Saturday, February 01, 2025

Lauren Oliver - Delirium

Nope. Leider nein.
Die Grundidee von Delirium von Lauren Oliver ist milde interessant: Liebe ist eine Krankheit und in einem dystopischen Überwachungsstaat wird alles daran gesetzt, diese Krankheit auszurotten. Das Bildungssystem vermittelt dies rigoros, Jungen und Mädchen werden strikt getrennt und ihnen fast alle Optionen genommen, sich ungezwungen zu begegnen, und all das gipfelt in einem krassen physischen Eingriff, der allen die Fähigkeit zur Liebe nehmen soll. Daraufhin leben alle kastriert zufrieden mit ihren vom Staat ausgewählten Partnern. Natürlich gibt es die Querulanten, die Rebellen, die hier Invaliden heißen und draußen "in der Wildnis" leben. Unsere Protagonistin Lena steht kurz vor ihrem Eingriff und natürlich passiert, was passieren muss, sie begegnet Alex und verliebt sich. Was folgt ist ein langwieriges Hin und Her mit inneren und äußeren Konflikten, in dessen Verlauf sie einige Entdeckungen macht und schließlich eine Entscheidung für sich und ihr Leben trifft.
Für meinen Geschmack passte hier wenig zusammen. Die eigentlich linientreue Lena denkt und fühlt viel zu blumig, sucht praktisch nach den Lücken im System, nur um dann erschrocken zurückzuziehen und sich zu fürchten. Die Backgroundgeschichte um ihre Mutter ist unglaubwürdig, das Worldbuilding insgesamt eher lückenhaft. Nun, es war einmal wieder ein Fall von " the Popsugar reading challenge made me read this". And that's that.

Lauren Oliver, Delirum, Silberfisch 2011.

Friday, January 31, 2025

Andre Boße - Die drei ???

Der Reclam-Verlag hat eine Reihe "100 Seiten, 100 Bände". Einer dieser populär-kulturellen Bände wurde von André Boße über Die drei ??? verfasst und erschien 2022.
Auf den 100 Seiten beleuchtet der Autor das kulturelle Phänomen, dass die drei Fragezeichen inzwischen darstellen. Er beginnt mit den Schallplatten und Kassetten in der Kinderzimmern der 1970er Jahre, beschreibt die verschiedenen Phasen der Reihe (US-amerikanischer Ursprung, kommerzieller Erfolg in Deutschland) und beleuchtet einige Funfacts zu den Sprechern und Produzenten, Lieblingsfolgen und -themen. Gegen Ende hebt er hervor, dass die Reihe auch deshalb so erfolgreich ist, weil sie den Hörenden Sicherheit gibt. Nichts ändert sich, es gibt immer ein Happy Ende und die drei Detektive leben in einer permanenten Gegenwart. In einer Welt, die eher bedrohlich wirkt und in der die Zukungt ungewiss ist, kann die Welt der drei Fragezeichen ein Ruhepol sein. Das finde ich einen plausiblen Erklärungsansatz, seine Überlegungen zu möglichen Versionen, wie die Reihe enden könnte, sind entsprechend eher bedrohlich.
Ich fand den schmalen Band ganz unterhaltsam, vieles war mir als langjährigem Fan bekannt, aber der Autor hat sicher gut recherchiert und eine faire und umfassende Darstellung des Phänomens Die drei ??? versucht. 

André Boße, Die drei ???. Reclam 2022.

Thursday, January 30, 2025

Alan Gratz - Amy und die geheime Bibliothek

Amy und die geheime Bibliothek von Alan Gratz handelt von der eher zurückhaltenden Amy. In ihrer Familie zieht sie sich im Vergleich zu ihren beiden lauten Schwester eher zurück und natürlich liest sie viel. Plötzlich wird aber ihr Lieblingsbuch aus der Schulbibliothek verbannt – angeblich ist es ungeeignet für Grundschüler, respektlos und unmoralisch. Amy kann das nicht verstehen, doch in der Sitzung des Schulausschusses hat sie nicht den Mut, lautstark dafür einzutreten. Zusammen mit einigen Mitschüler:innen gründet sie daraufhin die G.S.B., die Geheime Schließfach-Bibliothek, bei der die verbannten Bücher heimlich ausgeliehen werden können. Natürlich fliegt die Bibliothek nach einer Weile auf und Amy und ihre Freund:innen müssen einen anderen Weg finden, ihr Grundrecht auf Zugang zu Büchern einzufordern.
Sehr einfühlsam beschreibt der Autor den innen und äußeren Konflikt Amys. Eigentlich widerspricht der Kampf gegen die Autoritäten ihrem Wesen, aber sie lernt, dass es sich lohnt, für andere einzutreten, nicht vorschnell zu urteilen und nicht aufzugeben. Das Happy End ist sensibel herbeigeführt, ohne Feindbilder zu schaffen, und sehr anrührend. Zum Glück gibt es ein solches Book-Banning wie in den USA in Deutschland nicht und (Schul-) Bibliotheken sind ein Raum der Freiheit und der Möglichkeiten, aber dennoch ist die Botschaft des Romans für alle wichtig. 

Alan Gratz, Amy und die geheime Bibliothek. Hanser 2019.

Wednesday, January 29, 2025

Eileen Garvin - Die Melodie der Bienen

In Eileen Garvins Roman Die Melodie der Bienen finden sich drei sehr unterschiedliche Charaktere unter ungewöhnlichen Umständen zusammen. Für alle drei stellt sich dies als Glücksgriff heraus und sie fassen wieder Fuß in ihrem Leben, das vorher aus sehr verschiedenen Gründen aus dem Lot gekommen war. 

Als Alices Mann unerwartet stirbt, zieht sie sich völlig zurück. Sie leidet unter Panikattacken und nur ihre Bienen, die sie als Hobby auf ihrem abgelegenen Grundstück hält, trösten sie. Sie träumt aber davon, von ihren Bienenstöcken und dem Honig leben zu können.
Der jugendliche Jake sitzt seit einem Unfall im Rollstuhl. Seine Trompete fasst er nicht mehr an, er fürchtet sich vor seiner Zukunft und weiß nichts mit sich anzufangen.
Der schüchterne Harry hat sich nach einer Gefängnisstrafe bei seinem kranken Onkel verkrochen. Er traut sich selbst kaum etwas zu, muss aber einen Job finden, als sein Onkel stirbt.
Eine Verkettung mehrerer Ereignisse führt dazu, dass die beiden jungen Männer zu Alice auf die Farm ziehen: Jake hat vom ersten Tag an ein besonderes Verhältnis zu den Bienen, während Harry, der als Hilfsarbeiter dazukommt, langsam auftaut und Selbstvertrauen aufbaut. Doch das Idyll wird schnell bedroht, als eine Firma durchdrücken will, dass im gesamten Ort, der von Obstplantagen lebt, ihre Pestizide genutzt werden sollen, die nachweislich schlecht für Gewässer und vor allem für die Bienen sind. Plötzlich kündigt Alice ihren Job, stellt wieder Kontakte zu alten Freunden und Bekannten her und wird Teil der Bürgerbewegung gegen die Pestizidverschmutzung.
Eingestreut in den Roman sind kleine Abschnitte mit Faktenwissen über Bienen, während die  Erzählperspektiven gleichmäßig zwischen den drei Protagonisten aufgeteilt sind. Die Charaktere sind liebenswert, unkonventionell, aber nicht zu sehr, belastet durch das, was ihnen geschehen sind, aber nicht jenseits aller Heilung. Und Heilung geschieht unter der Prämisse von Freundschaft, Verständnis und Freundlichkeit. Kritisch mag man anmerken, dass sowohl der Konflikt als auch die Lösungen - für den Konflikt als auch für die drei Protagonisten - vorhersehbar sind. Hier passiert wenig Überraschendes, manches ist auch ein bisschen rosarot. Es ist ein Wohlfühlroman durch und durch, aber angenehm geschrieben, nicht zu kitschig (naja, schon ein bisschen kitschig), der einen hoffen lässt, dass es doch Menschen gibt, die anderen Menschen Gutes wollen und ihnen Gutes tun. 

Eileen Garvin, Die Melodie der Bienen. Osterwold 2022.

Wolfgang und Heike Hohlbein - Dreizehn

1995 erschien Dreizehn, ein über 500 Seiten starker Fantasy-Schmöker des Autoren-Duos Wolfgang und Heike Hohlbein. Zusammen verfassten die Eheleute zahlreichen Fantasy-Reihen (über 200 Romane), die sich einiger Beliebtheit erfreuten. 

Dreizehn erzählt die Geschichte von Thirteen, einem 12jährigen Mädchen, das gerade seine Eltern verloren hat. Auf dem Weg zu ihrem ihr unbekannten Großvater erlebt sie das erste Mal seltsame Dinge: Sie sieht Dinge, die andere nicht sehen, und es öffnen sich Türen, die eigentlich nicht da sind. Am Haus des Großvaters angekommen, gehen die mysteriösen Vorkommnisse weiter und werden immer bedrohlicher. Sie weiß nicht, wem sie trauen kann und wem nicht. Passagenweise spielt der Roman auf verschiedenen Bewusstseins-/Daseins-Ebenen. Alles spitzt sich auf die Nacht von Thirteens dreizehntem Geburtstag hin zu, bei dem es ihre Aufgabe ist, den Fluch, der auf dem Haus des Großvaters liegt, zu brechen. 

In dieser Zusammenfassung klingt Dreizehn nach einer spannenden Abenteuergeschichte mit mystischen Elementen. Anfangs war ich auch  noch ganz angetan von den Parallelwelt-Phänomenen und dem Setting. Thirteen selbst ist allerdings kein besonders ansprechender Charakter. Immer wieder tappt sie in die gleichen Fallen, wiederholt gescheitertes Verhalten, was zu diversen Erzählschleifen im Roman führt, die den Plot nicht voranbringen. Ihre kläglichen Versuche, mehr über diese ungewöhnliche Situation herauszufinden, führen ebenfalls nirgendwohin, werden erzählerisch (!) abgeblockt. Die Auflösung fällt dann irgendwo bei Seite 500 vom Himmel. Und selbst dann wird nicht erklärt, wie genau der Fluch gelöst werden kann. Sie tut es dann einfach, irgendwie. Ergo schlechtes, unbefriedigendes Ende. Die übrigen Charaktere bleiben relativ flach, obwohl sie Potential gehabt hätten, sie fungieren eher als Helfer und lustiger Sidekick. Die Flederratte Wusch hat mir noch am besten gefallen, weil sie sowohl emotionale Tiefe als auch Humor hatte, sogar mehr als Thirteen, fürchte ich. Mehr als einmal war ich kurz davor, diesen Roman abzubrechen, da ich schon mit einem schlechten Abschluss rechnete. Definitiv nichts, was man gelesen haben müsste, vielleicht hat Hohlbein da andere, bessere Romane zu bieten.

Wolfgang und Heike Hohlbein, Dreizehn. Ueberreuter, Wien 2012.

Saturday, January 25, 2025

M.V. Carey - Die drei Fragezeichen und die singende Schlange

M.V. Carey (1925-1994) ist eine amerikanische Schriftstellerin, die in den 1970er und 1980er Jahren etwa 15 Bände für die "Three Investigators"-Reihe verfasste. In der Reihe der deutschen Hörspiele ist Die drei Fragezeichen und die singende Schlange der Band 25.

Die in der Nachbarschaft wohnende Allie bittet Justus, Peter und Bob um Hilfe, denn ihre Tante hat einen merkwürdigen Mann namens Asmodi in ihr Haus einziehen lassen. Bei den okkulten Versammlungen Asmodis ertönt der grässliche Gesang einer tanzenden Schlange. Doch es geht um mehr, denn diese Gemeinschaft ruft auch noch den Teufel an, um den Gegnern einzelner Mitglieder Schaden zuzufügen. Was steckt dahinter? Und auf wessen Seite steht eigentlich der merkwürdige Bentley, den Allie kurzerhand als Haushaltshilfe eingestellt hat?
Der Roman ist an manchen Stellen ausführlicher und komplexer als das Hörspiel. Vor allem das Ende zeigt noch deutlicher die psychischen Auswirkungen, die der Kult auf Allies Tante hat. So muss erst noch eine "weiße Zauberin" gerufen werden, die den bösen Zauber der Schlange für sie aufhebt. Hier lesen wir geflissentlich darüber hinweg, dass diese Zauberin eine Zigeunerin ist (das Original erschien 1972). Das fügte sich gut zusammen mit der Rolle Bentleys und klärt dadurch über die Wirkungsweise von Aberglauben und schwarzer Magie auf. 

M.V. Carey, Die drei Fragezeichen und die singende Schlange. Kosmos 2014.

Friday, January 24, 2025

Chuck Palahniuk - Fight Club

Chuck Palahniuks Fight Club erschien 1996 und erlangte eine größere Wahrnehmung, als 1999 der gleichnamige Film von David Fincher (in den Hauptrollen Brad Pitt, Edward Norton, and Helena Bonham Carter) erschien und der recht populär wurde, aber auch kontrovers diskutiert wurde.
Den Film hatte ich irgendwann einmal gesehen, aber über weite Teile hatte sich schon der Mantel des Vergessens gelegt. Als das Seifekochen das erste Mal im Roman auftauchte, erinnerte ich mich wieder an einiges mehr. Überflüssig zu sagen, dass ich auch überhaupt kein Fan von den detaillierten Beschreibungen der Kampfszenen und der zugezogenen körperlichen Schäden war. Interessanterweise hatte ich auch die Schlaflosigkeit des Protagonisten und damit den erzählperspektivischen Kniff vergessen. Die Extremität der Wut auf die Gesellschaft und die Organisiertheit des zerstörerischen Terrors (Widerstand mag ich es nicht nennen) hat mich entsprechend verstört. Das alles war kein Spaß und ich war froh, als das Audiobook zuende war. Trotzdem muss man dem Roman wohl eine gewisse Relevanz in seinem zeitlichen Kontext geben, aber als Frau gehöre ich nicht zur Zielgruppe und weite Teile der Erzählung sind für mich schlichtweg physisch und moralisch abstoßend.

Chuck Palahniuk, Fight Club. Random House Audio 2007.

Thursday, January 23, 2025

Louise Erdrich - Schattenfangen

In Schattenfangen (im Original Shadow Tag, 2010) erzählt Louise Erdrich die Geschichte einer scheiternden Ehe. Gil und Irene stammen beide von Native Americans ab, waren Einzelkinder und zerrüttete Familien, Sie haben gemeinsam drei Kinder. Gil ist ein erfolgreicher Maler, dessen Hauptsujet seine Frau ist. Irene sitzt im Modell, während sie Doktorarbeit vernachlässigt. Beide trinken zuviel. Im Laufe der Jahre und wohl auch durch die Kinder hat sich die Liebe der beiden verändert. Während Gils Bilder diese Veränderung offensichtlich zeigen, will er selbst das nicht wahrhaben und klammert sich an Irene. Er leidet unter Wut- und Gewaltausbrüchen, nicht nur Irene, sondern auch den Kindern gegenüber, er ist misstrauisch. Als Irene merkt, dass er heimlich ihr Tagebuch liest, kommt sie auf die perfide Idee, ihn damit zu manipulieren. Sie schreibt in ein neues blaues Tagebuch ihre wahren Gefühle, während sie Gil durch das alte rote Tagebuch mit Informationen füttern, die ihr gerade gefallen. Auch wenn sich die Geschichten darin widersprechen, glaubt Gil daran und reagiert entsprechend. Alkohol und Gewalt führen dazu, dass beide und vor allem auch die drei Kinder zunehmend unter der Situation leiden. Immer öfter spricht Irene von Trennung und bittet Gil wieder und wieder darum, aber die Situation muss sich noch weiter verschlechtern, bis sie schließlich zu einem Anwalt geht. Gil versucht sich mit Alkohol umzubringen, beginnt dann aber doch eine Therapie. 
Liebe und Hass geben sich durch den ganzen Roman hindurch die Hand, Schuldgefühl, Missgunst, Verzweiflung, es ist eine Fülle von Emotionen, die man durchschreitet beim Lesen. Das Ende kommt etwas überraschend, ist aber eine logische Konsequenz des Vorangegangenen. Zahlreiche Bezüge zu Kunst und Literatur der Native Americans reichern den Text zusätzlich an.
Wenngleich Schattenfangen auf den ersten Blick ein Roman über eine gescheiterte Beziehung ist, so sind die knapp mehr als 200 Seiten so voller Emotionen, dass es fast zu viel ist. Ich glaube, das muss erst einmal sacken. Louise Erdrich ist definitiv eine beachtenswerte, spannende Autorin. 

Louise Erdrich, Schattenfangen. Aufbau 2023.

Linda Castillo - Teuflisches Spiel

In ihrem fünften Fall Teuflisches Spiel wird Kate Burkholder wieder an ihre eigene Vergangenheit erinnert. Ausgerechnet die Familie ihrer ehemaligen besten Freundin Mattie ist von einem tödlichen Unfall betroffen. Gegen das heranrasende Auto hatte der Buggy keine Chance, Vater und zwei der drei Kinder sterben. Während zunächst Trauer und Mitleid vorherrschen, bestätigt sich schon bald der Verdacht, dass der Unfall absichtlich herbeigeführt wurde. Doch wer würde der amischen Familie schaden wollen? Kates Hartnäckigkeit und ein bisschen Zufall führen schließlich zur entsetzlichen Wahrheit und der Aufklärung des Falls. Natürlich nicht ohne eine entsprechenden, lebensgefährlichen Showdown, den man schon von den vorangegangen Fällen gewohnt ist.
Teuflisches Spiel war sehr persönlich in Bezug auf die Protagonistin Kate auf, die Rückblende zu ihrer Freundschaft mit Mattie fügt dem Bild eine neue Facette hinzu. Der Fall hingegen hat mir weniger gut gefallen, vor allem die Auflösung und der Showdown hatten eher absurde Elemente, als dass es den Fall zu einem runden Ende gebracht hätte. Trotzdem gefällt mir die Reihe wegen ihres Kleinstadtflairs, der Charaktere und dem noch nicht abgenutzten amischen Bezug. 

Linda Castillo, Teuflisches Spiel. Argon 2014.

Tuesday, January 21, 2025

Jeffrey Eugenides - Air Mail

Natürlich wollte ich Air Mail von Jeffrey Eugenides lesen. Schließlich hatte ich schon Middlesex, Die Selbstmord-Schwestern und Die Liebeshandlung von ihm gelesen. Dennoch rutschte mir der schmale Band mit den drei Kurzgeschichten immer wieder durch den SuB nach unten. Ich lese Kurzgeschichtenbände nicht so gern, einfach weil ich zu oft in Welten hinein- und hinausgerissen werden. Ja, das ist der Sinn von Kurzgeschichten, aber manchmal nervt es trotzdem, weil man eigentlich länger bleiben wollte.
Das ist mir bei Air Mail, Die Bratenspritze und Timesharing nicht so gegangen. Man könnte jetzt in jeder dieser Geschichten ein dünnes, fadenscheiniges Haar in der Suppe finden, im Sinne von "zu esoterisch", "ein wenig moralisch abstoßend" oder "und jetzt?" - aber insgesamt waren Suppe und Einlagen (Plot, Setting, Charaktere) sehr gut erdacht und haben Freude beim Lesen gemacht. Diese leicht andersartigen Figuren des Autors bewegen sich in einer unfassbar oberflächlichen Welt, die sich in ihrem Erleben selbst ad absurdum führt. Klare Empfehlung, auch wenn es acht Jahre gedauert hat, bis ich es endlich gelesen habe. 

Jeffrey Eugenides, Air Mail. rororo, Reinbek 2005.

 


Monday, January 20, 2025

Stefan Aust - Der Bader Meinhof Komplex

Stefan Austs Der Bader Meinhof Komplex ist in der Buchform das umfassendste Werk zu Geschichte der Roten Armee Fraktion (RAF) und der Autor hat auch nach der Veröffentlichung weiter recherchiert und sein Werk aktualisiert. Trotz meinem grundsätzlichen Interesse an deutscher Geschichte habe ich aber lieber zu dem kürzeren Audiobook gegriffen, das mit zahlreichen Originalmitschnitten und Interviews ausgestattet ist. Das macht die Geschichte der zentralen Figuren der RAF sehr lebendig und nachvollziehbar. Dabei zeigt Stefan Aust die menschlichen Dynamiken und persönlichen Schicksale auf, während er zugleich sachlich das Handeln der Bundesregierung und der Gerichte schildert. Bei den Darstellungen der Inhaftierung kann man aus heutiger Sicht nur mit dem Kopf schütteln, vieles scheint diesbezüglich unverständlich und wirft Fragen auf. Insgesamt war diese zusammenfassende Darstellung sehr informativ und vielschichtig. 

Stefan Aust, Der Bader Meinhof Komplex. Hoffmann und Campe 2008.

Julia Deck - Viviane Élisabeth Fauville

Viviane Élisabeth Fauville geht es nicht gut. Sie ist gerade mit ihrem Baby bei ihrem Mann ausgezogen und kämpft mit ihren Panikattacken und anderen psychischen Problemen. Wie gravierend diese sind, verdeutlich die Autorin Julia Deck auf ungewöhnliche Weise. Sie bleibt als Erzählperspektive zwar durchgehend bei Viviane, aber wechselt die Pronomen. sie, ich, Sie... all das verschwimmt und besonders das interne Siezen tritt auf, wenn sie ihre eigene Realität nicht mehr klar definieren kann. Natürlich hängen ihre Wahrnehmungsprobleme mit ihren psychischen Erkrankungen zusammen, wie man am Ende des Romans auch noch aufgeklärt wird (was nicht nötig gewesen wäre). Der auf dem Klappentext angekündigte Kriminalfall ("Ein Mord ist geschehen.") ist im Grunde nicht essentiell. Der Mord ist zwar treibende Kraft für die durch Paris irrende Viviane, aber auch der könnte schlussendlich gar nicht geschehen sein. Tatsächlich ist Vivianes Psychiater tot und in ihren Wirrungen versucht Viviane ihre eigenen Handlungen und die der anderen Beteiligten nachzuverfolgen. Ihre Ermittlungen führen aber nicht voran, die Auflösung erzielt die Polizei, fernab der Geschehnisse. Als Krimi taugt Viviane Élisabeth Fauville also kaum. Als Innensicht einer zutiefst bedrängten Frau, die dennoch versucht, ihren Weg zu gehen, nimmt Julia Deck ungewöhnliche Wege, am verstörendsten dabei noch die Schilderung der Beziehung zu ihrem Baby, das keinen Namen hat und fast wie Möbiliar abgestellt wird, wenn Viviane durch die Straßen Paris irrt. Die detailreichen Schilderungen von Straßen und Pariser Milieu haben mir weniger gefallen, passen aber auch zu der veränderten Wahrnehmung Vivianes, die Details hyperpräsent hat, aber wesentliche Zusammenhänge verpasst. Insgesamt bin ich nicht begeistert, aber es war literarisch eine interessante Leseerfahrung. 

Julia Deck, Viviane Élisabeth Fauville. Wagenbach, Berlin 2013.

Sunday, January 19, 2025

Gavin Extense - Das unerhörte Leben des Alex Woods

Das unerhörte Leben des Alex Woods von Gavin Extense beginnt mit der skurillen Szene, dass der gerade 18jährige Alex an der britischen Grenze gestoppt wird und er eine Urne mit der Asche seines besten Freundes und, nunja, auch noch ein bisschen was von dessen Marihuana dabei hat. Wenn wir am Ende des Romans zu dieser Szene zurückkehren, habe wir eine emotionale Rollercoaster-Fahrt hinter uns, voller Unwahrscheinlichkeiten und Poesie. Alex Woods leidet unter epileptischen Anfällen, was eine Folge davon ist, dass ein ziemlich großer Meteorit in sein Zuhause eingeschlagen ist, was er auf wundersame Weise überlebte. Durch dieser Ereignis und seine länger anhaltende Genesungsphase verliert er den Anschluss an seine Mitschüler und wird zum Mobbingopfer. Auf der Flucht vor seinen Peinigern landet er im Garten von Mr. Petersen und eine unwahrscheinliche Freundschaft nimmt seinen Lauf. Alex' Interesse an verschiedenen ungewöhnlichen Themen paart sich mit Petersens Liebe zu Kurz Vonnegut. Doch dann stellt sich heraus, dass Petersen unheilbar krank ist und nach einem gescheiterten Selbstmordversuch mit Tabletten, lassen sich beide auf einen ungewöhnlichen Deal ein. Als Petersens Krankheit für ihn unerträglich wird, reisen die beiden in die Schweiz, damit Petersen dort sein Leben beenden kann. 

Das unerhörte Leben des Alex Woods ist ein sehr emotionales und humorvolles Buch. Alex kennt seine eigenen Schwächen genau, schämt sich ihrer nicht, und kann die Schwächen anderer auf eine Weise hinnehmen, die bewundernswert ist. Er urteilt kaum, sucht Strategien, um auch mit widrigen Gegebenheiten zurechtzukommen. Einziger Kritikpunkt kann sein, das er bis zur Unglaubwürdigkeit moralisch integer ist. Kann ein so junger Mensch dies leisten? Zu gut, um wahr zu sein? Es hat mich nicht gestört. Auch die übrigen Charaktere sind ein bisschen übertrieben, überzogen dargestellt: der grantelige Mr. Petersen mit dem weichen Herz, die schräge Ellie, die alles anders machen muss, die esoterische Mutter von Alex...  Doch insgesamt hat mich die Geschichte berührt, zum Lachen und zum Weinen gebracht. Leseempfehlung. 

Gavin Extense, Das unerhörte Leben des Alex Woods. Random House Audio 2014.

Saturday, January 18, 2025

Andrew Sean Greer - Mister Weniger

Mister Weniger von Andrew Sean Greer erzählt von der Reise des mittelmäßig erfolgreichen Autors Arthur Weniger (der Originaltitel Less ist irgendwie das schönere Wortspiel). Arthur will nicht zur Hochzeit seines Ex-Freundes Freddy und nimmt deswegen alle möglichen Einladungen zu Symposien, Preisverleihungen und sogar eine Gastprofessur in verschiedenen Ländern rund um die Welt an, Geld hat er eigentlich kaum und sein letzter Roman wurde von seinem Verlag abgelehnt. Unterwegs sinniert er über das Leben, sein Alter (fast 50) und die Liebe. Natürlich ist klar, dass er Freddy zurückhaben will, auch wenn er das noch nicht einmal vor sich selbst zugeben kann. Er trifft allerdings schräge und auch mäßig interessante Menschen, von denen er stückchenweise etwas lernen kann, vor allem auch, dass die Liebe nicht immer in der Form daherkommt, in der wir sie gern hätten.
Schön und gut.
Aber was genau daran ist jetzt so außergewöhnlich, dass dieses Werk 2018 einen Pulitzer-Preis bekam? Ich verstehe es tatsächlich nicht. Es wurde in der Stadtbibliothek meiner Wahl unter Humor/Satire einsortiert. Ich finde das Buch eher tragisch, ganz und gar nicht witzig. Nimmt es den scheiternden Autor auf die Schippe, indem es bestimmte Dinge überspitzt? Sicherlich, aber wirklich zum Lachen ist das nicht. Ich habe zwei Erklärungen: Entweder ist hier in der Übersetzung (Tobias Schnettler) einiges verloren gegangen oder funktioniert im Deutschen einfach nicht so ganz oder es ist einfach überhaupt nicht mein Humor. Und ganz sicher war es für mich keine "erfrischend andere Liebeskomödie", es war über weite Passagen eher ein Trauerspiel und die 330 Seiten zogen sich zäh in die Länge, zumal das Ende zu erwarten war. Ich habe das Buch nicht genießen können und bin froh, es jetzt wieder abgeben zu können.

Andrew Sean Greer, Mister Weniger. Fischer, Frankfiurt am Main 2018.

Sunday, January 12, 2025

Sarah Pearse - Das Sanatorium

Das Sanatorium von Sarah Pearse ist ein weiterer "Locked Room"-Thriller über den ich leider nichts Gutes schreiben kann. Protagonistin Elin, eine psychisch angeschlagene britische Polizistin, reist mit ihrem Partner in ein neues Luxushotel in den Schweizer Alpen, um der Verlobungsfeier ihres entfremdeten Bruders beizuwohnen. Sie will auf keinen Fall dort sein aus einer ganzen Reihe von Gründen. Während der Evakuierung des Hotels wegen eines Schneesturms taucht die erste Leiche auf, weswegen einige Angestellte und Gäste im Hotel verbleiben müssen. Allen Wahrscheinlichkeiten und Regularien zum Trotz überträgt die Schweizer Polizei Elin telefonisch einige Ermittlungen, in die sie sich Hals über Kopf, aber komplett ohne Verstand stürzt. Die inneren Monologe zu ihren Überlegungen, was wie zusammenhängen könnte, sind schmerzhaft. Sie kommt eigentlich nur weiter, wenn die nächste Katastrophe (Leiche) auftaucht und sie quasi über Beweise stolpert (gern in Form von Briefe, USB-Sticks, Mappen mit Dokumenten). Dabei hat die Autorin Spaß daran, Elin mehrfach völlig falsche Schlussfolgerungen ziehen zu lassen, während diese Leserin nur mit den Augen rollen konnte. Am Schluss war das alles extrem schwer zu ertragen, vor allem auch, wie x-mal eine Art Ahnung in ihren Augenwinkeln aufblitzt, um dann gleich wieder zu verschwinden (Chlorgeruch.) Mich hat die (unfassbar unpassende) Auflösung dann wirklich überhaupt nicht mehr interessiert. Andere No-Gos: Der Epilog mit dem herbeigezwungenen Hinweis auf einen Folgeband, die miese Aufklärung um den verstorbenen Bruder der Geschwister (Nebenbeitrauma, das keiner ernstnimmt?!), der plötzliche Verlust ihrer Ängste/Panikattacken, das beliebige Hin und Her bei den Motiven (historisch, persönlich...), um hinterher eine bekloppte Mischung als Gründe für die Morde zu präsentieren... argh!
Ich höre jetzt auf und ende mit meiner Empfehlung: Auf gar keinen Fall lesen!

Sarah Pearse, Das Sanatorium. Der Hörverlag 2020.

Senne: Vom Dalbker Teich zum Schopketal

Eigentlich startet die Tour 2 "Vom Dalbker Teich zum Schopketal" aus Faszinierende Senne zu Fuß am Dalbker Krug, sie kann in zwei kürzeren Teiletappen gegangen werden, ich bin etwas weiter nördlich eingestiegen und beide Schleifen gegangen (10 km). Wegen der Wetterlage (Schnee, übergefrorenes Eis) war die Strecke zum Teil etwas rutschig, trotzdem war die reine Gehzeit aufgrund der geringen Höhenunterschiede bei 2:16. Die erste Schleife führt an Felder, Weiden und Höfen vorbei, dann der Teuto inklusive einem kurzen Stück auf dem Hermannsweg, bis man auf dem Rückweg dann schließlich am Menkhauser Bach, genannt Schopke, entlanggeht.


Thursday, January 09, 2025

Frank Herbert - Dune - Der Wüstenplanet

Es ist nicht so, dass ich Dune - Der Wüstenplanet von Frank Herbert nicht mochte. Ich kann klar erkennen, warum dieser Roman ein Meilenstein der Science Fiction Literatur ist. Ich sehe, wie faszinierend es ist, in dieser fremden Welt mit Technologien, Mythen und mentaler Stärke unterwegs zu sein. Nicht zu vergessen die Würmer, natürlich. Herberts Entscheidung, diese Dinge dennoch in den Hintergrund von menschlichen Intrigen und Abgründen aller Art zu stellen, ist erstaunlich bei einem Science Fiction Roman von 1966. Kurz gesagt, das Werk ist vielschichtig. Damit ist es leider auch ein wenig anstrengend. Ich hatte ständig das Gefühl, irgendeine entscheidende Bedeutungsebene zu versäumen, während ich die Handlung dennoch nicht sonderlich spannend fand. Vielleicht ist es als Audiobook auch einfach schwieriger, alle Namen, Handlungsorte und Verschwörungsstränge im Kopf zu behalten. Ich habe weit über die Hälfte angehört, verabschiede mich nun hochachtungsvoll und lasse das Buch nun ziehen. Vermutlich kann ich mich jetzt auf die beiden neuen Verfilmungen besser einlassen.

Frank Herbert, Dune - Der Wüstenplanet. Random House Audio 2020.

Saturday, January 04, 2025

Rebecca Yarros - Iron Flame

Nach Fourth Wing ist Iron Flame der zweite Band der Drachenreiter-Reihe von Rebecca Yarros. Die über 900 Seiten versprachen von vornherein eine ausufernde Geschichte. Ich mochte im ersten Band die von der Autorin erdachte Drachendynamik und auch die Drachen selbst waren interessant. Weniger mochte ich das ständige emotional und sexuell aufgeladene Hin und Her der Protagonisten Violet und Xaden. Und wie es kommen musste: In Iron Flame streiten sie ständig (immer um dasselbe) und haben danach Sex, der beide um das bisschen Verstand bringt, das sie haben. Denn obwohl Violet so clever ist (eigentlich sollte sie ja Schriftgelehrte werden) braucht sie doch oft sehr lange, um die Zusammenhänge zu begreifen. Auch wenn in diesem Band einige Dinge aufgeklärt werden, bleiben die Lücken der Geschichte dieser Welt bestehen, wodurch Handlungszusammenhänge etwas holprig bleiben. Auch das mit der Magie der Drachen und Drachenreiter bleibt schwammig und wird immer nur dann weiter erklärt, wenn Violet gerade mal wieder ein bisschen mächtiger werden muss. Dazwischen wird ihr immer schlecht, wenn es brenzlig wird. Die Folterszenen sind für mich unverständlich geblieben. Von Xaden will ich gar nicht erst sprechen. Die übrigen Charaktere bleiben weiterhin blass und entwickeln sich kaum weiter, dabei hätte in Jesinia oder Cat sicherlich Potenzial gesteckt. Der Showdown und der Cliffhanger am Schluss überzeugen mich wenig und aufgrund der schieren Länge und den zähen Wiederholungen immer ähnlicher Dialoge mit zu wenig plausibler Handlung bezweifle ich, dass ich mir den nächsten Band antun werde. An Iron Flame hat mir insgesamt sehr wenig gefallen. Schade. 

Rebecca Yarros, Iron Flame. dtv 2023.

Friday, January 03, 2025

Taylor Jenkins Reid - Malibu Rising

Malibu Rising von Taylor Jenkins Reid (Original aus dem Jahr 2021) erzählt die Familiengeschichte der fiktiven Familie Riva aus verschiedenen Perspektiven und mit zahlreichen Rückblenden.
Im Jahr 1983 wohnt Nina Riva in einem schicken Haus auf den Klippen von Malibu und es ist der Tag ihrer alljährlichen großen Party, bei der alle Schönen und Berühmten aufkreuzen. Nina und ihre Geschwister sind berühmt, einerseits weil ihr Vater der berühmte Sänger Mick Riva ist, andererseits weil sie Surfstars sind. Nina verdient ihr Geld als Supermodel in knappen Surfklamotten, Jay ist Surfweltmeister, Hud steigt zum bekannten Fotografen auf und auch die kleine Kit hat großes Surftalent. Zusätzlich zu ihrem gemeinsamen Schicksal, dass der berühmte Vater ihre Mutter gleich zweimal sitzengelassen hat und auch ihre Mutter früh verstarb, tragen alle auch noch ihre persönlichen Geheimnisse und verborgenen Bedürfnisse mit sich herum.
Während die Party im Haus ihren Lauf nimmt und zunehmend eskaliert, setzen sich die Familienmitglieder mit sich und ihren Beziehungen auseinander, um allesamt gestärkt und mit neuen Perspektiven in die Zukunft zu starten.
Malibu Rising hat mir gut weitgehend gefallen. Zwar haben nicht alle Charaktere große Tiefe, aber ihre Entwicklung und Interaktion ist plausibel. Man weiß, dass am Ende des voranschreitenden Tags eine Katastrophe droht, das wird bereits auf den ersten Seiten klar, doch es ist eine Form von Katharsis mit einem "Happy End". Der Roman ist keine literarische Offenbarung und nicht so gut wie Die sieben Männer der Evelyn Hugo, aber es hat mich gut unterhalten.  

Taylor Jenkins Reid, Malibu Rising. Audio Verlag München 2023.