Saturday, October 26, 2019

Ingeborg Schober - Pop-Tragödien

Ingeborg Schober beschreibt in  Pop-Tragödien: Die spektakulärsten Fälle von den Beach Boys bis Nirvana an zehn Beispielen, wie die Musikindustrie und die an ihr verdienenden Menschen oft dazu beitragen, dass Künstler dem Druck, der auf ihnen lastet, nicht mehr standhalten und daran psychisch, finanziell oder auch durch Selbstmord zugrunde gehen. Die behandelten Künstler/Bands sind:



Leon Theremin
Soeur Sourire
Beach Boys
Nico
Badfinger
Sid Vicious
Falco
Nirvana
Bob Geldof
Milli Vanilli


Prinzipiell ist es eine vielfältige, interessante Auswahl, da dies nur zum Teil Künstler sind, die einem beim Stichwort "Pop-Tragödie" sofort einfallen (wobei einige derselben bei dem Begriff Pop wohl nicht einverstanden wären...). Auch sind die Fakten, sofern ich das beurteilen kann, scheinbar ordentlich recherchiert, es gibt umfangreiche Quellenhinweise am Ende des Buches.
Sprachlich ist es allerdings eher kein Vergnügen. Schober stellt jedem Kapitel ein knappes zusammenfassendes Vorwort voran - sollte man also noch nicht wissen, wie das Schicksal dieses oder jenes Künstlers war, so erfährt man spätestens an dieser Stelle davon. Erst dann beginnt die umfangreichere Beleuchtung der Lebensläufe und der Ereignisse, die zu dessen Tod oder Zusammenbruch führten. Das nimmt alle Spannung aus dem Leseprozess und versachlicht in einem Maße, die diesem Buch, das doch wohl auch unterhalten soll, nicht gut tut. So liest man desillusioniert über die Details, die dann auch noch sprachlich eher fade umgesetzt sind. Kein Lesevergnügen, auch wenn die Inhalte wohl lohnenswert wären.

Ingeborg Schober, Pop-Tragödien: Die spektakulärsten Fälle von den Beach Boys bis Nirvana. Fuego 2013. 

Betty Mahmoody - Nicht ohne meine Tochter

Betty Mahmoody veröffentlichte 1987 ihr Buch Nicht ohne meine Tochter, das von ihrer Flucht aus dem Iran erzählt.
1984 reiste Betty mit ihrem iranischen Ehemann Sayyed für einen zweiwöchigen Besuch in das nach der Islamischen Revolution von Khomeini regierte Land. Sie wohnten bei Sayyeds Verwandtschaft. Nach Ablauf der zwei Wochen verkündete Sayyed, dass sie nicht in die USA zurückkehren würden und erlaubte Betty nicht auszureisen. Er schränkte ihre Freiheit immer weiter ein, entzog ihr phasenweise die Tochter und war aggressiv und gewalttätig. Auch ihr Kontakt zu ihrer eigenen Familie in den USA war ihr nur selten erlaubt. Über den Zeitraum von über einem Jahr suchte und fand Betty schließlich auch Verbündete, die ihr eine Flucht zusammen mit ihrer Tochter ermöglichten.
Das Buch war ein internationaler Erfolg, das sich besonders gut in Deutschland verkaufte und das sogar für den Pullitzer Prize vorgeschlagen wurde. Den nicht überraschenden Vorwurf, das Buch sei anti-muslimisch geschrieben, kann ich nicht nachvollziehen, denn trotz der lebensbedrohlichen Situation, in der sich Betty im Iran befand, und der menschlich nur schwer nachzuvollziehenden Haltung der sie umgebenden Frauen, die das bestehende System zum größtenteils unterstützten und ihr nur bedingt zu Hilfe kamen, äußert sich die Autorin stets dankbar und respektvoll gegenüber den Menschen, die ihr Freundlichkeit und Hilfe entgegenbrachten und pauschalisiert nicht.
Auch wird immer deutlich, dass sie weder dem muslimischen Glauben noch dem iranischen Staat die Schuld an ihren schrecklichen Erfahrungen gibt, sondern die Schuld ihrem irrational handelnden, aggressiven Ehemann gibt. Zwar beschreibt Betty Mahmoody ihre Verzweiflung und Not sehr anschaulich, bleibt aber im Grunde erstaunlich sachlich in der Schilderung der Ereignisse. Nicht ohne meine Tochter ist eine beeindruckende Geschichte, die sicherlich auch heute noch Relevanz hat in ähnlichen Gesellschaftssystemen, besonders bei Paaren mit unterschiedlichem kulturellen Hintergründen.

Betty Mahmoody, Nicht ohne meine Tochter. Lübbe Audio 2015.

Friday, October 25, 2019

Spring of winter

"Autum is the spring of winter."
postcrossing card on its way to South Korea

Arne Jysch - Der nasse Fisch


Mit viel Liebe zum Detail und zu den historischen Hintergründen hat Arne Jysch den ersten Band von Volker Kutschers Gereon-Rath-Reihe, Der nasse Fisch, als Graphic Novel umgesetzt. Im Gegensatz zur TV-Adaption (Babylon Berlin), in der Figuren und Zusammenhänge verändert wurden, hält sich Jysch an den Plot des Romans und nimmt keine tiefgreifenden Veränderungen vor. Es gelingt ihm durch gut gesetzte innere Monologe und eingefügte Schriftstücke auch die komplexeren Zusammenhänge gut und verständlich darzustellen.
Die rein schwarz-weißen Zeichnungen passen zu unserer Wahrnehmung der Zeit, die man durch schwarz-weiß-Fotografien oder -Filme kennt. Beeindruckend schafft es Jysch, die Atmosphäre der 20er Jahre in Berlin einzufangen und man merkt den Zeichnungen eine tiefgehende Recherche an, etwa in den Bereichen Werbung, Architektur oder Mode.
Gereon Rath wird als intelligenter und guter Ermittler dargestellt, seine Schwächen und emotionalen Hemmnisse bringen ihn zwar in Schwierigkeiten, sind aber am Ende nicht handlungsbestimmend. Deutlich weniger intensiv als in der TV-Serie werden der Glamour und die "Abgründe" Berlins zu der Zeit dargestellt - hier setzt Jysch stärkere Akzente auf die politischen Zusammenhänge.
Insgesamt ist Arne Jyschs Der nasse Fisch eine zeichnerisch und inhaltlich überaus gelungene Adaption des Romans. 

Arne Jyschs, Der nasse Fisch. Carlsen, Hamburg 2008. 

zur Rezension des Romans: Volker Kutscher, Der nasse Fisch

Thursday, October 24, 2019

A.A. Milne - Winnie-the-Pooh

Winnie-the-Pooh is the first of A.A. Milne's books on Pooh Bear and his lovable companions. Tigger hasn't arrived yet in the hundred-acre-wood but all the others are there having their small adventures. 
Each chapter contains one story told in the voice of Christopher Robin's father speaking to his son. 
This audio production is performed by Peter Dennis who does the characters real justice and it is really enjoyable to listen to him. There is music between the chapters and some quiet sounds were added (like the crackling fire or chirping birds).  
Altogether a lovely audio version of this classic.




Tuesday, October 22, 2019

Terry Pratchett - Die Nachtwächter

Die Nachtwächter ist der achte Scheibenweltroman, der sich um Kommandeur Mumm und die Stadtwache dreht.
Bei der Verfolgung eines Schwerverbrechers geraten dieser und Mumm auf dem Dach der Unsichtbaren Universität in einen magischen Sturm und werden in der Zeit zurückkatapultiert. Mumm trifft dort auf eine jüngere Version von sich selbst und muss bizarrerweise die Rolle des John Keels einnehmen, der sein Vorbild und Ausbilder ist/war. "Keels" kommandiert die Nachtwache, einen undisziplinierten Haufen, der aber in der aufkommenden Revolution in Ank-Morpork eine wichtige Rolle spielt und dessen historischer Einfluss essentiell ist für Mumms Gegenwart. Und obwohl er also eigentlich schnellstmöglich zurück in seine eigene Zeit möchte, steckt er in einem Dilemma politischer und persönlicher Natur, was sein Gewissen und seinen Verstand mehr als einmal auf eine harte Probe stellt.
Trotz des üblich exquisiten Pratchett-Humors sind in Die Nachtwächter durchaus auch ernstere Zwischentöne herauszuhören, was angesichts des Revolutionsthemas nicht verwundert.
Besonderen Spaß bereitet die Begegnung mit den frühen Versionen von etablierten (Neben-) Charakteren von Ank-Morpork wie Schnapper, der gerade erst sein Geschäft eröffnet, Nobby Nobbs als Junge oder auch der spätere Patrizier Lord Vetinari, der gerade bei der Assassinengilde (!) seine Ausbildung macht.
Michael-Che Koch setzt diese Geschichte hervorragend in verschiedene Stimmlagen und Dialekte um, es ist ein excellentes Hörbuch.

Terry Pratchett, Die Nachtwächter. Random House Audio 2012.

Zur Liste der gelesenen Pratchett-Romane

Sunday, October 20, 2019

Melchior/Oubrerie - Der Goldene Kompass 1

Diese Graphic Novel ist der erste Teil einer Adaption von Der Goldene Kompass von Philip Pullman. Sie umfasst die Geschichte Lyras in Oxford, ihre Flucht vor Mrs Coulter und ihren Aufbruch gen Norden, wo sie helfen will, ihren Onkel und die verschwundenen Kinder zu retten.
Die Zeichnungen von Melchior und Oubrerie sind atmosphärisch, oft auch düster aufgrund gedeckter Farben. Die Szenen sind abwechslungsreich gestaltet mit Totalen, Portrait- und Detail-Panels. Die Emotionen der Figuren werden verständlich, auch wenn einige der Gesichter zeichnerisch wenig intensiv ausgestaltet sind. Auch die Daemonen wirken manchmal oberflächlich, wobei sie eigentlich ein sehr interessantes Element der ursprünglichen Geschichte sind. Hier liegt auch das Hauptproblem dieser Graphic Novel - ich bin mir nicht sicher, ob der Plot insgesamt verständlich gewesen wäre, wenn ich nicht den Roman bereits gelesen hätte. Zuviel wird auf die Schnelle oder gar nicht eingeführt, hier wäre eine kurze Einführung am Anfang, wie bei Graphic Novel oder Comics durchaus üblich, sehr hilfreich. So bleiben Zusammenhänge unklar und da die Bilder mich nicht sehr ansprechen, werde ich es wohl bei diesem ersten Band belassen.

Stéphane Melchior/Clément Oubrerie, Der Goldene Kompass 1. Carlsen, Hamburg 2015.

Friday, October 18, 2019

John Williams - Stoner


John Williams' Roman Stoner (erstmals 1965) wurde vor einigen Jahren wiederentdeckt und geriet dadurch auch außerhalb der USA in den Fokus.
William Stoner (- seltsam, dass auch dieser Protagonist Anklänge an den Nachnamen des Autoren hat, wie auch der Protagonist aus Butcher's Crossing) wächst auf einer Farm in Missouri auf, wo seine Eltern ein sehr entbehrungsreiches und schlichtes Leben führen. Sein Schicksal wendet sich, als sie ihn zum Landwirtschaftsstudium nach Columbia schicken. Dort packt ihn die Liebe zur Literatur, die zuvor unentdeckt in ihm steckte. Er entscheidet sich für ein Literaturstudium und lässt damit das Farmleben und seine Eltern hinter sich.
Es folgt der Abschluss des Studiums und ihm wird ein Dozentenjob an der Universität angeboten. Stoner bleibt, heiratet, bekommt eine Tochter, hat eine Geliebte, gerät in Auseinandersetzungen mit einem Kollegen und Vorgesetzten und stirbt schließlich an Krebs im Moment seiner Emeritierung.
Dies klingt nicht nach einer sonderlich spannenden Geschichte - und das ist es auch nicht. Seltsam distanziert betrachtet man als Leser dieses Leben eines Mannes, der eine überraschende, natürliche Liebe zur Literatur und dem Universitätsbetrieb in sich trägt, aber davon abgesehen nicht recht weiß, wie er sein Leben in die Hand nehmen soll. Sein Werben um eine Frau, die er nicht kennt und die ihn nicht lieben kann, endet in einer desaströsen Ehe, die auch das Leben seines Kindes zerstört. Die einzig große Liebe zu einer Frau endet in großem Leiden, aber unaufgeregt und undramatisch. Im Grunde gibt es in seinem Leben nur sehr wenige lichte, leichte oder glückliche Momente, er erduldet sein Leben ohne wirklich viel Einfluss darauf zu nehmen oder nehmen zu können. Nur selten ergreift er das Wort oder wird aktiv, um sich durchzusetzen und sein Leben zu beeinflussen.
Die einzige positive Konstante seines Lebens ist seine Leidenschaft für Literatur und noch vielmehr für die Lehre, den Seminaren und den Studenten widmet er den Großteil seiner Lebenszeit.
Die Grundstimmung des Romans ist tatsächlich etwas bedrückend - wie leben wir unser Leben? Nehmen wir es in die Hand? Erdulden wir es? Was hat wirkliche Bedeutung, wofür sind wir bereit zu kämpfen? Stoner trifft seine Entscheidungen nach seinem Ermessen, seinem eigenen Kompass, ist dabei zutiefst menschlich und nimmt sein Leben an, wie er es zu leben im Stande ist - und damit beeindruckt dieser Protagonist nachhaltiger als manch andere Romanfigur.

John Williams, Stoner. dtv, München 2013. 

Thursday, October 17, 2019

Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo

Die Geschichte der Christiane F. steht sinnbildlich für Drogenabhängigkeit und den schwierigen Kampf gegen das Heroin, den viele Jugendliche in den 70er Jahren verloren. Als die damals 16jährige Christiane F. in einem Prozess aussagt, werden die Reporter Kai Hermann und Horst Rieck auf sie aufmerksam. Sie bitten sie, ihre Geschichte zu erzählen, woraus das Buch entsteht, das lange 1978 die Bestsellerlisten anführte und die Gesellschaft erstmals auf die Problematik der abhängigen und sich prostituierenden Minderjährigen aufmerksam werden ließ.
Beeindruckend an der Erzählung ist der große Detailreichtum und die Offenheit, mit der Christiane F. von ihrer "Drogenkarriere" berichtet. Die Trostlosigkeit ihrer Ausgangslage in Berlin Gropiusstadt der 70er Jahre allein reicht aus, um ein gewisses Verständnis für ihren Werdegang aufzubringen. Und auch wenn bereits 40 Jahre vergangen sind, seit die Szene, die geschildert wird, Realität war, so nimmt dies nicht den Schrecken. Betroffen macht auch immer noch die Ahnungslosigkeit und die Hilflosigkeit der Erwachsenen gegenüber den abhängigen Jugendlichen - es scheint nahezu niemanden gegeben zu haben, der helfen wollte oder konnte.
Im Vergleich dazu gibt es heute zwar zahlreiche Hilfsangebote, die Szene sieht anders aus, aber Berlin kämpft wieder mit steigenden Zahlen bei Drogentoten, wobei Heroin wieder oder weiterhin eine Rolle spielt.
Die Geschichte der Christiane F. ist insofern leider weiter aktuell, weiter erschreckend, und auch im Jahr 2019 noch eine Geschichte, die erzählt und angehört werden sollte.

Christiane F., Wir Kinder vom Bahnhof Zoo. Nach Tonbandprotokollen aufgeschrieben von Kai Hermann und Horst Rieck. Carlsen, Hamburg 2009.

Wednesday, October 16, 2019

Robert Galbraith - Die Ernte des Bösen

Nach Der Ruf des Kuckucks und Der Seidenspinner (zu dem ich überraschenderweise keine Rezension verfasst habe, frage mich wieso nicht...) ist Die Ernte des Bösen der dritte Fall des ungewöhnlichen Ermittlerteams Cormoran Strike und Robin Ellacott von Robert Galbraith (alias J.K. Rowling).
Der Fall beginnt mit Knalleffekt - Robin bekommt ein Päckchen ins Büro geliefert, doch statt der erwarteten Dinge für ihre anstehende Hochzeit befindet sich darin ein Frauenbein. Cormoron fallen gleich mehrere mögliche Absender ein, was eine Menge Ermittlungsarbeit und Beschattungen bedeutet. Der Leser hingegen muss miterleben, wie auch Robin ihrerseits vom Täter beschattet wird, sie soll sein nächstes Opfer werden.
Was rasant beginnt, lässt leider im Mittelteil leicht zu wünschen übrig, zäh gehen die Ermittlungen voran, verlieren sich in einem Hickhack mit den offiziellen Ermittlungsbehörden und falschen Fährten. Außerdem drehen Cormorans und Robins Gedanken beständig um sich selbst, Robin mit ihrem Zweifel an sich, an ihrem Verlobten und ihren intensiven Gefühlen für Cormoran selbst, Cormoran ist ebenfalls irritiert darüber, wie sehr Robins Hochzeit mit dem seiner Ansicht nach falschen Mann ihn beschäftigt, und ist in steter Sorge um sie. Angesichts des dreisten und brutalen Killers, der in der Zwischenzeit weiter mordet, wirkt dies nahezu unpassend und trivial, zumal sie im Grunde beide wissen, wie gut sie sich ergänzen und einander brauchen. Zumindest beruflich.
So ist man im Grunde ein wenig erleichtert, als endlich die falschen Fährten eliminiert und der wahre Täter identifiziert ist. Happy End.

Robert Galbraith, Die Ernte des Bösen. Random House Audio 2016.


Thursday, October 10, 2019

Peter Wohlleben - Das geheime Leben der Bäume

Als jemand, der gern wandert und im Wald ist, interessierte mich dieses Buch durchaus, auch wenn Sachbücher ganz allgemein nicht zu meinen Favoriten gehören.
In mehr oder weniger kurzen Kapiteln führt uns der Autor an verschiedene Aspekte des Lebens der Bäume heran. Dabei bedient er sich sowohl breitem Allgemeinwissen als auch neuerer Forschung (deren Qualität ich natürlich nicht nachvollziehen kann). Vieles davon ist durchaus Basiswissen, anderes verschiebt aber die Blickweise, mit der man auf Bäume bzw. vielleicht auf die Pflanzenwelt allgemein hat. Hier sind komplexe und vor langfristige Prozesse im Gange, die man beim bloßen Blick auf den Baum natürlich nicht sofort erkennen kann.
Sprachlich vermochte mich das Buch allerdings nicht zu fesseln, die Erzählweise bedient sich oft der gleichen Stilmittel und gleicher Floskeln, was auch die Lesung von Roman Roth nicht ausgleichen konnte. Ich muss zugeben, dass ich es nicht vollständig gehört habe, sondern Teile übersprungen habe. Dennoch ist es kein uninteressantes Buch und von der Thematik her sicher beachtenswert.

Peter Wohlleben, Das geheime Leben der Bäume. Hörverlag 2016.

Monday, October 07, 2019

Shaffer und Barrows - Deine Juliet


Es ist traurig, dass die Hauptautorin dieses wunderbaren Romans, Mary Ann Shaffer, kurz vor dem Erscheinen ihres Debuts verstorben ist. Was für schöne Ideen und Bücher hätte sie uns vielleicht noch schenken können! Ihre Nichte Annie Barrows half ihr, das Buch zu beenden.

Der deutsche Titel Deine Juliet spiegelt wider, dass es sich um einen Briefroman handelt. Juliet ist eine britische Journalistin, die während des zweiten Weltkriegs eine lustige Kolumne verfasst, die zu einem erfolgreichen Buch wurde. Nach Kriegsende (1946) ist sie nun auf der Suche nach einem Thema für ein neues Buch. Sie ist eine absolute Liebhaberin von Büchern und schrägen Charakteren und Geschichten, wie schon ihre ersten Briefe an ihren Verleger Sidney und dessen Schwester beweisen.
So ist es überhaupt nicht verwunderlich, dass sie ganz aus dem Häuschen ist, als sie eines Tages einen seltsamen Brief von der Insel Guernsey bekommt. Ein Mann namens Dawsey hat eines ihrer Second-Hand-Bücher erworben, in dem ihre Adresse stand, und will nun ihre Meinung zu dem Buch erfahren. Er berichtet außerdem von seinem Buchclub, The Guernsey Literary and Potato Peel Pie Society (Originaltitel des Romans), der sich aus der Not heraus im zweiten Weltkrieg gründete.
Beginnend mit diesem einen Brief entwickelt sich ein brieflicher Dialog zwischen den Mitgliedern dieses Buchclubs und Juliet. Schnell wird klar, dass es dabei nicht nur um Literatur, sondern vor allem um die Ereignisse auf Guernsey während der Besatzung durch die Deutschen geht. Viel Schlimmes ist in dieser Zeit passiert und alle Buchclubmitglieder haben ihre ganz eigene Geschichte zum Gesamtbild beizutragen. Juliet ist fasziniert und angerührt von diesen Geschichten und neugierig darauf, diese Menschen kennenzulernen. So fährt sie schließlich nach Guernsey und lässt sich aufnehmen in den Kreis dieser liebenswerten und teils skurrilen Charaktere.
Natürlich enthält der Roman auch eine Liebesgeschichte, die sich aber unauffällig, fast beiläufig entwickelt.
Die Protagonistin und auch alle übrigen Charaktere wachsen einem mehr und mehr ans Herz und auch die Insel wird mit soviel Wärme und Bewunderung geschildert, dass man sogleich hinreisen möchte.

Deine Juliet hat mich in der Tat mit auf eine Reise genommen und trotz der traurigen Zwischentöne behält der Roman immer den heiteren, optimistischen Ton von Juliet, einer Protagonistin, die humorvoll, teils auch zynisch, immer sensibel und vor allem selbstbewusst ihr Leben in die Hand nimmt und das in einer Zeit, wo dies für Frauen keine Selbstverständlichkeit war.

Mary Ann Shaffer und Annie Barrows, Deine Juliet. btb, München 2015.


Sunday, October 06, 2019

J.R. Ward - Nachtjagd

In diesem ersten Teil der Black Dagger Reihe von J.R. Ward, Nachtjagd, lernen wir die junge Journalistin Beth kennen. Ihr Leben ist wenig spektakulär, auch wenn sie ab und an Tipps vom lokalen Polizeiteam bekommt, weil dort alle Beth fürchterlich attraktiv finden. Doch erst nach einem fiesen Vergewaltigungsversuch lernt Beth mit Wrath, der sie beschützen will, den Mann kennen, dem sie besinnungslos verfällt. Vielleicht kein Wunder, denn sie ist ja gerade an der Schwelle, zum Vampir zu werden, wovon sie aber natürlich noch nichts weiß und der superattraktive Wrath will ihr bei diesem Übergang helfen und verfällt ihr seinerseits...
Mehr passiert eigentlich nicht.
Achja, einige mäßige Sexszenen und brutale Kampfszenen vielleicht noch, besonders ersteres in floskelartiger Sprache. Man bekommt einen ersten Eindruck von dieser Black Dagger Vampirwelt, in der die Vampire gegenseitig ihr Blut trinken und sich dafür nach einem diffusen Ehrenkodex verbinden müssen. Diverse Nebenschauplätze werden auch eröffnet, der fiese Gegenspieler der ehrenhaften Vampirkaste, der verzweifelte Forschervampir, der dem Bluttrinken ein Ende machen will... Solche Dinge eben.
Es ist eine doch recht wilde Mischung verschiedener Handlungsstränge, von denen keiner (!) in diesem Band zuende geführt wird. Das, zusammen mit zwei katastrophalen Protagonisten, die nur aus Stereotypen bestehen und auch so handeln, ist in meinen Augen ein absolutes KO-Kriterium für eine Fantasyreihe. Wenn man es noch nicht einmal im ersten Band schafft, seine Gedanken in einen halbwegs plausiblen Plot zu bündeln und seine Charaktere sich zumindest minimal entwickeln lassen kann, geschweige denn ein Ende für die Story zu finden, dann ist dies verschwendete Lese- bzw. Hörzeit.
Mir tat Johannes Steck fast ein wenig leid, dass er diese Banalitäten lesen musste, wenn er sonst Autoren wie Simon Beckett interpretieren darf...

J.R. Ward, Nachtjagd. Lagato 2008.

PS.: Habe noch herausgefunden, dass in der deutschen Edition der erste Band der Originalreihe in zwei Bücher aufgeteilt wurde. Das klärt vielleicht das absolut katastrophale Nichtvorhandensein eines Abschlusses, stellt aber die Frage, was sich der Lektor/Verlag dabei wohl gedacht hat. *kopfschüttel* 

Highwomen

I rarely post music videos or music reviews.
This is one of these few occasions.

I don't love country. I don't. Rule.
I started making exceptions for a certain (Grammy winning) Brandi Carlile who is one amazing woman, singer, songwriter and musician.
She is now part of a so-called supergroup of four American country singers, the Highwomen. The name came from another supergroup of country, the Highwaymen. The Highwomen want to support women in country music because they are often underrepresented.
Their first album (though country) is great. They are exceptionally good together, just listen to those harmonies... I wish I could see and listen to them live.


 

Friday, October 04, 2019

Marion Zimmer Bradley - Die Nebel von Avalon

Als Teenagerin hat mich diese Artus-Geschichte aus der Sicht von der Priesterin und Zauberin Morgaine schwer beeindruckt.
Beim Hören dieser ungekürzten Lesung (2813 Minuten - das sind fast zwei Tage!) von Katharina Spiering war es für mich in der Wiederbegegnung mit diesem Epos erstaunlich, wie vertraut mir noch viele der Figuren und Handlungsstränge waren. Zwar sehe ich die Geschichte literarisch nun in einem anderen Licht, dennoch vermochte sie mich erneut zu fesseln.
Zumindest in den ersten zwei Dritteln, danach flacht die Geschichte deutlich ab, passt irgendwie zu Aufstieg und Fall von König Arthur. Auch Morgaine als Charakter ist im letzten Teil weniger präsent, sie zieht sich zurück, wie auch Avalon immer weiter in der Bedeutungslosigkeit verschwindet.
Da die Geschichte endet, wie sie eben enden muss, war es dadurch zäh, sich durch die letzten Stunden zu hören. Vielleicht war es auch einfach objektiv zu lang. Den Epilog, in welchem Morgaine Hoffnung schöpft, dass ihre Göttin dennoch immer in der Welt präsent sein wird, hatte ich nicht mehr im Kopf und hat mich als Schlusswort etwas versöhnt.

Marion Zimmer Bradley, Die Nebel von Avalon. Random House Audio 2012.

“There is no such thing as a true tale. Truth has many faces and the truth is like to the old road to Avalon; it depends on your own will, and your own thoughts, whither the road will take you.”


Thursday, October 03, 2019

Annette Hess - Deutsches Haus

Mit Deutsches Haus hat Annette Haus ein Buch mit einer besonderen Perspektive geschrieben. Durch die Augen von Eva Bruhns erleben wir den ersten Auschwitz-Prozess der Jahre 1963-1965. Sie wird als Dolmetscherin engagiert, um die polnischen Zeugenaussagen zu übersetzen. Beeindruckend zeichnet die Autorin das Bild Deutschlands zu dieser Zeit - die Ablehnung der Vergangenheitsbewältigung, die Angst vor der Entdeckung der eigenen Mitwirkung an Verbrechen, die man gern verdrängen möchte, und nicht zuletzt auch der aufkommende Fremdenhass gegenüber den hinzuziehenden Gastarbeitern.
Gleichzeitig erleben wir mit der Protagonistin die zunehmende Selbstständigkeit einer jungen Frau. Eva wird durch ihre Teilnahme an dem Prozess dazu gezwungen, sich mit der Geschichte ihrer eigenen Familie auseinanderzusetzen und entdeckt hinter der bürgerlichen Fassade Dinge, die zum Bruch mit ihrer Familie führen. Ihre Rolle als arbeitende Frau wird  beständig in Frage gestellt, ihr Verlobter will, dass sie ihre Tätigkeit aufgibt, und macht sogar den Versuch, dies bei ihrem Arbeitgeber rechtlich geltend zu machen (bis 1977 durfte der Ehemann entscheiden, ob seine Frau arbeiten durfte oder nicht!), woraufhin Eva die Verlobung löst.
Sie nimmt an der Reise des Gerichts nach Auschwitz teil und eindrücklich wird geschildert, wie sehr die dort erfahrene historische Realität alle Beteiligten schockiert.
Deutsches Haus ist auf mehreren Ebenen ein sehr lesenswertes Buch und bringt in Erinnerung, wie schwer es ist, sich mit dem Thema Schuld auseinanderzusetzen, dass es selten oder nie einfache Antworten gibt, aber wie wichtig es ist, die eigene Geschichte (und die der eigenen Familie) zu kennen und sich damit auseinanderzusetzen.

Annette Hess. Deutsches Haus. Ullstein, Berlin 2019.