor allem Celestials Gefühle gaben mir von Anfang bis Ende Rätsel auf. Beeindruckend sind in In guten wie in schlechten Tagen aber die Sinnfragen und gesellschaftlichen Fragen, die sich aus dem Roman heraus ergeben: Wie ist (beruflicher) Erfolg zu definieren? Was sind die richtigen Ziele? Wieso stellen sich manche Lebensziele aus afroamerikanischer Sicht so völlig anders dar? Was macht eine gute Ehe/Beziehung aus? Wieviel im Leben hängt vom richtigen Timing oder gar vom Zufall ab? - Diese Fragen mögen noch nachklingen, lange nachdem man den Roman beiseitegelegt hat, unabhängig von Plot und Charakteren. Und das ist eine ganz beachtliche Leistung der Autorin.
Tayari Jones, In guten wie in schlechten Tagen. Arche, Zürich 2019.
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