Thursday, July 31, 2014
Andrea Maria Schenkel - Täuscher
Das Konzept für diesen historischen Kriminalroman ist dasselbe wie für die vorangegangenen der Autorin, Tannöd, Kalteis und Finsterau: Es kommen verschiedene Personen mit ihren polizeilichen Aussagen oder Gedanken zu Wort. Zusammen mit der Täterperpektive ergibt sich dann ein umfassendes Bild des Falles. Dabei ist der Täter oder zumindest der Täterkreis bereits sehr eingeschränkt, so dass der Leser eher an dem wie interessiert sein muss als an dem wer.
In Täuscher ahnt man entsprechend auch sofort, dass mit dem Hauptverdächtigen, Bürstenfabrikantensohn Hubert Täuscher, nicht der wahre Täter vor Gericht steht. Der Name ist zwar Programm, denn der Protagonist täuscht seine Mitmenschen in vielerlei Hinsicht, lässt sich aber auch selbst täuschen, bzw. manipulieren, so dasss der Falsche für den brutalen Doppelmord zur Rechenschaft gezogen wird. Nach und nach wird der Tathergang in kurzen Episoden von Täuscher selbst erzählt, allerdings überwiegen in der Summe des Textes die Stimmen der Zeugen und der Ermittelnden.
Im Gegensatz zu Finsterau, in dem die Armut der Protagonisten und die bedrückende Atmosphäre im Vordergrund standen, kommt in Täuscher dieses Gefühl der Anteilname nicht auf. Die Protagonisten bleiben flach und sind nahezu alle unsympathisch, das episodische Erzählen und die Zeitsprünge gerade am Anfang sind dabei auch nicht hilfreich. Am interessantesten ist vielleicht noch die Darstellung, wie im frühen 20. Jahrhundert kriminalistisch vorgegangen wurde und in welcher Form bereits psychologische Überlegungen in den Strafprozess eingingen - wobei dies ja leider nicht zu korrekten Ergebnissen führt.
Andrea Maria Schenkel, Täuscher. Hoffmann und Campe 2013.
Tuesday, July 29, 2014
Blick für Kleinigkeiten
Die meisten Menschen wissen gar nicht, wie schön die Welt ist,
und wie viel Pracht in den kleinsten Dingen,
in irgendeiner Blume, einem Stein, einer Baumrinde oder einem Birkenblatt
sich offenbart.
Die erwachsenen Menschen,
die Geschäfte und Sorgen haben und sich mit lauter Kleinigkeiten quälen,
verlieren allmählich ganz den Blick für diese Reichtümer,
welche die Kinder, wenn sie aufmerksam und gut sind,
bald bemerken und mit dem ganzen Herzen lieben.
Rainer Maria Rilke
Monday, July 28, 2014
Bookie Monster
One of my happy cards from my paperchase visit this month in London.
It's now on its way to a new postcrosser in Hungary.
Thursday, July 24, 2014
Monday, July 21, 2014
Simon Beckett - Der Hof
Simon Becketts neuer Thriller Der Hof spielt in Frankreich auf einem abgelegenen und heruntergekommenen Bauernhof. Der Protagonist Sean, ein Engländer, ist auf der Flucht vor seiner Vergangenheit und nachdem er sich auf dem Gelände des Hofes schwer verletzt, bleibt er dort, um sich zu erholen und zu verstecken. Dabei ist das Auskommen mit den Hofbewohnern nicht einfach. Mathilde, die ihn pflegt, hat einen unehelichen Sohn, dessen Vater verschwunden ist. Die jüngere Gretchen drängt sich Sean nahezu verzweifelt auf, er geht aber nicht darauf ein. Der Herr des Hofes, Arnaud, ist ein unangenehmer Mensch, der zu Wut- und Gewaltausbrüchen neigt. Die gesamte Familie versucht ihre Geheimnisse zu verbergen, doch Sean wird immer mehr hineingezogen.
Parallel werden in Rückblenden die Ereignisse geschildert, die zu Seans Flucht aus London geführt haben.
Das Ungewöhnliche an Der Hof ist, dass man zwar weiß, dass man einen Kriminalroman in der Hand hält, es riecht auch alles nach Verbechen und sogar nach Mord, aber es gibt zunächst keine Straftat. Erst nach und nach streut Beckett erste Hinweise ein, worum es vielleicht gehen soll - dafür ist der Täterkreis von Anfang an bekannt, da der Roman auch insgesamt mit nur diesen wenigen Charakteren auskommt. Diese bleiben lange mysteriös, da Beckett Sean als Ich-Erzähler wählt, der seine eigene Geschichte nur zögerlich nach und nach preisgibt, dafür aber in seinen Schilderungen des Hofes und seiner Bewohner eine Atmosphäre des Unbehagens und der Ungewissheit erzeugt - ganz klar, er muss auf der Hut sein, irgend etwas stimmt ganz und gar nicht. Dabei wirkt er fast zu keinem Zeitpunkt wie ein Ermittler, eine weitere ungewöhnliche Tatsache für einen Thriller. Und doch gelingt der Spannungsbogen in beiden Geschichten bis zum Schluss und wartet mit einem angemessenen Finale mit Überraschungsmoment auf.
So ist Der Hof sicherlich ein Thriller und er ist auch vom Verlag als solcher gekennzeichnet. Doch befindet sich Beckett mit seinen Charakterdarstellungen und dem unblutigen und nicht investigativen Stil eher auf literarischen Terrain, wozu auch sein Epilog passt, der die Geschehnisse abschließend in einen fast philosphischen Rahmen fasst. Sean besucht noch einmal den Hof, findet ihn verlassen und verändert vor und erzählt nebenbei, welche Konsequenzen die Straftaten für die einzelnen Familienmitglieder und ihn selbst hatten. Und er sinniert darüber, zu was Menschen in bestimmten Situationen fähig sind:
Insgesamt ist es ein hervorragend konzipierter Roman mit sehr düsteren, aber überzeugenden Charakteren, der auf ungewöhnliche Weise spannend ist, und durch Becketts intensiv-persönlichen Erzählstil fesselt.
Simon Beckett, Der Hof. Rowohlt, Reinbek 2014.
Parallel werden in Rückblenden die Ereignisse geschildert, die zu Seans Flucht aus London geführt haben.
Das Ungewöhnliche an Der Hof ist, dass man zwar weiß, dass man einen Kriminalroman in der Hand hält, es riecht auch alles nach Verbechen und sogar nach Mord, aber es gibt zunächst keine Straftat. Erst nach und nach streut Beckett erste Hinweise ein, worum es vielleicht gehen soll - dafür ist der Täterkreis von Anfang an bekannt, da der Roman auch insgesamt mit nur diesen wenigen Charakteren auskommt. Diese bleiben lange mysteriös, da Beckett Sean als Ich-Erzähler wählt, der seine eigene Geschichte nur zögerlich nach und nach preisgibt, dafür aber in seinen Schilderungen des Hofes und seiner Bewohner eine Atmosphäre des Unbehagens und der Ungewissheit erzeugt - ganz klar, er muss auf der Hut sein, irgend etwas stimmt ganz und gar nicht. Dabei wirkt er fast zu keinem Zeitpunkt wie ein Ermittler, eine weitere ungewöhnliche Tatsache für einen Thriller. Und doch gelingt der Spannungsbogen in beiden Geschichten bis zum Schluss und wartet mit einem angemessenen Finale mit Überraschungsmoment auf.
So ist Der Hof sicherlich ein Thriller und er ist auch vom Verlag als solcher gekennzeichnet. Doch befindet sich Beckett mit seinen Charakterdarstellungen und dem unblutigen und nicht investigativen Stil eher auf literarischen Terrain, wozu auch sein Epilog passt, der die Geschehnisse abschließend in einen fast philosphischen Rahmen fasst. Sean besucht noch einmal den Hof, findet ihn verlassen und verändert vor und erzählt nebenbei, welche Konsequenzen die Straftaten für die einzelnen Familienmitglieder und ihn selbst hatten. Und er sinniert darüber, zu was Menschen in bestimmten Situationen fähig sind:
"Unter der Oberfläche sind wir alle Tiere. Das will die Gesellschaft, die Arnaud so verabscheut, gerne verbergen. Die Wahrheit ist aber, dass keiner von uns weiß, wozu er im Grunde in der Lage ist.
Wenn wir Glück haben, finden wir es nie heraus."
Insgesamt ist es ein hervorragend konzipierter Roman mit sehr düsteren, aber überzeugenden Charakteren, der auf ungewöhnliche Weise spannend ist, und durch Becketts intensiv-persönlichen Erzählstil fesselt.
Simon Beckett, Der Hof. Rowohlt, Reinbek 2014.
Sunday, July 20, 2014
Happy Summer Postcard
Saturday, July 19, 2014
Tess Gerritsen - Abendruh
#10 der Reihe um Maura Isles und Jane Rizzoli beginnt dramatisch. Nacheinander werden Attentate auf drei Kinder verübt, die bei Pflegefamilien leben, weil ihre Eltern umgekommen sind/ermordet wurden. Es sterben dabei zwar die Pflegeeltern, die Kinder überleben mysteriöserweise.
Jane und Maura haben zunächst nur mit einem der Fälle zu tun. Doch als Maura im Internat Abendruh (im Original ist der Name des Internats "Evansong", deutlich schöner), wo Rat und sein Hund Bear (Mauras Retter aus #8, Totengrund) untergebracht sind, zu Besuch ist, stößt sie auf die anderen beiden Kinder und alarmiert Jane, die sich mit Frost in die Ermittlungen stürzt. Doch es sind die drei traumatisierten Kinder, die, auf Abendruh vereint, herausfinden, dass ihre Eltern sich gekannt haben. Jane und Frost stoßen auf eine CIA-Beamtin, die ihnen den scheinbaren Grund für die Verfolgung der Kinder liefert. Bei seiner Festsetzung wird die Familie eines Schwerkriminellen ausgelöscht, er schwört sich an den Familien der beteiligten Agenten zu rächen. Nach seiner Flucht aus dem Gefängnis geschehen die Attentate auf die Familien der Kinder - aber warum Jahre später die erneuten Versuche?
Showdown auf Abendruh: Der Mörder muss schon dort sein, doch warum leben die Kinder noch? Erst spät werden die tatsächlichen Bösen enttarnt in einer überraschenden Wende.
Das Setting auf dem mystischen Schloss Abendruh gibt dem Roman phasenweise eine ganz eigene Atmosphäre und ist einer der Pluspunkte des Romans, dazu gehört auch das Wiedersehen mit Rat und Bear. Jane und Maura nähern sich nach ihren Differenzen endlich wieder an und versichern sich ihrer Freundschaft - erleichternd.
Wenig plausibel ist allerdings - Achtung Spoiler! - dass all das geschieht, weil eine durchgeknallte CIA-Agentin aus Geldgier tötet und die Kinder dafür als Köder benutzt, da hat Gerritsen schon durchaus bessere Motive konstruiert.
Undurchsichtig bleiben die Beweggründe des Mephisto-Clubs und seines Gründers, der an Maura herumgräbt, ohne sich dabei in die Karten schauen zu lassen. Will er den Opferkindern, die auf Abendruh untergebracht sind wirklich nur helfen?
Tess Gerritsen, Abendruh. Random House Audio 2014.
Jane und Maura haben zunächst nur mit einem der Fälle zu tun. Doch als Maura im Internat Abendruh (im Original ist der Name des Internats "Evansong", deutlich schöner), wo Rat und sein Hund Bear (Mauras Retter aus #8, Totengrund) untergebracht sind, zu Besuch ist, stößt sie auf die anderen beiden Kinder und alarmiert Jane, die sich mit Frost in die Ermittlungen stürzt. Doch es sind die drei traumatisierten Kinder, die, auf Abendruh vereint, herausfinden, dass ihre Eltern sich gekannt haben. Jane und Frost stoßen auf eine CIA-Beamtin, die ihnen den scheinbaren Grund für die Verfolgung der Kinder liefert. Bei seiner Festsetzung wird die Familie eines Schwerkriminellen ausgelöscht, er schwört sich an den Familien der beteiligten Agenten zu rächen. Nach seiner Flucht aus dem Gefängnis geschehen die Attentate auf die Familien der Kinder - aber warum Jahre später die erneuten Versuche?
Showdown auf Abendruh: Der Mörder muss schon dort sein, doch warum leben die Kinder noch? Erst spät werden die tatsächlichen Bösen enttarnt in einer überraschenden Wende.
Das Setting auf dem mystischen Schloss Abendruh gibt dem Roman phasenweise eine ganz eigene Atmosphäre und ist einer der Pluspunkte des Romans, dazu gehört auch das Wiedersehen mit Rat und Bear. Jane und Maura nähern sich nach ihren Differenzen endlich wieder an und versichern sich ihrer Freundschaft - erleichternd.
Wenig plausibel ist allerdings - Achtung Spoiler! - dass all das geschieht, weil eine durchgeknallte CIA-Agentin aus Geldgier tötet und die Kinder dafür als Köder benutzt, da hat Gerritsen schon durchaus bessere Motive konstruiert.
Undurchsichtig bleiben die Beweggründe des Mephisto-Clubs und seines Gründers, der an Maura herumgräbt, ohne sich dabei in die Karten schauen zu lassen. Will er den Opferkindern, die auf Abendruh untergebracht sind wirklich nur helfen?
Tess Gerritsen, Abendruh. Random House Audio 2014.
Thursday, July 17, 2014
Jojo Moyes - Ein ganzes halbes Jahr
Ein ganzes halbes Jahr geistert schon seit einerWeile durch die Bücherbloggerwelt, als einer der Romane, der alle sehr berührt und den meisten große Heulattacken am Ende beschert hat. Für dieses spezielle Genre ist das wohl auch ein Qualitätsmerkmal (ja, leichter Zynismus). Zu meinem Lieblingsgenre wird es nicht werden, aber ich bin dann ja doch immer neugierig, was alle daran finden. Als Hörbuch kann man für die Urlaubsreise nicht viel falsch machen, wenngleich es mit mehr als 14 Stunden ein Marathon-Hörbuch ist. (Passt ja, irgendwie.)
Zum Glück war es kein Roman, den man rezensierend in der Luft zerreißen muss. Auf der Plusseite steht das durchaus sensible Thema Selbsttötung. Darf ein Mensch sich selbst töten, wenn er selbst sein Leben für nicht mehr lebenswert hält und keine Aussicht auf Besserung besteht? Die Autorin stellt das Thema dar, wie es ist: kontrovers und vielschichtig. Ethik, Religion, Verantwortung, rechtliche Aspekte uvm. werden im Laufe des Romans aufgegriffen. Interessant auch, dass nicht nur verschiedene Ansichten zu Wort kommen, sondern es wird auch deutlich, dass Meinungswechsel in Bezug auf die Bewertung der Tat oder des Wunsches möglich sind. Das Wertesystem des Buchs ist da durchaus flexibel und offen, bietet aber Orientierungspunkte.
Auf der Minusseite steht die streckenweise doch hart zu ertragende Rührseligkeit des Buchs. Liebe, Romantik haben ihre Daseinsberechtigung, aber hier waren einige Passagen doch sehr dick aufgetragen, rosarot oder stark simplifizierend in ihrem Grundwesen.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Protagonistin Lou oftmals sehr begriffsstutzig ist, was Zusammenhänge, die Beweggründe anderer oder gar ihre eigenen Emotionen angeht. An anderer Stelle wird ihre Intelligenz betont, warum ist sie immer die letzte, die versteht, was gerade mit ihr passiert? Sie ist sozusagen in einem emotionalen Strudel und kann diesen noch nicht einmal begreifen, geschweige denn ihm entkommen.
Ein wenig ausgeglichen wurde dies durch die kurzen Perspektivwechsel, im Audiobook auch durch andere Stimmen umgesetzt. Da kamen dann andere Beteiligte zu Wort und rückten die Geschehnisse wieder gerade. So waren Lou und ihr Handeln in der Außensicht durch andere Augen betracht besser zu beurteilen als in ihren eigenen eingeschränkten Innensicht.
Meine Gerührtheit hielt sich trotz den Tränen (die wohl dazu gehören, siehe oben) am Ende in Grenzen, aber für einen romantisch-dramatischen Roman war es erträglich.
Jojo Moyes, Ein ganzes halbes Jahr. Argon Verlag 2013.
Zum Glück war es kein Roman, den man rezensierend in der Luft zerreißen muss. Auf der Plusseite steht das durchaus sensible Thema Selbsttötung. Darf ein Mensch sich selbst töten, wenn er selbst sein Leben für nicht mehr lebenswert hält und keine Aussicht auf Besserung besteht? Die Autorin stellt das Thema dar, wie es ist: kontrovers und vielschichtig. Ethik, Religion, Verantwortung, rechtliche Aspekte uvm. werden im Laufe des Romans aufgegriffen. Interessant auch, dass nicht nur verschiedene Ansichten zu Wort kommen, sondern es wird auch deutlich, dass Meinungswechsel in Bezug auf die Bewertung der Tat oder des Wunsches möglich sind. Das Wertesystem des Buchs ist da durchaus flexibel und offen, bietet aber Orientierungspunkte.
Auf der Minusseite steht die streckenweise doch hart zu ertragende Rührseligkeit des Buchs. Liebe, Romantik haben ihre Daseinsberechtigung, aber hier waren einige Passagen doch sehr dick aufgetragen, rosarot oder stark simplifizierend in ihrem Grundwesen.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Protagonistin Lou oftmals sehr begriffsstutzig ist, was Zusammenhänge, die Beweggründe anderer oder gar ihre eigenen Emotionen angeht. An anderer Stelle wird ihre Intelligenz betont, warum ist sie immer die letzte, die versteht, was gerade mit ihr passiert? Sie ist sozusagen in einem emotionalen Strudel und kann diesen noch nicht einmal begreifen, geschweige denn ihm entkommen.
Ein wenig ausgeglichen wurde dies durch die kurzen Perspektivwechsel, im Audiobook auch durch andere Stimmen umgesetzt. Da kamen dann andere Beteiligte zu Wort und rückten die Geschehnisse wieder gerade. So waren Lou und ihr Handeln in der Außensicht durch andere Augen betracht besser zu beurteilen als in ihren eigenen eingeschränkten Innensicht.
Meine Gerührtheit hielt sich trotz den Tränen (die wohl dazu gehören, siehe oben) am Ende in Grenzen, aber für einen romantisch-dramatischen Roman war es erträglich.
Jojo Moyes, Ein ganzes halbes Jahr. Argon Verlag 2013.
Wednesday, July 16, 2014
Denis Thériault - Siebzehn Silben Ewigkeit
Denis Thériault ist kanadischer Schauspieler, Autor und Regisseur. Sein zweites Buch Siebzehn Silben Ewigkeit ist eher eine Novelle als ein Roman und erzählt seine Geschichte in nur 160 Seiten.
Im Titel verbergen sich die Themen der Geschichte:
Die siebzehn Silben verweisen auf die japanische Gedichtform des Haikus. Ein Mann und eine Frau kommunizieren mit diesen Gedichten, die sie sich abwechselnd in Briefen schicken. Der Protagonist ist aber der Briefträger Bilodo, der heimlich die Briefe der Frau abfängt und sich - fasziniert von den Haikus und allem, was er hineindeutet - in sie verliebt. Natürlich kennt Bilodo auch den Empfänger der Briefe, schließlich ist er dessen Postbote. Entsprechend entsetzt ist er, als er zusehen muss, wie dieser von einem Auto überfahren wird und stirbt.
Aus Verzweiflung, weil der Briefwechsel der beiden für den einsamen Bilodo Lebenssinn ist, übernimmt er die Rolle des Überfahrenen, damit die Frau weiterschreibt. Dies fällt ihm zunächst schwer und seine selbstverfassten Haiku sind zunächst sehr schlecht. Aber als er sich zunehmend in das Leben des Mannes hineinversetzt, indem er dessen Wohnung mit allem Inventar anmietet, und sich in dessen japanische Lebensweise aneignet, gelingt es ihm, den Briefwechsel aufrecht zu erhalten. Es entwickelt sich sogar eine emotional-erotische Komponente zwischen beiden. Doch als der Besuch der Dame ansteht, gerät Bilodo in Panik. Es kommt zu einer Verkettung von Ereignissen, an deren Ende er realisiert, dass er zu einem Abbild des Mannes geworden ist, und ihm schließlich sogar das gleiche Schicksal widerfährt: Er wird überfahren. Ensō. Der Kreis schließt sich.
Das Buch ist durch die Wiedergabe des Haiku-Briefwechsels halb lyrisch und die dahinterliegende japanische Philosophie ist ebenso Thema wie die japanische Kultur. Daher erhielt es auch den "Prix littéraire Canada-Japon".
Anfangs ist Siebzehn Silben Ewigkeit noch die leise Geschichte eines einsamen Mannes mit einem ungewöhnlichen Hobby, sein heimliches Briefelesen ist Zeichen seiner sozialen Unsicherheit. Er verbringt seine Zeit mit dem Nachspüren anderer Leute Emotionen und Geschichten, während er die Annäherungsversuche von seinen Kollegen und einer in ihn verliebten Kellnerin in seinem Stammlokal ausschlägt oder gar nicht wahrnimmt. Doch als er versucht, sich das fremde Leben anzueignen und sich selbst umzuformen, um es leben zu können, kippt die Geschichte leicht ins Surreale und Unglauhafte und endet in der absurden Wiederholung der Ereignisse.
Literarisch ist der kleine Band interessant, der Sinn bleibt seltsam offen: Macht Einsamkeit verrückt? Lebe dein Leben, aber bitte dein eigenes? Jemand anderes werden zu wollen, funktioniert nicht? Liegt das Glück nie dort, wo wir es suchen?
Denis Thériault, Siebzehn Silben Ewigkeit. dtv, München 2012.
Im Titel verbergen sich die Themen der Geschichte:
Die siebzehn Silben verweisen auf die japanische Gedichtform des Haikus. Ein Mann und eine Frau kommunizieren mit diesen Gedichten, die sie sich abwechselnd in Briefen schicken. Der Protagonist ist aber der Briefträger Bilodo, der heimlich die Briefe der Frau abfängt und sich - fasziniert von den Haikus und allem, was er hineindeutet - in sie verliebt. Natürlich kennt Bilodo auch den Empfänger der Briefe, schließlich ist er dessen Postbote. Entsprechend entsetzt ist er, als er zusehen muss, wie dieser von einem Auto überfahren wird und stirbt.
Aus Verzweiflung, weil der Briefwechsel der beiden für den einsamen Bilodo Lebenssinn ist, übernimmt er die Rolle des Überfahrenen, damit die Frau weiterschreibt. Dies fällt ihm zunächst schwer und seine selbstverfassten Haiku sind zunächst sehr schlecht. Aber als er sich zunehmend in das Leben des Mannes hineinversetzt, indem er dessen Wohnung mit allem Inventar anmietet, und sich in dessen japanische Lebensweise aneignet, gelingt es ihm, den Briefwechsel aufrecht zu erhalten. Es entwickelt sich sogar eine emotional-erotische Komponente zwischen beiden. Doch als der Besuch der Dame ansteht, gerät Bilodo in Panik. Es kommt zu einer Verkettung von Ereignissen, an deren Ende er realisiert, dass er zu einem Abbild des Mannes geworden ist, und ihm schließlich sogar das gleiche Schicksal widerfährt: Er wird überfahren. Ensō. Der Kreis schließt sich.
Das Buch ist durch die Wiedergabe des Haiku-Briefwechsels halb lyrisch und die dahinterliegende japanische Philosophie ist ebenso Thema wie die japanische Kultur. Daher erhielt es auch den "Prix littéraire Canada-Japon".
Anfangs ist Siebzehn Silben Ewigkeit noch die leise Geschichte eines einsamen Mannes mit einem ungewöhnlichen Hobby, sein heimliches Briefelesen ist Zeichen seiner sozialen Unsicherheit. Er verbringt seine Zeit mit dem Nachspüren anderer Leute Emotionen und Geschichten, während er die Annäherungsversuche von seinen Kollegen und einer in ihn verliebten Kellnerin in seinem Stammlokal ausschlägt oder gar nicht wahrnimmt. Doch als er versucht, sich das fremde Leben anzueignen und sich selbst umzuformen, um es leben zu können, kippt die Geschichte leicht ins Surreale und Unglauhafte und endet in der absurden Wiederholung der Ereignisse.
Literarisch ist der kleine Band interessant, der Sinn bleibt seltsam offen: Macht Einsamkeit verrückt? Lebe dein Leben, aber bitte dein eigenes? Jemand anderes werden zu wollen, funktioniert nicht? Liegt das Glück nie dort, wo wir es suchen?
Denis Thériault, Siebzehn Silben Ewigkeit. dtv, München 2012.
Kathy Reichs - Totengeld
Achtung, emotionale, genervte Rezension!
Vielleicht hatte ich es schon geahnt: Normalerweise schiebt man das Lesen eines Romans einer seiner Lieblingsautorinnen nicht auf. Bereits Nummer 15 der Reihe um Tempe Brennan ging mir quer, doch der Reihe nach...
Zunächst beginnt alles mit einem echten Fall und der Roman nimmt Tempo auf. Unsere forensische Anthropologin soll mumifizierte Hunde als nichtmenschlich identifizieren und beschäftigt sich mit dem Fall eines überfahrenen Mädchens, das seltsame Verletzungen aufweist, die auf Mord schließen lassen. Privat denkt sie viel an Katy, die sich zum Militärdienst in Afghanistan verpflichtet hat.
Doch plötzlich landet der Fall des Mädchens in der Sackgasse und praktischerweise taucht Pete, der Ex-Mann, auf, um Tempe in Ermittlungen in Afghanistan (!) hineinzuziehen. (Vermutlich gibt es in den ganzen USA und Kanada nur diese eine wirklich qualifizierte Person für den Fall.)
Teil zwei zeigt Tempe in Afghanistan, wo sie zwei getötete Zivilisten ausgräbt (und dabei absurder und überflüssigerweise verschüttet...), um zu entscheiden, ob sie vor vorn getötet oder in den Rücken geschossen wurden. Später kann wegen ihrer Ergebnisse ein amerikanischer Offizier freigesprochen werden. Der Teil enthält detaillierte Darstellungen der Situation vor Ort und des amerikanischen Militärs dort. In den Danksagungen erwähnt Kathy Reichs, dass sie mit Hilfe der USO ("United Service Organizations" - eine Organisation, die dazu dient, Truppen in Einsatzgebieten moralisch zu unterstützen) gemeinsam mit einigen anderen amerikanischen Schriftstellern Afghanistan besuchen durfte. Es gibt sogar eine Fotoreihe dazu auf der Website der Organisation.Vermutlich wollte die Autorin die dort gemachten Erfahrungen auch literarisch verwerten.
Zurück zuhause wird sie bedroht, mischt sich aber weiter in die Ermittlungen um das überfahrene Mädchen ein, bastelt sich selbst eine Fallübersicht mit den vorhandenen Verbindungen und - Heureka! - entdeckt das entscheidende Detail und fährt selbstverständlich sofort zum entscheidenden Ort, ohne auf Verstärkung zu warten, da sie den Ermittler Slidell gerade telefonisch nicht erreicht - Showdown - und gerät selbstverständlich in eine Falle und muss sogar jemanden erschießen. Dumm irgendwie, oder?
Im persönlich-privaten Showdown sagt Pete dann seine angesetzte Hochzeit mit "Blondie" ab und steht bei Tempe vor der Tür, aber die steckt im emotionalen Chaos und schickt ihn erstmal weg.
Der ganze Roman wirkt wie unzusammenenhängendes Stückwerk, das nur am Ende notdürftig zusammengezimmert wird. Personen wirken inkonsequent bis unglaubhaft, die Aufklärung holpert und wird wieder mit plötzlicher Eingebung gelöst (was mich schon beim letzen Band genervt hatte). Der Zusammenhang muss dann auch noch mit moralischem Überbau und Fakten zum Thema Menschenhandel unterfüttert werden, damit es halbwegs plausibel wird.
Was tut Kathy Reichs da? Zu viele Drehbücher? Zu wenig Zeit, den Roman ordentlich zu konzipieren? Und die beiden schwerwiegenden Themen Afghanistan und Menschenhandel so beiläufig in die Geschichte zu pressen und sogar noch zu vermischen, finde ich problematisch. Kein gutes Buch, so leid es mir tut.
Kathy Reichs, Totengeld. Karl Blessing Verlag, München 2013.
Thursday, July 10, 2014
John Green / David Levithan - Will & Will
Zwei Autoren.
Zwei Erzählperspektiven.
Ein Name: Will Grayson.
Eine Stadt: Chicago.
Zwei Schulen...
- Will Grayson I: hetero, mit dem schwulen Tiny Cooper befreundet, intaktes Elternhaus, Schwierigkeiten mit Freundschaft...
Er braucht lange, um zu verstehen, wie wichtig sie ist und vor allem wie irrational, denn zunächst geht er davon aus, man könne sich seine Freunde objektiv auswählen, und schafft es nur langsam, sich die emotionale Komponente von Freundschaft einzugestehen und seinen eigenen Gefühlen allgemein (er ist verliebt in Jane) auf die Spur zu kommen. Insgesamt ist er ein gutes Beispiel für das pubertäre Durcheinander in der Seele eines Jugendlichen, Liebe versus Wahrheit und all das. Am Ende versteht er es aber und kann Tiny und Jane ein Freund sein, der die Bezeichnung verdient.
- Will Grayson II: schwul , depressiv und muss deswegen Medikamente nehmen, lebt bei seiner Mutter, finanzielle Schwierigkeiten, Bezugspersonen kaum vorhanden, verschlossener Einzelgänger...
Seine Mitschülerin Maura drängt sich ihm auf, will ihn aus seiner Isolation befreien, er blockt ihre Versuche weitgehend ab, will sich ihr nicht öffnen. Das tut er nur bei seinem Internet-Freund Isaac, in den er verliebt ist. Als es schließlich zu einem ersten Date kommen soll, stellt sich albtraumhaft heraus, dass hinter dem Profil von Isaac Maura steckt - aber am Treffpunkt lässt der Zufall die beiden Wills zusammentreffen - und Will II trifft den sehr realen Tiny Cooper, der ihn in eine wirkliche Welt mit Liebe und echten Gefühlen holt.
Das Schreibkonzept und beide Erzählstile haben mir gut gefallen. Beide Autoren schreiben mit Herzblut aus der Sicht ihres jeweiligen Will Graysons, unterscheiden sich aber hinreichend, nur anfangs benötigt man eine kurze Eingewöhnungszeit, um die Jungen und ihre Eigenschaften/Geschichten auseinander zu sortieren. Die Innensicht der zwei pubertierenden Jungen ist überzeugend, vor allem auch deswegen, weil beide - unabhängig von ihrer sexuellen Ausrichtung - das gleiche Grundproblem, die gleichen Grundfragen haben: Bin ich liebenswert? Lohnt sich die Liebe? Soll ich das Risiko des drohenden Absturzes und der Verletzungsgefahr, falls es nicht klappt, eingehen? Dreimal ja, ja, ja.
Manchmal hätte ich mir die beiden Wills etwas selbstständiger und reflektierter gewünscht, jeder auf seine Art neigt zum Selbstmitleid und hat nur geringe Möglichkeiten zur Selbsterkenntnis, oft sind es erst die Anstöße von außen, die sie dazu bringen, den nächsten Schritt ins Leben zu machen.
Eine filmische Umsetzung bietet sich praktisch an, gern leicht amerikanisch/Hollywood, aber vielleicht hilfreich, um Barrieren im Bereich Homosexualität abzubauen und die Normalität dessen zu zeigen.
John Green / David Levithan, Will & Will. cbt, München 2013.
Saturday, July 05, 2014
Colin Cotterill - Der Tote im Eisfach
Fall Nummer Fünf für Dr. Siri. Während dieser einmal mehr irgendwo in den Bergen von Laos verschwindet, bleibt es Schwester Dtui und Siris Verlobter Daeng überlassen, einen mysteriösen Mordanschlag auf ihn aufzuklären - denn Der Tote im Eisfach enthält eine Bombe. Während sich die Zuhause gebliebenen also darum kümmern, die Attentäter dingfest zu machen (in der üblich chaotisch-laotischen Weise), ist Siri Opfer einer Entführung. Eine kleine Gruppe von Hmong, einem verarmten laotisches Bergvolk, benötigt dringend einen Schamanen, um ein von einem Dämonen besessenes Mädchen zu retten. Da Siri einen alten schamanischen Geist in sich trägt, soll dieser den Job erledigen. Auch hier überlagern sich Mystisches und die Realität, denn die Dämonenaustreibung beschert Siri tatsächlich eine Vision - aber es ist schließlich doch sein Verstand, der die Situation und das Mädchen für die Hmong rettet.
Zwar weist auch dieser Roman die bereits erprobte Verbindung von Spannung, Mystik und Humor auf, dennoch fasziniert dieser hier ein Quentchen weniger, vielleicht weil der im englischen Titel verwendete "Fluch des Pogo-Sticks" (Curse of the Pogo Stick) als Objekt der Anbetung doch etwas sehr quer erscheint - selbst für das seltsame Laos des bemerkenswerten Dr. Siri.
Colin Cotterill, Der Tote im Eisfach. der Hörverlag 2012.
David Mitchell - Der Wolkenatlas
Dies ist wohl eines der Bücher der letzten Jahre, das ich am sperrigsten empfunden habe. Mehrfach habe ich es zugunsten anderer Romane beiseite gelegt, sogar über Monate pausiert, mich teilweise kleckerseitenweise vorangekämpft.
Warum eigentlich?
Das Buch ist nicht schlecht.
Mitchell entwirft sechs voneinander unabhängige Lebensgeschichten und ich bediene mich mal Wikipedias Übersicht dazu, um sie darzustellen:
Die Verknüpfung der Protagonisten und die Erwähnung von Reinkarnation an mehreren Stellen des Romans lässt auch die Deutung zu, dass die einzelnen Charaktere dieselbe Seele haben, also wiedergeboren sind. Dabei hat Mitchell großen Wert auf die Verschiedenheit der Erzählstile (siehe Übersicht) und des Erzähltons und der Sprache gelegt. Er imitiert die Stimmung und die Sprache der Zeit, dabei werden auch Orthographie und Satzbau entsprechend angepasst. Am deutlichsten (und auch am nervigsten für den Leser) tritt dies bei "Sloosha’s Crossin’ un wies weiterging", dessen mundartliche Transkription zunächst nur schwer lesbar ist, aber sicher den zivilisatorischen Zusammenbruch und die hilflose Naivität des Erzählers gut umsetzt - auch in der deutschen Übersetzung (das war sicher eine Herausforderung für Volker Oldenburg).
Abschließend lässt sich sagen, dass Der Wolkenatlas sicherlich ein extrem gut komponierter, sehr durchstilisierter Roman ist, über den man viel nachdenken kann, gerade weil er Geschichte und die gesellschaftlichen Probleme über diesen großen Zeitraum von mehreren hundert Jahren umspannt ("History will teach us nothing..." Sting, 1987). Wirklich fesseln konnte der Roman mich nicht, sonst wären eingangs genannte Leseschwierigkeiten nicht aufgetreten, vielleicht ist er zu konstruiert, zu glatt, bietet zu wenig Identifikationsfläche in den Charakteren, die mir fast alle fremd blieben, vielleicht mit Ausnahme der beiden weiblichen Protagonisten Luisa Rey und Sonmi. Die Sprache, obwohl ausgefeilt und gezielt eingesetzt, verfehlte ihre Wirkung, sie war eher ein Problem als ein Bonus. Ich bin durchaus zufrieden, diesen Roman kennengelernt zu haben, aber eher im Sinne der literarischen Erfahrung als im Sinne des Lesegenusses.
David Mitchell, Der Wolkenatlas. Rororo, Reinbek 2007.
Warum eigentlich?
Das Buch ist nicht schlecht.
Mitchell entwirft sechs voneinander unabhängige Lebensgeschichten und ich bediene mich mal Wikipedias Übersicht dazu, um sie darzustellen:
- Das Pazifiktagebuch des Adam Ewing
In den 1850ern (es wird keine genaue Zeit genannt, jedoch wird der Goldrausch in Kalifornien erwähnt); im Stile der Zeit verfasstes Tagebuch; - Briefe aus Zedelghem
1931; ein Briefzyklus; - Halbwertszeiten. Luisa Reys erster Fall
1975; ein Kriminalroman/Thriller; - Das grausige Martyrium des Timothy Cavendish
In der heutigen Zeit (keine genaue Zeitangabe); Memoiren/Essay, als Vorlage für ein Drehbuch zur Verfilmung; - Sonmis Oratio
In einer dystopischen Zukunft (um 2100); ein Protokoll/Dialog; - Sloosha’s Crossin’ un wies weiterging
In einer fernen Zukunft; eine Erzählung/Monolog
"So addiert sich vielleicht die Summe all diese Bemühungen gegen die Ungerechtigkeit der Welt doch zu einem bisschen Hoffnung.
Was aber ist ein Ocean anderes als eine Vielzahl von Tropfen?"
Die Verknüpfung der Protagonisten und die Erwähnung von Reinkarnation an mehreren Stellen des Romans lässt auch die Deutung zu, dass die einzelnen Charaktere dieselbe Seele haben, also wiedergeboren sind. Dabei hat Mitchell großen Wert auf die Verschiedenheit der Erzählstile (siehe Übersicht) und des Erzähltons und der Sprache gelegt. Er imitiert die Stimmung und die Sprache der Zeit, dabei werden auch Orthographie und Satzbau entsprechend angepasst. Am deutlichsten (und auch am nervigsten für den Leser) tritt dies bei "Sloosha’s Crossin’ un wies weiterging", dessen mundartliche Transkription zunächst nur schwer lesbar ist, aber sicher den zivilisatorischen Zusammenbruch und die hilflose Naivität des Erzählers gut umsetzt - auch in der deutschen Übersetzung (das war sicher eine Herausforderung für Volker Oldenburg).
Abschließend lässt sich sagen, dass Der Wolkenatlas sicherlich ein extrem gut komponierter, sehr durchstilisierter Roman ist, über den man viel nachdenken kann, gerade weil er Geschichte und die gesellschaftlichen Probleme über diesen großen Zeitraum von mehreren hundert Jahren umspannt ("History will teach us nothing..." Sting, 1987). Wirklich fesseln konnte der Roman mich nicht, sonst wären eingangs genannte Leseschwierigkeiten nicht aufgetreten, vielleicht ist er zu konstruiert, zu glatt, bietet zu wenig Identifikationsfläche in den Charakteren, die mir fast alle fremd blieben, vielleicht mit Ausnahme der beiden weiblichen Protagonisten Luisa Rey und Sonmi. Die Sprache, obwohl ausgefeilt und gezielt eingesetzt, verfehlte ihre Wirkung, sie war eher ein Problem als ein Bonus. Ich bin durchaus zufrieden, diesen Roman kennengelernt zu haben, aber eher im Sinne der literarischen Erfahrung als im Sinne des Lesegenusses.
David Mitchell, Der Wolkenatlas. Rororo, Reinbek 2007.
Robben Island
Robben Island is a small island just opposite Capetown, South Africa. It was used as a prison island and Nelson Mandela spent 20 years of his life in a small cell there. Since the 1990s the prison is transformed into a museum and the island can be visited as national and nature monument.
In postcrossing terms it is a quite unusual card. In more than 1200 received card there are only three from South Africa. And two of them arrived within two days. This one was sent by Janet.
Friday, July 04, 2014
Elisabeth Boehm
Elisabeth Boehm was a Russian artist who lived between 1843-1914. She was famous for her illustrations (e.g. of children's books) and postcards.
This card was sent by Anna from Russia.
This card was sent by Anna from Russia.
Thursday, July 03, 2014
Colin Cotterill - Totentanz für Dr. Siri
In Totentanz für Dr. Siri lässt Colin Cotterill seinen laotischen Leichenbeschauer und dessen Assistentin Dtui in der Provinz Houaphan,
einer abgelegenen Bergregion, ermitteln. Nach einem Erdrutsch ragt ein
mumifizierter Arm aus einem Betonpfad. Dr. Siri soll herausfinden, wie der Mann zu Tode gekommen ist, denn fraglicher Betonpfad führt zum Präsidentendomizil.
Bei den Ermittlungen, in denen es immer weitreichendere Verwicklungen mit Familiengeschichten, Intrigen und kubanischer dunkler Magie gibt, lässt sich Dr. Siri von der Geisterwelt leiten, zu der er seit dem vorangegangenen Band eine tiefe Verbindung hat, da er von einem alten Schamanen besessen ist bzw. seinen Körper mit diesem teilt. Das mutet interessanterweise nicht ganz so schräg an, wie es zunächst klingt, denn Siri nimmt dies - wie auch die üblichen Ecken und Kanten seines Heimatlandes und dessen Bewohner - mit einer großen Portion Humor. Er nimmt sich, den Fall und die beteiligten Geister nicht zu ernst. Und so gelingt dieser außergewöhnliche Genre-Clash von Thriller und Mystery. Zusammen mit Jan Josef Liefers Lesung führt dies zu einem lustig-spannenden Hörvergnügen, bei dem der tatsächliche Kriminalfall wohl eigentlich eine untergeordnete Rolle spielt.
Colin Cotterill, Totentanz für Dr. Siri. Random House 2010.
Bei den Ermittlungen, in denen es immer weitreichendere Verwicklungen mit Familiengeschichten, Intrigen und kubanischer dunkler Magie gibt, lässt sich Dr. Siri von der Geisterwelt leiten, zu der er seit dem vorangegangenen Band eine tiefe Verbindung hat, da er von einem alten Schamanen besessen ist bzw. seinen Körper mit diesem teilt. Das mutet interessanterweise nicht ganz so schräg an, wie es zunächst klingt, denn Siri nimmt dies - wie auch die üblichen Ecken und Kanten seines Heimatlandes und dessen Bewohner - mit einer großen Portion Humor. Er nimmt sich, den Fall und die beteiligten Geister nicht zu ernst. Und so gelingt dieser außergewöhnliche Genre-Clash von Thriller und Mystery. Zusammen mit Jan Josef Liefers Lesung führt dies zu einem lustig-spannenden Hörvergnügen, bei dem der tatsächliche Kriminalfall wohl eigentlich eine untergeordnete Rolle spielt.
Colin Cotterill, Totentanz für Dr. Siri. Random House 2010.
Tuesday, July 01, 2014
Agatha Christie - Ruhe unsanft
In Ruhe unsanft von Agatha Christie findet eine junge Frau für sich
und ihren Ehemann an der englischen Südküste das perfekte Haus: Es kommt
ihr gleich vertraut vor und glücklich ziehen beide ein. Doch plötzlich
geschehen merkwürdige Dinge, sie erinnert sich an Stufen im Garten, die
nicht mehr da sind, an eine Tür, die es nicht mehr gibt, und entwirft im
Geist ein Tapetenmuster, das sich dann tatsächlich in einem
Wandschrank wiederfindet.
Verwirrt besucht die junge Frau mit Freunden ein Theaterstück in London, um sich abzulenken. Dabei lernt sie Miss Marple kennen, die Tante eines der Freunde. Gegen Ende des Kriminalstücks erleidet sie plötzlich einen Schock. Zunächst glaubt sie, geisteskrank zu sein, doch Miss Marples Fragen gehen in einen andere Richtung - etwas in ihrer Vergangenheit löst all diese Dinge aus. Zusammen mit Miss Marple beginnt das junge Paar zu recherchieren und schließlich kommt die Licht in die Geschehnisse der Vergangenheit und ein alter Mord kann aufgeklärt werden.
Dieser Miss Marple Thriller ist vom Setting her typisch und dank der Verfilmungen mit Margaret Rutherford hat man alles bildhaft vor Augen. Dass der Mord so weit zurückliegt, ist weniger typisch, verändert Miss Marples Recherchetechniken jedoch kaum. Mit ihrem Charme und ihrer Kombinationsgabe findet sie schnell heraus, was wirklich geschehen ist und trennt die falschen von den richtigen Fährten. Ein Klassiker, wunderbare Agatha Christie.
Die Lesung von Katharine Thalbach mit ihrer einzigartigen Stimme passt sehr gut zur Atmosphäre des Romans - gelungen.
Agatha Christie, Ruhe unsanft. Hörverlag 2013.
Verwirrt besucht die junge Frau mit Freunden ein Theaterstück in London, um sich abzulenken. Dabei lernt sie Miss Marple kennen, die Tante eines der Freunde. Gegen Ende des Kriminalstücks erleidet sie plötzlich einen Schock. Zunächst glaubt sie, geisteskrank zu sein, doch Miss Marples Fragen gehen in einen andere Richtung - etwas in ihrer Vergangenheit löst all diese Dinge aus. Zusammen mit Miss Marple beginnt das junge Paar zu recherchieren und schließlich kommt die Licht in die Geschehnisse der Vergangenheit und ein alter Mord kann aufgeklärt werden.
Dieser Miss Marple Thriller ist vom Setting her typisch und dank der Verfilmungen mit Margaret Rutherford hat man alles bildhaft vor Augen. Dass der Mord so weit zurückliegt, ist weniger typisch, verändert Miss Marples Recherchetechniken jedoch kaum. Mit ihrem Charme und ihrer Kombinationsgabe findet sie schnell heraus, was wirklich geschehen ist und trennt die falschen von den richtigen Fährten. Ein Klassiker, wunderbare Agatha Christie.
Die Lesung von Katharine Thalbach mit ihrer einzigartigen Stimme passt sehr gut zur Atmosphäre des Romans - gelungen.
Agatha Christie, Ruhe unsanft. Hörverlag 2013.
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