2021 wurde Abdulrazak Gurnah (geboren 1948 auf Sansibar) der Literaturnobelpreis verliehen. Daran anschließend wurden einige seiner Romane in Deutschland neu verlegt.
Das verlorene Paradies erschien im Original 1994, spielt im Tansania des frühen 20. Jahrhunderts und handelt von dem zwölfjährigen Yusuf, dessen Eltern ihn zur Bezahlung ihrer Schulden an einen arabischen Händler
übergeben, den er Onkel Aziz nennt. Durch seine Arbeit für Aziz lernt er verschiedene Landesteile und Kulturen in seinem Land kennen. Im Geplänkel der Männer untereinander erfährt Yusuf etwas über Religion und Glauben (nicht nur seinen eigenen muslimischen), die Brutalität der Stärkeren, insbesondere auch in Bezug auf Sklaverei und die Rücksichtslosigkeit der deutschen Kolonialisierung.
Frauen lernt er eher als mysteriöse, unverständliche Wesen kennen, die ihm scheinbar Verbotenes aufzudrängen scheinen. Doch erlauben die Umstände ihm nie, seine Beziehungen weiterzuentwickeln. Dabei wird er sich, je älter er wird und je mehr er erlebt und erfährt, sich seiner Unfreiheit bewusst. Auch er lebt als einer Art Sklave unter dem Regime seines angeblichen Onkels, auch wenn er dessen Garten lange als eine Art Paradies wahrnimmt. Die Geschichte endet plötzlich mit dem Auftauchen der deutschen Kolonialarmee, denen sich Yusuf anschließt, um seiner restriktiven Abhängigkeit zu entfliehen.
Das verlorene Paradies schildert eindrücklich die Zerrissenheit, aber auch die Vielfältigkeit des multikulturellen Landes Tansania (oder auch Deutsch-Ostafrika, später Tanganyika Territory...) kurz vor Beginn des ersten Weltkriegs. Zusammen mit Yusufs Erfahrungen über die Jahre hinweg erweitert sich auch der Blick des Lesenden auf Land und Leute und schärft den Blick auf Sklaverei und Kolonialismus. Interessant ist auch die immer wieder betonte Kultur des Geschichtenerzählens in einem Land mit wenig Bildung und hohem Grad von Illiteralität. Was ist die Geschichte hinter der Geschichte? Was sagt sie über den Erzählenden aus? Und so reiht sich Yusufs Geschichte ein...
Abdulrazak Gurnah, Das verlorene Paradies. Hörverlag 2021.
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