Sunday, July 09, 2023

Sarah Hall - Wie wir brennen

In Sarah Halls Roman Wie wir brennen erzählt uns die Bildhauerin Edith Harkness von ihrem Leben. Ausgangspunkt ist dabei ihr  bevorstehender Tod, denn sie ist mit einem Covid-ähnlichen Virus infiziert, für den es keine Heilung gibt. Obwohl sie die erste akute Phase überlebt hat, wird es sie bei der zweiten Erkrankng mit großer Wahrscheinlichkeit töten. Sie berichtet von ihrer ungewöhnlichen Kindheit mit ihrer Schriftsteller-Mutter, die ihre Identität wegen eines Aneurysmas verlor. Sie erzählt von ihren Erfahrungen während des Studiums, die ihr Schaffen prägten - mit einer besonderen Brenntechnik verändert sie die Struktur von Holz. Besonderen Raum nimmt die Liebesgeschichte zu Halit ein, der aber in ihrem Beisein an dem Virus gestorben ist. Danach ist alles anders, aber sie lebt weiter und kann sogar wieder arbeiten, allerdings mit einer veränderten Wahrnehmung der Welt und des Lebens. 

Sarah Hall schildert sehr eindringlich und teilweise sehr direkt. Die Ungeschminktheit der Sexszenen scheinen manche Leser abzustoßen, die Schilderung des Krankheitsverlaufs bei Halit sind zum Teil verstörend - besonders wenn man den zeitlichen Kontext berücksichtigt. Die Autorin verfasste den Roman während der akuten Phase der Covid-Pandemie. Das von ihr geschilderte Virus hat Ähnlichkeiten, vor allem auch in den gesellschaftlichen Auswirkungen des Lockdowns, aber ist brutaler und tödlicher in seinem Verlauf als Covid, und dadurch werden natürlich Ängste und Unsicherheiten befeuert. In Deutschland erschien der übersetzte Roman erst in diesem Jahr, 2023, und schon liegt alles in ferner Vergangenheit. Selten spricht man noch von Covid, Menschen, die mit den Spätfolgen zu kämpfen haben, erscheinen als geringe Minderheit. Und dachte man, das Virus könne vielleicht langfristig Gesellschaft verändern und Menschen zum Umdenken und zum Verschieben von Prioritäten bringen, so hat sich das weitgehend als Irrtum erwiesen. So liest sich der Roman vielleicht inzwischen eher als eine Art überstandene Utopie, trotz seiner realistischen Elemente. 

Sarah Hall, Wie wir brennen. Penguin, München 2023.

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