Thursday, December 31, 2020

Results: SuB-Abbau-Punkte-Challenge 2020

Die SuB-Abbau-Punkte-Challenge 2020 ist eine Challenge der "Mitlesezentrale", einer Lesegemeinschaft auf goodreads.com. Es geht darum, den Stapel ungelesener Bücher (SuB) zu verkleinern, indem man durch die Punktevergabe der Challenge dazu motiviert wird, auch ältere Bücher zu lesen.

Wie man an den untenstehenden
Ergebnissen sehen kann, gab es einige ergiebige und einige sehr schwache Monate, wofür es unterschiedliche Gründe gab. Insgesamt werte ich die Teilnahme an der Challenge mit einer Gesamtpunktzahl von 291 Punkten als Erfolg, weil tatsächlich einige "SuB-Leichen" nun gelesen sind, wenngleich der SuB deswegen in 2020 nicht unbedingt kleiner geworden ist, aber daran ist ja nicht die Challenge schuld! Ich möchte definitiv in 2021 wieder mitmachen.

Punkte und Regeln für die Challenge 

Punkte:
  • Buch erfüllt die Monatsaufgabe: 2 Punkte
  • Buch lag bereits vor 2020 auf dem SuB: 1 Punkt oder
  • Buch lag bereits vor 2019 auf dem SuB: 2 Punkte
Zusatzpunkte, die es nur gibt, wenn das Buch schon vor 2020 auf dem SuB lag:
  • Buch hat über 400 Seiten / 12 Stunden: + 1 Punkt
  • Buch hat über 500 Seiten / 16 Stunden: + 2 Punkte
  • Buch hat über 600 Seiten / 20 Stunden: + 3 Punkte
  • Buch wurde in einer Leserunde gelesen: + 1 Punkt
  • Buch passt zum Monatsthema: + 1 Punkt
Regeln:
  • Rereads zählen nicht
  • abgebrochene Bücher zählen ab 50 gelesenen Seiten (keine Zusatzpunkte für die Seitenzahl)
  • ausgeliehene Bücher zählen nur, wenn sie bereits vor 2020 auf dem SuB lagen
  • Mangas, Comics, etc. zählen (keine Zusatzpunkte für die Seitenzahl)
  • für die Punktevergabe zählt der Monat, in dem das Buch beendet wurde
Monatsaufgaben:
  • Januar: Buch aus einer Reihe
  • Februar: Wälzer (mehr als 500 Seiten)
  • März: SuB-Leiche
  • April: Debutroman
  • Mai: erschienen vor 2000
  • Juni: Einworttitel
  • Juli: zufälliges Buch
  • August: neuer Autor
  • September: Mehrworttitel
  • Oktober: Einzelband
  • November: im Original weder Deutsch noch Englisch
  • Dezember: Weniger als 200 Seiten

Results - 2020 POPSUGAR Reading Challenge

 2020 POPSUGAR Reading Challenge 

Popsugar is a lifestyle magazine and their reading challenge has been around since 2015. 
On their website they list 40 book promps and additional 10 advanced prompts.
This year I managed to read books for all the regular prompts and six of the advanced prompt, although I finished some of them "last minute". I'm already looking forward to POPSUGAR 2021.

Here's the list with links to all the reviews.

A book that's published in 2020: Bannalec - Bretonische Spezialitäten
A book by a trans or nonbinary author: Charlie Jane Anders - Alle Vögel unter dem Himmel
A book with a great first line: O. Braithwaite - Meine Schwester, die Serienmöderin
A book about a book club: Jo Platt - Die Bücherfreundinnen
A book set in a city that has hosted the Olympics: Robert Galbraith - Weißer Tod
A bildungsroman: D.H. Lawrence - Söhne und Liebhaber
The first book you touch on a shelf with your eyes closed: Alex Capus - Königskinder
A book with an upside-down image on the cover: Schertenleib - Das Regenorchester
A book with a map: Tove Jansson - Winter im Mumintal
A book recommended by your favorite blog, vlog, etc.: David Foster Wallace - Unendlicher Spaß
An anthology: Ein Paradies aus Nichts - Geschichten vom Leben in der Wüste
A book that passes the Bechdel test: Tess Gerritsen - Das Schattenhaus
A book with the same title as a movie or TV show but is unrelated to it: Terry Pratchett - Die volle Wahrheit (The Truth)
A book by an author with flora or fauna in their name: Karen Rose - Dornenmädchen
A book about or involving social media: Sophie Kinsella - Frag nicht nach Sonnenschein
A book that has a book on the cover: Agatha Christie - Dreizehn bei Tisch
A medical thriller: Tess Gerritsen - Das Gesicht des Bösen
A book with a made-up language: Leigh Bardugo - Goldene Flammen
A book set in a country beginning with "C": Katharina Hagena - Das Geräusch des Lichts
A book you picked because the title caught your attention: M.E. Stedman - Das Licht zwischen den Meeren
A book published the month of your birthday: Delia Owens - Der Gesang der Flusskrebse
A book about or by a woman in STEM: M.L. Shetterly - Hidden Figures - Unerkannte Heldinnen
A book that won an award in 2019: Margaret Atwood - Die Zeuginnen
A book on a subject you know nothing about: Aki Ollikainen - Das Hungerjahr
A book with only words on the cover, no images or graphics: Siegfried Lenz - Das Wrack
A book with a pun in the title: Terry Pratchett - MacBest
A book featuring one of the seven deadly sins: Jussi Adler Olsen - Opfer 2117
A book with a robot, cyborg, or AI character: Ian McEwan - Maschinen wie ich
A book with a bird on the cover: Juli Zeh - Unterleuten
A fiction or nonfiction book about a world leader: Michelle Obama - Becoming
A book with "gold," "silver," or "bronze" in the title: Kristina Ohlsson - Silberjunge
A book by a WOC (=Woman of Colour): Toni Morrison - Sehr blaue Augen
A book with at least a four-star rating on Goodreads: Jennifer L. Armentrout - Opposition (4.4 on 5.1.2020)
A book you meant to read in 2019: Klüpfel und Kobr - Kluftinger
A book with a three-word title: Jussi Adler Olsen - Miese kleine Morde 
A book with a pink cover: Jojo Moyes - Kleine Fluchten
A Western: Carys Davies - West
A book by or about a journalist: Jacques Berndorf - Eifel-Krieg
Read a banned book during Banned Books Week (USA: 20th-26th Sept.) - Ken Kesey - Einer flog übers Kuckucksnest (allerdings im Mai...)
Your favorite prompt from a past POPSUGAR Reading Challenge ( = 2019: A book with unusual chapter headings):  Mark Haddon - Supergute Tage

Advanced prompts

A book written by an author in their 20s: Jane Austen - Verstand und Gefühl 
A book with "20" or "twenty" in the title: Jostein Gaarder - 2084 - Noras Welt
A book with a character with a vision impairment or enhancement (a nod to 20/20 vision)
A book set in the 1920s
A book set in Japan, host of the 2020 Olympics
A book by an author who has written more than 20 books: Jacques Berndorf - Bruderdienst
A book with more than 20 letters in its title: Hugh Lofting - Dr. Dolittle und seine Tiere
A book published in the 20th century: Enid Blyton - Fünf Freunde helfen ihren Kameraden (1945)
A book from a series with more than 20 books: Jacques Berndorf - Eifel-Liebe
A book with a main character in their 20s 


 

Wednesday, December 30, 2020

SuBAP-Challenge: Stand Dezember 2020

Besonders gegen Ende des Monats konnte ich mit einigen Weihnachtsbüchern (kurz, daher auch noch extra Punkte durch die Monatsaufgabe "weniger als 200 Seiten") die Gesamtbilanz etwas verbessern und schließe den Dezember mit 28 Punkten ab.

Buch 1:  Margaret Atwood  - Die Zeuginnen
- auf dem SuB seit 2019: 1 Punkte
- über 500 Seiten: 2 Punkte
Buch 2: Hansjörg Schertenleib - Das Regenorchester
- auf dem SuB seit 2019: 1 Punkt
- erfüllt die Monatsaufgabe: 2 Punkte
Buch 3: Friedrich Wolf - Die Weihnachtsgans Auguste
- auf dem Sub seit vor 2019: 2 Punkte
- erfüllt die Monatsaufgabe: 2 Punkte
Buch 4: Joachim Wahnschaffe - 100 Fragen an Weihnachten
- auf dem SuB seit 2019: 1 Punkt
- erfüllt die Monatsaufgabe: 2 Punkte
Buch 5: Sophie Kinsella - Frag nicht nach Sonnenschein
- auf dem SuB seit vor 2019: 2 Punkte
- über 500 Seiten: 2 Punkte
Buch 6: E.M. Forster - Die Maschine steht still
- auf dem SuB seit vor 2019: 2 Punkte
- erfüllt die Monatsaufgabe: 2 Punkte
Buch 7: Katrine Engberg - Blutmond
- auf dem SuB seit 2019: 1 Punkt
- über 500 Seiten: 2 Punkte
Buch 8: Jan Weiler - Berichte aus dem Christstollen
- auf dem SuB seit 2019: 1 Punkt
- erfüllt die Monatsaufgabe: 2 Punkte
Buch 9: David Foster Wallace - Unendlicher Spaß
- auf dem SuB seit 2019: 1 Punkt

David Foster Wallace - Unendlicher Spaß

Um es vorwegzunehmen: Nein, ich habe Unendlicher Spaß mit seinen 1547 Seiten nicht vollständig gelesen. Das scheint nach allem, was ich über dieses Buch weiß, auch ein eher ehrgeiziges Vorhaben zu sein, wenn man es denn verfolgen möchte. 

Ich kannte den Autor David Foster Wallace und sein Buch (im Original Infinite Jest, 1996) noch nicht einmal dem Namen nach, bis es auf der Liste der Bücherkulturchallenge auftauchte (wahrscheinlich mein Fehler). Ich bin immer noch verblüfft, dass es laut TIME Magazine zu den "wichtigsten englischsprachigen Romanen, die zwischen 1923 und 2005 erschienen sind" zählen soll. Sprachlich hat es eine so große Komplexität, dass es den Übersetzer Ulrich Blumenbach sechs Jahre kostete, eine Übersetzung ins Deutsche zu schaffen. Sie erschien 2009.


2010 veranstaltete der Verlag Kiepenheuer
& Witsch, das Literaturhaus Köln und das Schauspiel Köln eine Lesung mit Harald Schmidt, Maria Schrader, Manfred Zapatka und Joachim Król. Ergänzt wurden die gelesenen Szenen durch Kommentare und Erläuterungen durch den Verleger Helge Malchow und den Übersetzer Ulrich Blumenbach.
Dies und die hohe Kompetenz der Vorlesenden machen den Mitschnitt dieses Events zu einem Hörvergnügen, das dem Zuhörer den Roman näherbringt. 

Syntax und Diktion sind anspruchsvoll, die verschiedene Charaktere und Plots zum Teil verwirrend und verworren - ich will gar nicht erst versuchen, etwas zum Inhalt zu sagen. Die Lesung der wenigen Szenen ruft unter anderem und in schneller Abfolge lautes Lachen, Mitgefühl und Abscheu hervor. Dennoch würde ich selbst nach diesem "Audio-Schnupperkurs" sagen, dass es ein literarisch anspruchsvolles, aber sicherlich sehr lesenswertes Buch ist, das zu Unrecht in Deutschland keine große Bekanntheit erlangt hat. Ich glaube aber auch, dass es eine anstrengende und herausfordernde Lektüre ist, für die mir - zumindest im Moment - Geduld, Zeit und Ehrgeiz fehlen. 

David Foster Wallace, Unendlicher Spaß. Live-Mitschnitt. Der Hörverlag, München 2010.

Sunday, December 27, 2020

Jan Weiler - Berichte aus dem Christstollen

Jan Weiler unterhält den Leser in Berichte aus dem Christstollen mit Anekdoten aus der Weihnachtszeit, die er mit seiner Familie erlebt. Sie alle haben den selbstironischen Unterton, den man aus Weilers Kolumnen kennt. Durchaus unterhaltsam, aber keine literarische Höchstleistung - die vermutlich auch gar nicht angestrebt war. 

Jan Weiler, Berichte aus dem Christstollen. Rowohlt, Hamburg 2013. 

Saturday, December 26, 2020

Katrine Engberg - Blutmond

Auch in ihrem zweiten Fall Blutmond suchen Jeppe Kørner und Anette Werner nach einem Serienmörder. Einfach, aber grausam werden Mitglieder der dänischen Fashionszene ermordet. Jeppe fühlt sich unwohl mit dem Fall, denn sein guter Freund Johannes kannte die Opfer - ist er in die Geschehnisse verwickelt?
Schließlich ist es Esther, die Romanautorin aus dem ersten Band Krokodilwächter, die zusammen mit ihrem Mitbewohner Gregers eine entscheidende Verbindung zwischen den Opfern entdeckt und damit den Ermittlungen eine erfolgversprechende Richtung gibt. Doch es gibt gleich mehrere Verdächtige und so verfolgt man mit Jeppe und Anette die verschiedenen Fährten, um am Ende nach einem entsprechenden Showdown mit einer überraschenden Aufklärung aufzuwarten. 

Der zweite Krimi der dänischen Schauspielerin und Autorin Katrine Engberg bietet Spannung, gut angelegte, authentische Charaktere und einen ordentlichen Plot. Die Lesung von Dietmar Bär ist wunderbar wie immer. 

Katrine Engberg, Blutmond. Der Audio Verlag 2018.

Wednesday, December 23, 2020

E.M. Forster - Die Maschine steht still

Die in ihrer Kürze sehr beeindruckende Kurzgeschichte Die Maschine steht still von E.M. Forster (1879-1970) wurde erstmals 1909 veröffentlicht. Darin wird geschildert, wie eine unterirdisch, in kleinen Zellen lebende Menschheit von "der Maschine" versorgt wird. Diese wurde von der Menschheit zu eben diesem Zweck erschaffen, aber sie kontrollieren sie nicht mehr. Verschiedene technische und technologische Errungenschaften füttern die in Selbstisolation lebenden Menschen mit Nahrung und ermöglichen Informationsaustausch und Kommunikation über etwas, das entfernt an das Internet und Messengerdienste erinnert. Reale physische Kontakte kommen so gut wie nicht vor, da sich die Menschen kaum aus ihren Zellen bewegen und sich vor dem Draußen sogar fürchten.
So hat die Protagonistin Vashti ihren Sohn Kuno jahrelang nicht gesehen, bis er sie drängt, sie zu besuchen, was sie nur widerwillig tut. Sie ist entsetzt, als er ihr von seinem nicht genehmigten Ausflug auf die Erdoberfläche berichtet und distanziert sich von ihm.
Die Kurzgeschichte endet mit dem Zusammenbruch des Systems und erfüllt damit den Titel - Die Maschine steht still. Die Menschen geraten in Panik und Kuno und Vashti erkennen in ihren letzten Augenblicken, dass persönliche Beziehungen am wertvollsten sind und die Maschine ein Irrtum war.

Selbstgewählte, totale mentale Abhängigkeit von technischen Geräten, die uns von den wahrlich wichtigen Beziehungen in unserem Leben ablenken, wahre Kommunikation und Begegnung verhindern. Es ist erschreckend, was uns eine über 100 Jahre alte Dystopie vor Augen führen kann.
[legt Smartphone zur Seite...]

E.M. Forster, Die Maschine steht still. Hoffmann und Campe, Hamburg 2016.

Monday, December 21, 2020

Sophie Kinsella - Frag nicht nach Sonnenschein

Für die Popsugar Reading Challenge 2020 musste noch ein Buch her, in dem Social Media vorkommen. Fangirl von Rainbow Rowell, das hierfür eingeplant war, konnte wegen des Lockdowns leider nicht mehr aus der Bibliothek ausgeliehen werden. Also her mit ChickLit - Sophie Kinsellas Frag nicht nach Sonnenschein, das befindet sich auch schon lange auf dem SuB. 

Katie Brenner ist Somerset entflohen und hat endlich den ersehnten Job in London bekommen! Doch im Gegensatz zu ihrem glänzenden, heiteren Instagram-Account ist nicht alles so super. Sie lebt in einer ätzenden Wohnung weit weg von ihrem Arbeitsplatz und muss sich tagtäglich verbiegen, um ihre Herkunft zu verstecken und cooler zu wirken als sie ist. Der Job ist auch nicht der Traum, ihre Chefin ist unberechenbar und nimmt sie und ihre Qualitäten nicht wahr. Eh man sich versieht, ist sie den Job aber auch wieder los und zurück in Somerset, wo sie mal eben für ihren Vater einen Glampingplatz aufmacht - kein Schreibfehler. Es folgen noch ein paar Irrungen und Wirrungen, ein gutaussehender, aber zunächst unpassender Mann spielt natürlich auch eine Rolle... bis dann schließlich das von Anfang an erwartetete und logische Happy End eintritt. 
Nichts ist wirklich überraschend oder ungewöhnlich an diesem Roman, der aber auch nur eines will, nämlich entspannte Unterhaltung bieten. Das erfüllt die Autorin allerdings zuverlässig, alle Elemente sind vorhanden: die verpeilte, aber liebenswerte Protagonisten, die noch herausfinden muss, was gut für sie ist, die zickige Gegenspielerin und der gutaussehende Mann fürs Leben - dazu eine leicht schräge Rahmengeschichte, hier eben die Werbewelt und der Glampingplatz, alles gewürzt mit einer Prise Humor. 
Es ist nicht mein bevorzugtes Genre, aber es ist auch entspannend, sich mal so einer Story hinzugeben, zumal Kinsellas Charaktere nicht allzu furchtbar stereotyp waren. Naja, eigentlich doch... ach, egal. 
 
Sophie Kinsella, Frag nicht nach Sonnenschein. Goldmann, München 2017.

Sunday, December 20, 2020

Friedrich Wolf - Die Weihnachtsgans Auguste

Friedrich Wolf (1988-1953) veröffentlichte Die Weihnachtsgans Auguste im Jahr 1946 als Teil des Buches Märchen für große und kleine Kinder. Es gab außerdem 1959 ein Hörspiel im Rundfunk der DDR, dem mehrere Fernsehspiele und Trickfilme folgten. Besonders der Kinderfilm von Bodo Fürneisen von 1988 ist immer noch beliebt.
Vater Löwenhaupt kauft schon früh eine lebende Gans, die er sich als köstlichen Festtagsbraten zu Weihnachten vorstellt. Erst soll die Gans, von den Kindern Auguste/Gustje getauft, im Kartoffelkeller wohnen, doch die Kinder gewinnen die Gans so lieb, dass sie schließlich im Kinderzimmer schläft und natürlich - trotz der Widerstände des Vaters - nicht gegessen werden kann.
Die Geschichte funktioniert auch über 70 Jahre nach ihrem Erscheinen noch. Die Illustrationen stammen von Willi Glasauer (*1938) und erschaffen mit Liebe zum Details ihre eigene, historisch-klassische Atmosphäre.

Friedrich Wolf, Die Weihnachtsgans Auguste. Aufbau, Berlin 2011.

Hansjörg Schertenleib - Das Regenorchester

Ein Schweizer in Irland gibt sich ganz dem Schmerz hin, nachdem seine Frau in kürzlich verlassen hat. Per Zufall er Niamh, einer sechzigjährigen Irin, die ihn auswählt, um ihm ihr Leben zu erzählen. In ihren Erzählungen erleben wir die Schicksale einer typischen irischen Familie, aber auch ihre ganz persönliche Lebens- und Liebesgeschichte. Dankbar über die Ablenkung lässt sich der Schriftsteller, der von Niamh kurzerhand Sean genannt wird, auf ihre Geschichte ein, findet Freundschaft und schlussendlich eine neue Sichtweise auf das eigene Leben.
Sprachlich hat mir der Roman Freude bereitet, auch die Schilderungen der irischen Landschaften und Stimmungen gefiel mir. Die Musik des Regenorchesters, mit dem Hansjörg Schertenleib seinen Roman enden lässt, klingt mir fast im Ohr. 

Hansjörg Schertenleib, Das Regenorchester. Aufbau, Berlin 2014.


 

Saturday, December 19, 2020

Margaret Atwood - Die Zeuginnen

Fast 35 Jahre nach der Publikation von Der Report der Magd (1985) veröffentlichte Margaret Atwood einen Folgeband zu der Geschichte des dystopischen Gileads. In ihrem Nachwort zu Die Zeuginnen begründet sie dies auch mit den wiederkehrenden Fragen der Leserschaft nach dem Schicksal der Magd und ihrer Kinder. Man könnte aber auch den Eindruck haben der große Erfolg der Fernsehserie habe etwas damit zu tun...

Gilead 15 Jahre später. Einige der Protagonistinnen sind uns bekannt, andere kommen neu hinzu. Zwei Teenager, eine in Gilead, eine in Kanada (!) und Tante Lydia sind die hauptsächlichen Erzählerinnen, hinzu kommen weitere "Dokumente" des Geschehens. Ihre Schicksale werden miteinander verwoben, um vom zunehmenden Verfall Gileads zu berichten, das sich aus dem Inneren heraus selbst zersetzt. Die Perspektiven dieser Zeuginnen sind gut angelegt und zeichnen im Wechsel ihrer Erzählungen durchaus eine spannende Geschichte, wenngleich der Ausgang dieser durchaus vorhersehbar ist. Es stellt sich jedoch keine vergleichbare Identifikation mit der Geschichte ein, wie das bei Der Report der Magd der Fall war. Dort war es gerade der intensive Erzähl- und Gedankenstrom von Desfred, der den Leser mit in die Ungerechtigkeit dieser Gesellschaft und die Ohnmacht der Erzählerin hineinnahm. Diese Identifikation findet mit keiner der Protagonistinnen von Die Zeuginnen statt, dafür bleiben die beiden Mädchen zu hölzern und fast stereotypisch und Tante Lydia ist eine offensichtlich unzuverlässige Erzählerin, das man ihr nicht über den Weg traut. Befremdlich fand ich auch den geschichtlich-futuristischen Überbau, den Atwood ans Ende stellt - alles sind nur Dokumente, die in einer fernen Zukunft analysiert und gedeutet werden, Wahrheitsgehalt unklar - was aber durch die individuelle Note der einzelnen Erzählstränge sowieso schon so angelegt war. 

Zwar war Die Zeuginnen kein durchweg schlechtes Buch, bleibt aber hinter der literarischen Qualität des Vorgängers deutlich zurück. Wenn man fies sein will: Vielleicht hätte Atwood es doch besser nicht nur schnell auf der Parkbank zusammengeschrieben...

Margaret Atwood, Die Zeuginnen. Osterwold 2019.


Saturday, December 05, 2020

Terezia Mora - Das Ungeheuer

Darius Kopp ist am Ende. Seine Frau Flora hat sich das Leben genommen, nachdem sie ihn innerlich schon viel früher verlassen hatte. Seinen Job hat er auch verloren und so sitzt er in der leeren Wohnung und weiß nicht, wie er weiterleben soll. Schließlich begibt er sich auf eine Reise zu Floras Ursprüngen, in ihr Heimatland Ungarn und lässt sich vom Zufall immer weitertreiben. Auch Flora reist mit - in seinen Gedanken, als Asche in einer Pappschachtel im Kofferraum und am präsentesten in Form ihrer eigenen Tagebücher und Notizen, die Darius nach ihrem Tod entdeckt hat.
Mit ihm zusammen stellt der Leser fest, dass Floras Leben schon lange in Gefahr war, die Summe ihrer Erfahrungen und ihrer Erkrankungen ließ sie stets am Rande der Verzweiflung und des Todes stehen. Das Tragische daran: Darius hat noch nicht einmal erahnt, was in seiner Frau vorging und was sie erlebt hatte. Während er sich damit auseinandersetzen muss, begegnet er weiteren skurrilen Charakteren, die ihn jeweils ein Stück auf seiner Reise begleiten und dann wieder in den Weiten Osteuropas verschwinden. Dabei verschwimmen oft die Grenzen von Darius' Gedankenwelt und seiner Gegenwart, beides beeinflusst sich gegenseitig. 

Die Stärke des Romans - und auch sicher einer der Gründe, warum Das Ungeheuer von Terezia Mora 2013 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde - sind seine beiden Protagonisten. In der Audiobook-Fassung setzen Mercedes Echerer und Ulrich Noethen beeindruckend in Szene, zusätzlich zu der charakterlichen Tiefe. Vielleicht kommt hier zum Tragen, dass dies bereits der zweite Band um Darius Kopp ist, der erste Band der Trilogie trägt den Titel Der einzige Mann auf dem Kontinent (2009), der dritte Teil erschien 2019 unter dem Titel Auf dem Seil und handelt von Darius' Rückkehr ins Leben. Der Erzählstil ist sehr eindringlich und kraftvoll. 

Trotz dieser positiven Elemente begann der Roman nach etwa der Hälfte stark an meinen Nerven zu zehren, so dass ich zwischendurch sogar erwog, ihn abzubrechen. Das Leiden der beiden Protagonisten und ihre Unversöhnlichkeit mit sich, dem anderen und der Welt im Allgemeinen war phasenweise schwer zu ertragen. Das Audiobook ist mit fast zwölf Stunden umfangreich und es mangelt an greifbarer Handlung, abgesehen von den Zufallsbegegnungen in den unterschiedlichen Ländern, durch die Darius reist. Ich kann insgesamt den literarischen Wert des Romans zwar schätzen, aber ein Lesegenuss ist es leider nicht gewesen. 

Terezia Mora, Das Ungeheuer. Random House Audio 2014.


Tuesday, December 01, 2020

SuBAP-Challenge: Stand November 2020

Es war ein unergiebiger Lesemonat und obwohl sich  bestimmt im Original nicht-deutsche oder nicht-englische Titel gefunden hätten, habe ich die Monatsaufgabe des Monats November mit keinem Buch erfüllt. Allerdings habe ich Michelle Obamas Becoming beendet, so dass es zumindest einmal zum Monatsthema passte. Insgesamt habe ich nur vier Bücher vom SuB mit neun Punkten beendet, konnte aber für die Popsugar Challenge einiges abhaken.

Buch 1:  Thomas Hettche - Pfaueninsel
- auf dem SuB seit vor 2019: 2 Punkte
Buch 2: Michelle Obama - Becoming
- auf dem SuB seit 2019: 1 Punkt
- über 500 Seiten: 2 Punkte
- passt zum Monatsthema: 1 Punkt
Buch 3: Jojo Moyes - Kleine Fluchten
- auf dem SuB seit vor 2019: 2 Punkte
Buch 4: M.L. Shetterly - Hidden Figures
- auf dem SuB seit 2019: 1 Punkt

Monday, November 30, 2020

Oyinkan Braithwaite - Meine Schwester, die Serienmörderin

Oyinkan Braithwaite (*1988) ist eine nigerianisch-britische Autorin. Ihr Debutroman Meine Schwester, die Serienmörderin spielt in ihrer Geburtsstadt Lagos und handelt von einem ungleichen Geschwisterpaar. Korede arbeitet als Krankenschwester und ist heimlich verliebt in Tade, einen der Ärzte. Als ihre bildhübsche Schwester Ayoola sie ihm Krankenhaus besucht, geschieht das Unvermeidliche, Tade verliebt sich - wie fast alle Männer in Ayoola. Das lässt Korede an ihrer Loyalität ihrer Schwester gegenüber zweifeln, der sie nun schon mehrfach dabei helfen musste, die Leichen ihrer Geliebten zu entsorgen. Ist nun auch Tade in Gefahr? 

In einem sehr besonderen knappen Erzählstil mit ebenso knappen Kapitel erzählt die Autorin diese leicht unwahrscheinliche, absurd-groteske und spannende Geschichte in weniger als 250 Seiten. Die beiden Protagonistinnen werden dabei in ihren Stärken und Schwächen ausgeleuchtet, entfernen sich voneinander, um ihren Bund der Schwesternschaft nur umso stärker wieder zu festigen. Gleichzeitig fällt ein durchaus sehr zynischer Blick auf die Männer, die in ihren blinden Bedürfnissen nicht sehen, was direkt vor ihnen ist und was gut für sie ist. Das ungewohnte kulturelle Setting ist ebenfalls ein Plus. Insgesamt ein interessanter und kurzweiliger Roman.

Oyinkan Braithwaite, Meine Schwester, die Serienmörderin. Aufbau, Berlin 2020.


Sunday, November 29, 2020

Margot Lee Shetterly - Hidden Figures

Margot Lee Shetterly berichtet von der Geschichte der amerikanischen Raumfahrt aus der Perspektive der menschlichen "Computer" - eine Gruppe von Frauen, die in Langley für die NACA (später NASA) komplexe Berechnungen anstellt, um die ersten Flüge ins Weltall zu ermöglichen. Dabei konzentriert sich die Autorin auf die Beteiligung der afro-amerikanischen Frauen, die die Arbeit von Mathematikern erfüllten und auch in anderen Bereichen einen nicht zu unterschätzenden Anteil an den amerikanischen Raumfahrtprogrammen hatten.
Gleichzeitig ist Hidden Figures auch eine Geschichte des Kampfes um Gleichberechtigung und dem Ende der Segregation  und vor allem auch dem Recht auf gleiche Bildungschancen. Sie verdeutlicht dabei, wie viel mehr Schwarze - und besonders schwarze Mädchen und Frauen - leisten mussten, um im Rahmen ihres eingeschränkten und benachteiligten Bildungssystems den gleichen Bildungsgrad und eine gleichwertige Anerkennung desselben zu erlangen. Dies war eine nahezu unmögliche Herausforderung, was die Leistungen der schwarzen Mathematikerinnen bei NACA noch stärker heraustreten lässt. 

Vor diesem Hintergrund ist Shetterlys Buch eine großartige Zusammenfassung dieses Kampfes um Bildung, eine nachträgliche Wertschätzung der Leistungen dieser Frauen und im aktuellen Zusammenhang mit der erneuten Diskussion um Chancengleichheit in den USA ein wertvoller Beitrag. 

Andererseits ist es aus der Perspektive des Lesers ein sperriges Buch, das nicht ganz Sachbuch ist, für einen Roman aber deutlich einen zusammenhängenden Plot und Spannungsaufbau vermissen lässt. Die drei Protagonistinnen werden geschildert, werden aber nicht lebendig, man behält eine Distanz zu ihnen. Man hat Hochachtung vor ihren Leistungen, erfährt Details der Schwierigkeiten, die sie zu überwinden hatten, aber bleibt dennoch auf einer Sachebene, die wenig Emotionen auslöst. Hinzu kommt eine Tendenz, einige Aspekte mehrfach aufzuarbeiten, eine Redundanz, die auf Kosten der Lesbarkeit geht.
So habe ich schließlich auch einige Passagen und Kapitel mehr überflogen als gelesen und zum Abschluss den Film von Theodor Melfi (siehe Buchcover) angesehen, der mir gut gefallen hat. Insgesamt ist es ein interessantes Thema, das erzählerisch in Romanform sicherlich hätte besser dargestellt werden können, mich in dieser Form als Sachbuchs mit erzählerischen Anteilen nicht ganz überzeugen konnte. 

Margot Lee Shetterly, Hidden Figures - Unerkannte Heldinnen. Harper Collins 2017.

 

Sunday, November 22, 2020

Ulrich Peltzer - Das bessere Leben

Vermutlich ist es einfach gerade nicht meine/die Zeit für problematische intellektuelle Romane. Ulrich Peltzers Roman Das bessere Leben schaffte es 2015 auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises, was zusammen mit den fast durchweg positiven Rezensionen in den namhaften Feuilletons gewisse Hinweise auf literarische Qualität gibt. Erzählt wird aus der Sicht von Jochen Brockmann, einem erfolgreichen Sales Manager, und von Sylvester Lee Fleming, einem skrupellosen Geschäftemacher, Finanz-Investor und Risiko-Berater, so der Klappentext. Es geht um die Utopien und Träume ihrer Jugendzeit und der brutalen, kapitalistischen Realität ihrer Gegenwart. Es ist unklar, was in diesem Sumpf Lebenssinn - also das bessere Leben?! - sein soll, sein könnte, die beiden treiben in ihrem persönlichen Drama.

Soweit das, was ich verstanden habe. Beide Charaktere verschwimmen für mich, was vermutlich daran liegt, dass ich es mit dem Audiobook versucht habe, wenngleich Frank Arnold sich bei der Ausgestaltung alle Mühe gibt. Von den 16 Stunden habe ich jetzt fünf hinter mir und beende den Versuch. Die Charaktere interessieren mich nicht, gehen an mir vorbei und ihr Schicksal ist bedeutungslos. Ich habe bisher nicht herausfinden können, was für eine Geschichte überhaupt erzählt werden soll.

Ulrich Peltzer, Das bessere Leben. Argon 2015.

Sunday, November 15, 2020

Jojo Moyes - Kleine Fluchten

 Neun sehr kurze Kurzgeschichten von der Chick-Lit Autorin Jojo Moyes. Es hat ein pinkes Cover und es war das einzige Buch auf meinem SuB mit einem pinken Cover - und musste daher herhalten für die Erfüllung eines der Aufgaben der Popsugar Reading Challenge. Zum Glück hat es nur 144 Seiten und war schnell gelesen. Die enthaltenen Geschichten sind zuvor in anderen Kontexten oder Anthologien erschienen. Es handelt sich um:

  • Der Mantel vom letzten Jahr
  • Ein Spatz in der Hand
  • Der Wunschzettel
  • Krokodilsschuhe
  • Liebe am Nachmittag
  • Holdups
  • Dreizehn Tage mit John C
  • Between the Tweets
  • Margot

Die Protagonistinnen befinden sich meistens in einer eher düsteren oder unzufriedenen Phase ihres Lebens, wenn ihnen etwas Unvorhergesehenes passiert: Vertauschte Schuhe, ein gefundenes Handy, eine Begegnung mit einem Taxifahrer... Zum Teil sind es sogar interessante Ideen mit Potential, allerdings sind die Figuren recht gewöhnlich, handeln nicht überraschend, sondern sehr vorhersehbar. Und, soweit ich mich erinnere, war eines der Merkmale von (guten) Kurzgeschichten, nach einer ansteigenden Spannung hin zur Krise und ggf. der Auflösung des Konflikts, ein offenes Ende, das zum Nachdenken anregen soll und Raum zur Deutung lässt. Die einzig mögliche Ausdeutung kommt bei den meisten der Geschichten mit dem Holzhammer daher, offen bleibt da wenig.
Ich kann sagen, diese Sammlung hat mir nicht sonderlich gefallen, aber es war pink. 

Jojo Moyes, Kleine Fluchten. Geschichten vom Hoffen und Wünschen. Rowohl, Reinbek bei Hamburg 2017.



Saturday, November 14, 2020

Michelle Obama - Becoming

Ich bin spät dran damit, dieses Buch zu lesen - Biografien gehören nicht zu meinen Lieblingsgenres und Bücher mit über 500 Seiten wirken inzwischen bei meiner limitierten Lesezeit ein wenig abschreckend auf mich. Andererseits war es vielleicht auch kein schlechter Moment für dieses Buch, so kurz nach der glücklichen Abwahl des Schreckgespenstes, dem Michelle Obama am Ende ihrer Zeit als First Lady und am Ende von Becoming begegnen muss. 

Der Erzählstil von Michelle Obama gefällt, ist nicht zu abgehoben, klingt aufrichtig, eine gelungene Mischung aus Emotion und Sachlichkeit. Man erfährt - besonders als Nicht-US-StaatsbügerIn - viel von den Hindernissen, die sie als Frau und als Person of Colour überwinden musste. Man versteht, warum ihr die Dinge wichtig sind, für die sie sich während der Präsidentschaft von Barack Obama und danach eingesetzt hat. Sie sind eine logische Folge ihres Lebens, in sich stimmig. Hinzu kommen einige interessante Einblicke in das alltägliche Leben im Weißen Haus, Barack ist dabei natürlich mit einbezogen, doch ihre Perspektive ist ihre eigene und eine feminine noch dazu. 

Man könnte erwarten, dass die Ablösung dieses ungewöhnlichen Präsidenten durch jemand so verantwortungslosen wie Donald Trump in seiner Ehefrau auch Bitterkeit und Zynismus auslösen könnte. Doch sie lässt ihr Buch auf einer positiven Note und mit Hoffnung enden. Sie erinnert an das "Gefühl von Fortschritt, ein tröstliches Mitgefühl, die Freude daran mitanzusehen, wie die Unbesungenen, die Unsichtbaren ins Licht fanden. Einen Schimmer der Welt, wie sie sein könnte. Das wollten wir festigen, das sollte fortdauern: mit einer aufstrebenden Generation, die begriff, was möglich war — und dass für sie noch viel mehr möglich wäre." (S.542/543).  

Becoming fügt sich nahtlos in das positive Bild, das ich von dieser beachtenswerten, starken Frau hatte - und ich bin mir sicher, wir werden weiter von den Obamas hören. 

Michelle Obama, Becoming. Goldmann, München 2018.

Friday, November 13, 2020

Thursday, November 12, 2020

Challenge zum Deutschen Buchpreis

Seitdem ich Mitglied in der Mitlesezentrale bin, tun sich immer mal wieder neue Leseprojekte und Challenges auf. Semjon hat dort eine Challenge zum Deutschen Buchpreis ins Leben gerufen, das Ziel legt jede Teilnehmerin, jeder Teilnehmer selbst fest. Ich will versuchen, mindestens ein Buch aus jedem Jahr zu lesen. Der zeitliche Rahmen  ist Ende 2021, also langfristig, was mir mit meinem Leserückstand entgegen kommt. Bei der Auswahl bevorzuge ich die Romane, zu denen ich leicht Zugang habe (bereits auf dem SuB oder in Bibliothek oder Onleihe verfügbar) und markiere diese mit dem 🅿️. Dabei ist es mir egal, ob es der Gewinnertitel oder ein Buch von der Shortlist ist. Die Links in der Liste verweisen zu den Büchern bei goodreads, solange es keine Rezension von mir hier auf dem Blog gibt. 

Stand der Challenge: 21.11.2021 - 10/16

2005
✅ Arno Geiger - Es geht uns gut  ⭐️⭐️⭐️⭐️
❤️ Daniel Kehlmann – Die Vermessung der Welt ⭐️⭐️⭐️⭐️

2006
✅ Saša Stanišić – Wie der Soldat das Grammofon repariert ⭐️⭐️⭐️ (ohne Rezension)

2007
✅ Julia Franck - Die Mittagsfrau ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️

2008
✅ Rolf Lappert – Nach Hause schwimmen ⭐️⭐️⭐️

2009
✅ Kathrin Schmidt - Du stirbst nicht ⭐️⭐️⭐️

2010
🅿️ Melinda Nadj Abonji - Tauben fliegen auf
Jan Faktor – Georgs Sorgen um die Vergangenheit oder …
Thomas Lehr – September. Fata Morgana
Doron Rabinovici – Andernorts
Peter Wawerzinek – Rabenliebe
Judith Zander – Dinge, die wir heute sagten

2011
🅿️ Eugen Ruge - In Zeiten des abnehmenden Lichts
Jan Brandt – Gegen die Welt
Michael Buselmeier – Wunsiedel
Angelika Klüssendorf – Das Mädchen
Sibylle Lewitscharoff – Blumenberg
Marlene Streeruwitz – Die Schmerzmacherin

2012
✅ Ursula Krechel - Landgericht ⭐️⭐️

2013
✅ Terézia Mora - Das Ungeheuer ⭐️⭐️⭐️

2014
🅿️ Lutz Seiler - Kruso
✅ Thomas Hettche – Pfaueninsel ⭐️⭐️

2015  
🅿️ Jenny Erpenbeck – Gehen, ging, gegangen
🅿️ Rolf Lappert – Über den Winter
✅ Ulrich Peltzer – Das bessere Leben (nicht beendet) ⭐️

2016
🅿️ Bodo Kirchhoff - Widerfahrnis
Reinhard Kaiser-Mühlecker – Fremde Seele, dunkler Wald
André Kubiczek – Skizze eines Sommers
Thomas Melle – Die Welt im Rücken
Eva Schmidt – Ein langes Jahr
🅿️ Philipp Winkler – Hool

2017
🅿️ Robert Menasse - Die Hauptstadt
🅿️ Thomas Lehr – Schlafende Sonne
✅ Marion Poschmann – Die Kieferninseln ⭐️⭐️⭐️⭐️
🅿️ Sasha Marianna Salzmann – Außer sich


2018
🅿️ María Cecilia Barbetta – Nachtleuchten
✅ Maxim Biller – Sechs Koffer ⭐️⭐️⭐️
🅿️ Nino Haratischwili – Die Katze und der General
🅿️ Susanne Röckel – Der Vogelgott

2019
✅ Saša Stanišić - Herkunft ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️
🅿️ Miku Sophie Kühmel – Kintsugi
🅿️ Norbert Scheuer – Winterbienen
🅿️ Jackie Thomae – Brüder

2020
🅿️ Birgit Birnbacher - Ich an meiner Seite
🅿️ Iris Wolff - Die Unschärfe der Welt
🅿️ Deniz Ohde - Streulicht
🅿️ Anne Weber - Annette, ein Heldinnenepos
Thomas Hettche - Herzfaden
von der Longlist:
✅ Robert Seethaler - Der letzte Satz ⭐️⭐️⭐️⭐️

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🅿️ Plane dieses Buch zu lesen
⚠️ Lese gerade dieses Buch
✅ Habe dieses Buch im Challenge Zeitraum beendet
❤️ Dieses Buch habe ich früher mal gelesen und kann es empfehlen
⭐️Bewertung

Saturday, November 07, 2020

Thomas Hettche - Pfaueninsel

Man bleibt ein bisschen ratlos zurück auf der Pfaueninsel von Thomas Hettche. Ausgehend von einem erhaltenen Grabstein und den Lebensdaten (1800-1880) erzählt der Autor die Lebensgeschichte des Schlossfräuleins Marie Strakon. Sie ist kleinwüchsig, Waise und der König von Preußen nimmt sie und ihren ebenfalls kleinwüchsigen Bruder Christian in sein Kuriosenkabinett, das auf der Pfaueninsel entsteht, auf. 

Zeit ihres Lebens versucht Marie dem Urteil der Königin, die "Monster!" ausruft, als sie ihr begegnet, zu entkommen. Doch Schicksalsschläge rauben ihr den den Bruder, die große Liebe, das einzige Kind und letztlich auch die Insel, die am Ende verwahrlost zurückbleibt. Während Maries Leben verstreicht, dessen Dramatik und Hoffnungslosigkeit von Beginn an zu erwarten war, erlebt der Leser mit, wie die Pfaueninsel unter Friedrich III. ein außergewöhnliches Beispiel für Landschaftsgärtnerei und anderer Moden des 19. Jahrhunderts wird. Kritisch wird der Aufbau einer exessiven Menagerie auf der Insel geschildert, bei der Marie mit den Tieren mitfühlt, die da aus aller Herren Länder dem König geschenkt werden und die oft schon auf dem Weg dorthin oder nach kurzer Zeit verenden. So wird die Pfaueninsel für eine Phase zu einer Attraktion für die Berliner und Gäste des Königs, nach dem Tod Friedrich III. werden die Mittel gekürzt, was zur Aufgabe der Menagerie und dem Verfall von Teilen des Gartens führt. 

Teils sind die Ausführungen Hettches zur Pfaueninsel, insbesondere aus der Sicht Maries geschildert, die selbst zu den "Ausstellungsstücken" der Insel gehört, interessant, bieten sie doch einen besonderen kulturgeschichtlichen Einblick. Die Protagonistin jedoch bleibt einem fremd - vielleicht gewollt in ihrer Andersartigkeit - und auch die übrigen Gestalten, allesamt besonders und beachtenswert, bleiben blass. Einige des Ausführungen haben zudem Längen und Sexualität bekommt einen seltsamen Platz in der Geschichte, der nicht dazu passen will. Irritierend fand ich auch den Erzähler, der sich besonders gegen Ende in seine eigene Erzählung einschaltet und unter anderem ankündigt, das man bald am Ende sei - mit der Geschichte und mit Maries Leben. 

Insgesamt habe ich für das nicht sonderlich lange Audiobook sehr lange gebraucht. So fällt mein Gesamturteil eher schwach aus, auch wenn es dieses Buch 2014 auf die Short List zum Deutschen Buchpreis schaffte. 

Thomas Hettche, Pfaueninsel. Argon 2014.

Sunday, November 01, 2020

SuBAP-Challenge: Stand Oktober 2020

Die Monatsaufgabe des Monats September war Einzeltitel zu lesen, die nicht Teil einer Reihe sind. Das wäre prinzipiell eine dankbare Aufgabe gewesen, wenn der Oktober sich nicht zu einem sehr schlechten Lesemonat entwickelt hätte. So sind es nur drei mickrige Bücher vom SuB und für die Challenge mit 12 Punkten insgesamt. Immer erfüllen Bucht 1 und 2 auch noch Aufgaben in anderen Challenges...


Buch 1: Tracy Chevalier - Das Mädchen mit dem Perlenohrring
- auf dem SuB seit vor 2019: 2 Punkte
- erfüllt die Monatsaufgabe: 2 Punkte
Buch 2: Ian McEwan - Maschinen wie ich
- auf dem SuB seit 2019: 1 Punkt
- erfüllt die Monatsaufgabe: 2 Punkte
- über 400 Seiten: 1 Punkt
Buch 3: B. Hateley und W.H. Schmidt - Von Pfauen und Pinguinen
- auf dem SuB seit vor 2019: 2 Punkte
- erfüllt die Monatsaufgabe: 2 Punkte

Saturday, October 24, 2020

B. Hateley und W.H. Schmidt - Von Pfauen und Pinguinen

Von Pfauen und Pinguinen ist - so der Untertitel - eine Fabel über Frackzwang und Phantasie.
Im Ozean der Unternehmen regieren die Pinguine und erfolgreich ist, wer am besten den Idealen der Pinguine entspricht. Andere Vögel, wie der Pfau Perry, werden von den Pinguinen rekrutiert, um den Erfolg des Unternehmens zu maximieren. Einerseits tragen die Neuankömmlinge in der Pinguinfirma ihren Teil bei, werden aber aufgrund ihrer Andersartigkeit nicht vollends akzeptiert. Anpasssen oder nicht? Wie sehr anpassen? Wann ist Anpassen Selbstaufgabe? Mit diesen Fragen schlagen sich Perry, der Pfau, und die andere Neuen herum. Unterschiedliche Strategien führen dennoch nicht zum Erfolg - letztlich hilft nur, einen anderen Weg zu gehen und die Pinguine zu verlassen.
Einige Aspekte der Fabel haben einigen Wahrheitsgehalt, anderes ist etwas sehr plakativ und holzhammerartig über die Geschichte gestülpt worden, damit die Story funktioniert und rund wird. Man kann einige der Fragen über Anpassung und ihrem Nutzen sicher sich selbst stellen, ob man allerdings dadurch seinem Arbeitsplatzparadies wirklich näher kommt, bleibt offen.
Die Illustrationen von Sam Weiss sind schlicht und niedlich und werten das Buch deutlich auf. 

B. Hateley und W.H. Schmidt, Von Pfauen und Pinguinen. Knaur, München1996.

Monday, October 19, 2020

Ian McEwan - Maschinen wie ich

Charlie ist verliebt in Miranda, die in der Wohnung über ihm wohnt. Um sich für sie interessanter zu machen, lässt er sie teilhaben an seiner neuesten Errungenschaft, einem Adam. Adam ist einer von den 25 ersten Androiden, die in einem fiktiven Großbritannien 1982 auf den Markt kommen. Miranda und Charlie werden quasi zu Adams Eltern, als sie seine Persönlichkeitsparameter zu gleichen Teilen festlegen. Doch schnell wird klar, dass Adam nicht bloß ein Spielzeug sein kann, wie zuerst von Charlie gedacht. Adam greift mit der ihm eigenen Rationalität massiv in das Leben der beiden ein. Während Miranda und Charlie ein Paar werden, entdeckt auch Adam seine Emotionalität (und Liebe zu Miranda), sein Gewissen und analysiert mögliche Zukunftsperspektiven. Zum Leidwesen seiner Freunde – so muss man sie nun nennen – greift er eigenmächtig in ihr aller Leben ein und überschreitet damit die Grenzen der passiven, dienenden Maschine. 

In Maschinen wie ich platziert Ian McEwan seine Geschichte bewusst nicht in der fernen Zukunft, es ist keine Science Fiction Story. Statt dessen erdenkt er eine alternative Vergangenheit, in der einige politische und gesellschaftliche Ereignisse anders abgelaufen sind und so zu einem veränderten Jetzt im Jahre 1982 führen. Dabei sind die neuen Alben von den Beatles nur ein humoriges Detail, der geplante Austritt von Großbritannien aus der EU ein zeitgenössischer Seitenhieb, aber vor allem die Entwicklung der Informatik und künstlichen Intelligenz hat einen anderen Weg genommen. Dies verdankt diese fiktive Welt Alan Turing, der nicht durch die Verurteilung seiner Homosexualität auf einen Leidensweg gerät, der zu seinem Selbstmord führt. Hier erkennt man die klare Bewunderung Ian McEwans für den genialen Mathematiker, der sogar seinen Protagonisten Charlie vor Ehrfurcht erstarren lässt, sobald Turing ihm begegnet. 

Dieses interessant erdachte Setting überlagert aber nicht die zentralen Fragen des Romans. 

Zu welchem Zeitpunkt wird aus der Maschine, der künstlichen Intelligenz, eine Persönlichkeit? Was ist Bewusstsein? Und wenn Bewusstsein heißt, am Leben zu sein, welche Recht stehen dieser Persönlichkeit, gleich welcher Form, dann zu? Im Vergleich zum unvollkommen, emotional handelnden Menschen (von McEwan in seinen beiden menschlichen Protagonisten hervorragend ausgearbeitet), ist die zuverlässig moralische und rationale Maschine nicht sogar überlegen? Geschickt verdichtet der Autor diese Fragen zu einem Finale, bei dem am Ende der Leser selbst vor einem moralischen Dilemma steht, bei dem Richtig und Falsch nur schwer zu entscheiden ist.

Insgesamt ist Maschinen wie ich ein sehr intelligent konstruierter, gut geschriebener Roman, der für die nahe Zukunft relevante Fragen formuliert ohne klare, allzu einfache Antworten zu geben. Sehr gelungen.

 

Ian McEwan, Maschinen wie ich. Diogenes, Zürich 2019.

 


Sunday, October 04, 2020

Tracy Chevalier - Das Mädchen mit dem Perlenohrring

Im Vorwort des e-books zu Das Mädchen mit dem Perlenohrring äußert sich die Autorin Tracy Chevalier selbst beeindruckt von dem anhaltenden Erfolg des Romans. Sie erzählt von der für sie ungewöhnlichen Arbeit an dem Roman, den sie wie keinen anderen danach in einem kurzen Zeitraum verfasste.
Sie erzählt darin die fiktive Geschichte der Dienstmagd Griet, die in der Familie des Delfter Malers Vermeer dient. Sie hat ein außergewöhnliches Gespür für Farben und Proportionen, was dem Maler bald auffällt, so dass er sie als Gehilfin einsetzt. Gleichzeitig löst er dadurch Unwillen bei seiner Ehefrau aus, deren Eifersucht eskaliert, als sie erfährt, dass ihr Mann Griet nicht nur gemalt hat, sondern ihr außerdem auch ihre eigenen Perlenohrringe angelegt hat.
Der Roman schildert eindringlich das Machtgefälle in der holländischen Gesellschaft des 17. Jahrhunderts. Griet ist sich ihrer eigenen Machtlosigkeit und Unterlegenheit - als Frau und als Dienstmagd - stets bewusst und tritt nur zögernd, aber mit großer Bewunderung in näheren Kontakt mit Vermeer. Die übrigen Charaktere bleiben in der Darstellung stets hinter ihrer persönlichen Wahrnehmung der Ereignisse zurück - der Maler selbst bleibt konturlos, farblos, wenngleich er in seiner künstlerischen Genialität unangreifbar ist.
Insgesamt ist Das Mädchen mit dem Perlenohrring eine leise und unaufgeregte Geschichte, die dennoch ein klares gesellschaftliches Bild der Zeit zeichnet und einer ungewöhnlichen Protagonistin eine Stimme gibt, ohne dabei in eine kitschige Liebesgeschichte abzudriften, wie dies oft in historischen Romanen der Fall ist.

Tracy Chevalier, Das Mädchen mit dem Perlenohrring. Atlantik, Hamburg 2019.

Thursday, October 01, 2020

SuBAP-Challenge: Stand September 2020

Die Monatsaufgabe des Monats September bestand darin Bücher mit Titeln zu lesen, die mindestens vier Wörter enthalten. Das Monatsthema war, etwas von der Shortlist des Deutschen Buchpreises zu lesen. Das ist mit im September nicht gelungen. Insgesamt habe ich auch im September leider nicht viel lesen können und komme für die SuBAP-Challenge daher nur auf 16 Punkte, was aber bei nur drei Titeln in Ordnung ist.


Buch 1: Cornel Wachter (Hg.) - Ich fand Kunst doof und gemein
- auf dem SuB seit vor 2019: 2 Punkte
- erfüllt die Monatsaufgabe: 2 Punkte
Buch 2: Jodi Picoult - Beim Leben meiner Schwester
- auf dem SuB seit vor 2019: 2 Punkte
- erfüllt die Monatsaufgabe: 2 Punkte
- über 400 Seiten: 1 Punkt
Buch 3: John Irving - Gottes Werk und Teufels Beitrag
- auf dem SuB seit vor 2019: 2 Punkte
- erfüllt die Monatsaufgabe: 2 Punkte
- über 800 Seiten: 3 Punkte

Wednesday, September 23, 2020

John Irving - Gottes Werk und Teufels Beitrag

Mehr als 28 Stunden Lebenszeit habe ich nun Johannes Steck gelauscht, wie er mir John Irvings epische Geschichte von Homer Wells und Dr. Wilbur Larch vorliest. Er tut dies hingebungsvoll und großartig und es hat mir Freude bereitet, ihm zuzuhören.
Was ist nun aber zu dem Roman zu sagen?

Gottes Werk und Teufels Beitrag bietet alles, was man von Irving erwartet: Leicht schräge und dadurch interessante Charaktere, die in ungewöhnlichen Lebenssituationen stecken, schwierige Beziehungskonstellationen mit Konfliktpotenzial, wobei es dabei nicht nur um Liebesbeziehungen, sondern auch um Freundschaft und vor allem auch um Elternschaft geht.
Hier ist es Homers lang andauernde Coming-of-Age-Story. Durch verschiedene Zufälle wird er trotz mehrerer Versuche nicht adoptiert und verbleibt im Waisenhaus St Cloud's von Dr. Larch, der dort nicht nur die Frauen entbindet, sondern auch illegale Abtreibungen vornimmt, in der Überzeugung, dass die Frauen das Recht auf diese Entscheidung haben und dabei nichts bei dubiosen Praktiken riskieren sollten. Homer macht sich nützlich und lernt von Dr. Larch alles, was dieser über sein medizinisches Fachgebiet weiß. Doch sein Nachfolger kann und will er nicht werden, statt dessen beginnt er ein neues Leben auf einer Apfelfarm, wohin ihn die zufällige Bekanntschaft mit einer Patientin führt. Erst viel später in seinem Leben führt ihn der Weg dann doch zurück nach St Cloud's...
Natürlich habe einige der Erzählstränge der Nebencharaktere Längen, bei über 800 Seiten ist das nicht anders zu erwarten. Manche Figuren bedeuten einem mehr, andere weniger. Vielleicht hätten auch einige der Beziehungen noch mehr Tiefe vertragen, zum Beispiel ist die Dreierpersonenkonstellation von Homer mit Candy und Wally nicht so konfliktgeladen, wie man es erwarten würde, alle verhalten sich recht brav und angepasst. Auch Dr. Larches Ehrgeiz, Homer in die Rolle seines Nachfolgers zu pressen, ist zwar auf seiner Seite extrem, prallt aber an Homer und seiner beschaulichen Apfelexistenz komplett ab. Die übersprungenen 15 Jahre muten ebenfalls  seltsam an, waren aber wohl nötig, um die Geschichte zu ihrem voraussehbaren Ende zu führen. Insgesamt ist es ein wunderbarer Roman und Irving - wenn man sich auf seine Erzählweise und seine Figuren einlassen mag - ein besonderer Schriftsteller.

John Irving, Gottes Werk und Teufels Beitrag. Random House Audio 2015.

Thursday, September 17, 2020

Jodi Picoult - Beim Leben meiner Schwester

Als Anna geboren wird, ist Kate bereits schwerkrank. Anna wird geboren, weil Kate schwerkrank ist. Die Familie Fitzgerald wird erschüttert von der schweren Leukämie der Tochter, doch kann sie durch die Blut- und Knochenspenden der Schwester weiterleben. Anna liebt ihre Schwester, aber als sie 13 Jahre alt ist und es um die Spende einer Niere geht, wehrt sie sich und wendet sich an einen Anwalt, um ihr Recht auf medizinische Selbstbestimmung zu erstreiten. Diese Entscheidung stellt das fragile Familienkonstrukt auf den Kopf und alle Beteiligten müssen sich neu positionieren.
Entsprechend lässt Jodi Picoult in wechselnden Erzählperspektiven die Familienmitglieder berichten, aus der Vergangenheit und der Gegenwart. Hinzu kommen die Stimmen des Anwalts und von Julia, die vom Gericht bestellt wird, um die Familiensituation zu evaluieren.
Gut gelöst hat die Autorin, dass es keine richtige Antwort auf die Frage gibt, wie sich Anna entscheiden soll. Sie beleuchtet die schwankende emotionale Haltung, reißt auch an, dass eine 13jährige nicht alle Aspekte ihres Handelns überblicken kann, aber dennoch nicht ignoriert werden darf in ihren Wünschen.
Obwohl das Buch durchaus eine gewisse Faszination und einen Lesesog auslöste, habe ich auch Schwierigkeiten damit. Allem voran natürlich das Ende, mit dem es sich die Autorin m.E. zu leicht macht, weil es sie einer Entscheidung enthebt - schwach. Desweiteren sollen die verschiedenen Charaktere verschiedene Perspektiven auf das Problem eröffnen, bleiben dabei aber klischeehaft und hölzern. Hier fällt besonders der Bruder mit seinem selbstzerstörerischen Verhalten, der dennoch weiter ignoriert wird, auf. Die Liebesgeschichte von Anwalt Campbell und Julia ist unglaubhaft und trägt nichts zur Geschichte bei, noch nicht einmal im weitesten Sinne hinsichtlich Selbstbestimmung. Kate, in all ihrer Krankheit, bringt ebenfalls kaum charakterliche Stärke mit, was angesichts des Kampfes, den sie austrägt, ebenfalls unwahrscheinlich wirkt. Wieso tritt sie nicht stärker hervor mit ihren Wünschen? Entsprechend werden Gespräche zwischen den Schwestern seltsam ausgeklammert, obwohl in ihrer Beziehung doch der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte liegt.
Einige dieser Punkte scheinen, so liest man bei Wikipedia, in der Verfilmung abgeändert worden zu sein, vielleicht sollte ich diesen zum Vergleich bei Gelegenheit auch anschauen. Der Roman lässt einen trotz emotionaler Angegriffenheit etwas unbefriedigt zurück.

Jodi Picoult, Beim Leben meiner Schwester. Piper, München 2006.


Saturday, September 12, 2020

Cornel Wachter (Hg.) - Ich fand Kunst doof und gemein

Mein erstes Kunsterlebnis hieß 2008 eine Ausstellung des Kölner Wallraf-Richartz-Museums. Es ging um eine Installation, die Besucher zu einem Teil von Kunstwerken werden ließ, anstatt sie nur Besucher und Voyeure sein zu lassen. Zentrale Elemente waren dabei eine Drehtür in der Installation und ein Gästebuch auf einem daneben stehenden Schreibtisch.
Aus dieser Ausstellung heraus befragte Cornel Wachter, der Herausgeber des Buches "Ich fand Kunst doof und gemein" - Mein erstes Kunsterlebnis, viele Künstler aus verschiedenen Bereichen, aber auch andere Prominente, deren Metier nicht in erster Linie der Kunstbetrieb ist, zu diesem Thema.
Diese beantworten die Frage zum Teil sehr konkret mit einer Erinnerung an eine frühe Begegnung mit Kunst. Andere berichten von Projekten, die ihnen am Herzen liegen, ersten Ausstellungen und anderen Dingen.
Prinzipiell ist dies eine interessante Idee. Aber.
Ich würde mich selbst durchaus als kunstinteressiert bezeichnen und beim Lesen des Bandes gibt es einige Anekdoten und Erinnerungen, die vielleicht den eigenen Horizont erweitern und andere Blickwinkel auf Kunst ermöglichen. Leider sind viele der Äußerungen aber schlichtweg nicht sonderlich interessant und ein Großteil der befragten Personen stammt aus einem Kunstbetrieb, in dem ich nicht zuhause bin, so dass mir die Namen nichts sagen und ich keine Bezüge zu deren Schaffen (als Künstler, Kurator, Schriftsteller, ...) herstellen kann. So muss ich zugeben, dass ich viele der Seiten nur angelesen bzw. überblättert habe und meine Rezension also oberflächlich bleiben muss.
Es ist ein hübsch gestaltetes Hardcover-Bändchen, in das sicher viel Inspiration und Aufwand hineingesteckt wurde, das mir aber wenig gefallen hat.

Cornel Wachter (Hg.), "Ich fand Kunst doof und gemein" - Mein erstes Kunsterlebnis. E.A. Seemann. Leipzig 2012.

Tuesday, September 08, 2020

Jan Costin Wagner - Sommer bei Nacht

Jan Costin Wagner verlässt mit Sommer bei Nacht das finnische Setting seiner Kimmo-Joenta-Reihe und wechselt nach Wiesbaden. Der kleine Jannis wird auf einem Schulflohmarkt entführt, als Mutter und Schwester kurz nicht auf ihn achten. Ben Neven und Christian Sandner ermitteln, haben aber nur wenige Spuren, denen sie folgen können. Erst durch die Medienberichterstattung treffen weitere Hinweise ein, doch letztlich ist es ein Zufall, der schließlich den Durchbruch bringt.
Sommer bei Nacht hat zahlreiche Erzählperspektiven, kurze Kapitel sind jeweils mit dem Namen des Erzählenden getitelt. Beim Hörbuch erschwerte dies bei nur einem Vorlesenden, Torben Kessler, manchmal das Verständnis, wenn man den Perpektivwechsel nicht immer sofort erfasste. Zudem waren die sprachlichen Kontraste des Gedankenflusses der einzelnen Perpektiven nicht sonderlich groß, was zum Teil verwirrend war. Dahinter steckt aber vermutlich das Konzept, dass alle Beteiligten sich in ähnlich schwierigen persönlichen Situationen befinden und zwar mit unterschiedlichen Dämonen kämpfen, aber alle ihre Abgründe in sich tragen. Oft findet die Handlung parallel zu einem intensiven inneren Erleben der Charaktere statt, nicht immer sind Handlung und Gefühl dabei in einem direkten Zusammenhang, vielmehr beeinflussen Stimmungen die Wahrnehmung oder trüben sogar die Sicht. Literarisch ist dies durchaus interessant, für mehr Stringenz des Plots hätte ich mir aber einige Perspektiven und Nebenhandlungen weniger gewünscht. So lernen wir die Charaktere intensiv und mit ihren Schwächen (von denen einige schwer auszuhalten sind) kennen, der tatsächliche Fall gerät dabei trotz seiner Grausamkeit in den Hintergrund und wird "nebenbei" und nur durch Zufall aufgelöst.
Am Ende bleiben einige schwerwiegende Fragen offen, am problematischsten dabei die Fragen einer Haltung zur Pädophilie und zur Selbstjustiz. Was bleibt, ist die Faszination mit Jan Costin Wagner ungewöhnlichem Erzählstil und seinen zerrissenen Charakteren. 

Jan Costin Wagner, Sommer bei Nacht, Argon 2020.